Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Mit seinem in Zürich ansässigen Venture-Capital-Fonds Founderful will Alex Stöckl die Schweiz zum Hub einer neuen Generation an globalen Tech-Unternehmen machen. Neben einem radikalen Fokus auf die Gründer bringt Stöckl auch 140 Mio. US-$ an frischem Geld mit, um diese Mission zu erfüllen.
Alex Stöckl sitzt auf einer Couch, hinter ihm läuft ein Beamer, der wechselnde Porträts junger Menschen zeigt. Was für manche wie eine Diashow aussehen könnte, ist für Stöckl ein Symbol für etwas viel Grösseres: «Wir möchten zeigen, dass es uns nicht um Logos geht, sondern um Individuen, die spannende Technologien entwickeln. Deswegen zeigen wir hier die Porträts aller Gründer, in die wir investiert haben.»
Stöckl ist Mitgründer und Partner von Founderful, einem in Zürich ansässigen Venture-Capital-Fonds, der ausschliesslich in Schweizer Start-ups investiert. Im November verkündete das von Stöckl, Pascal Mathis und Lukas Weder 2018 gegründete Unternehmen, dass es für seinen zweiten Fonds fast 140 Mio. CHF eingesammelt hat. Mit dem neuen Geld will Founderful die eigene Strategie nochmals deutlich ausbauen: «Wir haben 2018 gesagt, dass die Schweiz das nächste Silicon Valley werden wird. Bei unserem Portfoliotag habe ich dann jüngst klargestellt, dass wir das Wort ‹wird› streichen können: Die Schweiz ist das nächste Silicon Valley.»
Die These ist durchaus gewagt, ganz ohne Grundlage ist die Aussage aber keinesfalls. Zwar schaffte es die Schweiz 14 Jahre in Folge auf den ersten Platz im Global Innovation Index, doch die wirklich erfolgreichen Technologieunternehmen der letzten Jahrzehnte kamen bekanntermassen aus den USA: Amazon, Tesla, Meta (Facebook-Mutter), Alphabet (Google-Mutter) und Nvidia wurden alle in den letzten 30 Jahren an der US-Westküste gegründet – und sind heute unter den Top Ten der wertvollsten Unternehmen der Welt. Doch konsumentenorientierte Geschäftsmodelle sind heute weitgehend mit ebendiesen Platzhirschen besetzt; also könnte nun die Zeit von Deeptech-Unternehmen kommen. Denn diese benötigen keine grossen Binnenmärkte, um erfolgreich zu sein – und sind daher auch weniger stark abhängig von bestimmten Standorten für die Unternehmensgründung.

Stöckl sieht Zürich als exzellenten Ort für diese nächste Generation von Tech-Start-ups, unter anderem auch, weil auf engem Raum zwei exzellente technische Hochschulen vorhanden sind, die EPF in Lausanne und vor allem die ETH Zürich. Die ETH produziert heute mehr universitäre Spin-offs als jede andere Universität der Welt. Und: Die vormals genannten Tech-Giganten haben oft grosse Entwicklerstandorte in Zürich, allen voran Alphabet bzw. Google mit rund 5.000 Mitarbeitern.
Ein Manko bleibt jedoch: das liebe Geld. Denn Europa hinkt in Sachen Wachstumskapital deutlich hinter den USA her. Während die USA im Vorjahr mit über 200 Mrd. US-$ an VC-Investitionen ein deutliches Wachstum gegenüber 2023 hinlegten, waren die Investitionen in Europa laut Atomico mit 45 Mrd. US-$ leicht rückläufig. Doch selbst das stört das Founderful-Team (zumindest mit Blick auf den eigenen Fonds) nicht sonderlich: Founderful investiert nur frühphasig und stets als Lead Investor, steigt also in der Pre-Seed- oder Seed-Runde, teilweise auch in Series-A-Runden ein. Wenn die Unternehmen dann bei höherer Reife internationale Investoren in grösseren Finanzierungsrunden ansprechen, hilft Founderful ihnen dabei – und bleibt eine gewisse Zeit noch an Bord, um beim Übergang zu helfen. Danach steigt der Fonds aber aus, um wiederum Mittel für neue Investments zu haben. Stöckl: «Es ist entscheidend, in dieser Phase Kontinuität zu schaffen. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Gründer auch in späteren Finanzierungsrunden von erfahrenen Partnern begleitet werden.»
Zum Portfolio von Founderful zählen Industrial-Tech-Start-ups oder Software-Unternehmen, darunter etwa der Drohnenhersteller Wingtra, Depoly, das ein Verfahren zur Aufspaltung und Wiederverwendung von Plastikmüll entwickelt hat, oder Saeki Robotics, das industrielle 3D-Druck-Roboter herstellt.
Neben frischem Geld hat sich Founderful im November auch einen neuen Namen verpasst – zuvor hiess der Fonds Wingman Ventures. Der Begriff stammt aus der Luftfahrt und wird von Piloten, die in Formation fliegen, für den jeweiligen Nebenmann verwendet. Die Idee dahinter fanden Stöckl, Mathis und Weder grundsätzlich gut, doch es störte sie der Fokus: «Wir wollen immer unterstützend begleiten, das passte eigentlich gut. Aber wir wollen mit dem Namen nicht uns selbst, sondern die Gründer in den Mittelpunkt stellen», erklärt Stöckl. So entstand Founderful, ein Kunstwort aus den Begriffen «founder», «wonderful» und «helpful». «Hier geht es nicht um Logos und Erfolge der Investoren, sondern um die Menschen, die hinter den Ideen stehen», so Stöckl.
Stöckl selbst begann seine Karriere in der Beratung bei Roland Berger, bevor er in eine unternehmerische Rolle schlüpfte und als COO bei der Pure Foods AG, die mit «Gärtnerei» ein nachhaltiges Food-Konzept in der Schweiz an den Start brachte, aktiv war. Nach einem Jahr wechselte er in die Venture-Capital-Rolle – und erlebte grosse Frustrationen mit der Branche: «Ich hatte damals viele Ideen für Investments; technologische Innovationen von der ETH oder EPFL. Aber meine Kollegen wollten lieber in Plattformen wie ‹hundefutter.de› investieren», erinnert er sich. Diese Geschichte wiederholte sich mehrmals – der Wunsch, genau das zu verändern, wurde immer grösser. Stöckl: «Viele Ideen wurden nicht verstanden oder als zu riskant abgelehnt. Ich wusste, dass es anders gehen muss.»

Stöckl kam mit zwei erfolgreichen Gründern ins Gespräch: Pascal Mathis hatte die Reiseplattform Getyourguide mitgegründet, die zuletzt mit zwei Mrd. US-$ bewertet wurde; Lukas Weder hatte eat.ch aufgebaut und erfolgreich verkauft. Beide waren damals als Business Angels aktiv, Stöckl überzeugte sie, gemeinsam einen VC-Fonds aufzusetzen. Doch zu Beginn schien die Idee auf taube Ohren zu stossen. Das Fundraising für den ersten Fonds, der letztendlich 78,5 Mio. CHF umfasste, wurde 2020 abgeschlossen – eine nervenaufreibende Zeit. «Wir standen wenige Wochen vor dem Closing bei 55 Millionen und dachten: ‹Das war’s; wir erreichen das Ziel nicht!› Im letzten Moment kamen Investoren, die uns lange hingehalten hatten, und sagten zu. Dann ging alles Schlag auf Schlag», erzählt Stöckl. Heute ist Founderful mit 60 Investments der aktivste Early-Stage-Investor der Schweiz.
Doch zuletzt musste die VC-Branche mit einem brutalen Marktumfeld umgehen – nach dem Peak 2021 ging es für viele Start-ups steil bergab, was auch VC-Fonds das Leben schwer machte. Doch Stöckl sieht die Entwicklung nicht unbedingt als Nachteil an: «Die Blase musste platzen. Es gab zu viele Investments in kurzfristige Trends wie NFT-Handelsplattformen oder 10-Minuten-Lieferdienste. Jetzt liegt der Fokus wieder auf echten Innovationen, die langfristigen Nutzen bringen.»
Founderful will in langfristig orientierte Gründer investieren, die einen echten Mehrwert bieten. «Wenn der Fokus auf nachhaltigen Geschäftsmodellen liegt, haben wir einen Vorteil. Unsere Investments sind langfristig ausgelegt und wirtschaftlich fundiert», so Stöckl. Doch Founderful ist sich der Schwierigkeiten auch bewusst – zahlreiche Industrial-Tech-Start-ups entstammen einem universitären Umfeld, und Wissenschaftler sind nicht immer Experten für die Kommerzialisierung und Monetarisierung ihrer Ideen. Founderful achtet bei seinen Investments daher auf einen klaren Business Case. Stöckl: «Wir haben Projekte, deren Umsatz nicht plötzlich rasant nach oben schiesst. Die Gründer müssen also sehr klar aufzeigen, wie sie langfristig einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erzielen wollen.»
Ein Beispiel ist das Unternehmen Oxyle, das eine Lösung zum Abbau von Mikroplastik (PFAS) in Wasser entwickelt hat. Laut eigenen Angaben kann Oxyle 99 % dieser Partikel entfernen. «Wenn wir so etwas hören, stellen bei uns alle Ampeln auf Grün», sagt Stöckl. «Das ist ein global und gesellschaftlich relevantes Problem – wenn es dafür eine Lösung gibt, muss das einfach auch ein Investment Case sein.»

Doch es gibt Stimmen in der Branche, die glauben, dass erfolgreiche Industrial-Tech-Unternehmen in der Regel von Menschen gegründet werden, die nicht direkt aus der Universität kommen, sondern einige Jahre Erfahrung in der Branche haben und daher auch etwas älter sind als der typische VC-Gründer. Die Frage nach solchen Profilen habe sich das Team auch gestellt, sagt Stöckl – und sich schliesslich dagegen entschieden: «Das hat nichts mit dem Alter zu tun, und auch nicht mit deren Expertise. Doch jemand mit vielen Jahren Berufserfahrung hat meist ein sehr konkretes Problem im Kopf, das sie lösen wollen. Dadurch denken sie Innovationen oft zu klein, und dann ist es für uns nicht spannend genug.»
Entscheidend ist letztendlich aber nicht der beste Ansatz, sondern wie viel Geld die Investoren aus ihren Investments bekommen. Das weiss auch Stöckl: «Die besten Fonds in Europa verdreifachen das Geld ihrer Investoren – oder bringen sogar noch etwas mehr. Das ist auch unser Ziel. Ich habe aber auch schon Fonds gesehen, die in unserer Phase investieren und das Geld verfünf- oder verzehnfachen.» Mit dem ersten Fonds stehe man aktuell beim 2,5-Fachen. Stöckl sagt dazu, dass es sich hier um frühe Buchwerte handelt, denn viele Portfoliounternehmen seien jetzt erst dabei, ihre nächste Runde aufzustellen: «Das ist für uns also ein gutes Zeichen, dass wir genau auf dem richtigen Pfad sind.»
Für die Zukunft will Stöckl genau das weiterhin tun, was Founderful auch in der Vergangenheit getan hat: die besten Gründer finden und in ihre Ideen investieren. «Unsere Philosophie ist simpel: Wenn die besten Gründer mit uns zusammenarbeiten wollen, gewinnen wir langfristig», sagt Stöckl.
Alex Stöckl studierte Betriebswirtschaft und startete seine Karriere bei Roland Berger. Später half er, als COO die Pure Foods AG sowie die Marke «Gärtnerei» mit aufzubauen. 2015 wechselte Stöckl zu einem Venture-Capital-Fonds, 2018 gründete er den eigenen Fonds Founderful.
Fotos: Mara Truog