Big is Beautiful

Donald Trumps Handelspolitik ist in seiner zweiten Amtszeit deutlich aggressiver als während der ersten: Er droht mit höheren Zöllen, und er droht mehr Ländern. Gleichzeitig ist Europas Wirtschaft schon jetzt – bevor der Handelskrieg richtig ausgebrochen ist – am Schwächeln. Was das bedeutet, erklärt Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr.

Es sei jedem verziehen, der nicht mehr mitkommt: Fast ­wöchentlich meldet sich Donald Trump zu neuen Zöllen, Gegenzöllen oder ­Androhungen von Zöllen. Erst möchte er mit Zöllen gegen ­Mexiko und Kanada den nordamerika­nischen Handel zerreissen, dann ­rudert er zurück; China droht er mit immer höheren Abgaben, deutet dann aber an, dass ihm ein Handelsabkommen lieber wäre. Nur bei der EU scheint er entschlossen: Als der Block Zölle in Höhe von insgesamt 26 Mrd. € auf US-amerikanische Importe ankündigte (als Antwort auf die 25 %, die die USA zuvor auf Stahl- und Aluminium­importe aus der EU eingeführt haben), drohte Trump mit Zöllen in Höhe von 200 % auf Wein und Champag­ner.

Es kündigt sich ein Handelskrieg ­zwischen der EU und ihrem ­wichtigsten Handelspartner an – und das in ­einer Zeit, in der die Wirtschaft auf dem alten Kontinent stottert und der Krieg in der Ukrai­­ne deutlich macht, dass eigentlich Milliarden in die Auf­rüstung fliessen müssten. Kann sich Europa einen Handelskrieg mit den USA leisten? Das haben wir Gabriel Felbermayr gefragt. Der Ökonom aus Steyr ist ­Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen der Frei­handel und die Effekte geoökono­mischer Waffen; etwa von Zöllen.

Herr Felbermayr, erst kürzlich hat die EU Gegenzölle gegen die USA angekündigt, Trump hat ­wenig später zurückgeschossen. War das vonseiten der EU der richtige Schritt?
Trumps Zölle brechen die inter­nationalen Handelsregeln, da kann die EU nicht einfach zuschauen, sie muss antworten. Ansonsten lädt sie den US-Präsidenten – und andere – ein, sich auf Kosten der ­Europäer zu bereichern. Solche Ausgleichszölle sind ja von der WTO vorgesehen. Sie sind auch für die Glaubwürdigkeit der Handelspolitik notwendig. Wenn die EU nicht schon gegen relativ kleine Vergehen wie die Zölle auf Stahl und Aluminium vorgeht, wird es für sie schwierig, im Falle grösserer Vergehen glaubwürdig mit Gegenmassnahmen zu drohen.

„Die Verhandlungsmacht der EU hat seit Trumps erster Amtszeit abgenommen“, sagt Gabriel Felbermayr.

Trump verfolgt mit seiner Handels­politik nicht nur ökonomische Ziele, sondern auch geopolitische: Er möchte etwa Mexiko dazu zwingen, die Grenze dicht zu machen, oder Europa, aufzurüsten …
Das stimmt, aber das ist kein Grund, die Zölle einfach über sich ergehen zu lassen. Wenn sich die EU nicht gegen die 25 % auf Stahl- und Aluminiumimporte wehrt, hat sie den Schaden, aber immer noch keine Garantie, dass Trump sie im Fall des Falles militärisch ­unterstützen würde. Hinter den Zöllen steckt auch ein Verhandlungsprozess: Die Handelsbeschränkungen ­dienen dazu, Verhandlungsmacht aufzubauen, indem man Drohkulissen errichtet. Trump könnte Europa mit Zöllen im Industriebereich, besonders auf Autos oder ­Maschinen, wirklich Probleme bereiten. In dem Bereich kann Brüssel nur schwer mit Gegenzöllen drohen, weil europäische Unternehmen solche Güter kaum aus den USA importieren. Für eine glaubwürdige Gegen­drohung müsste die EU die US-Wirtschaft dort treffen, wo wirklich Geld verdient wird, also etwa die Digitalkonzerne. Im Idealfall erkennen alle Seiten, dass es besser für alle ist, wenn niemand Handels­barrieren ­errichtet.

Die Verhandlungsmacht der EU hat seit Trumps erster Amtszeit allerdings abgenommen. ­Erstens ist das Wirtschaftswachstum in ­Europa schwächer – sowohl ver­glichen mit dem Wachstum damals als auch mit dem der USA heute. Zweitens ist Europa jetzt von US-amerikanischem Gas abhängig: Statt aus Russland importiert der Kontinent jetzt viel Gas aus dem Westen. Dazu kommt, dass der Ukraine-Krieg gezeigt hat, dass Russland eine Gefahr für Europa ist und wie schwach das Militär europäischer Länder wirklich ist. Brüssel wird also mehr hergeben müssen als in Trumps erster Amtszeit.

Trump hat mehrmals gedroht, 10 bis 20 % Zölle gegen alle Importe, egal aus welchem Land, einzuführen. Was ist die Logik dahinter?
Aus ökonomischer Sicht kann man da kaum etwas Gutes sagen. Sollte er das wirklich durchziehen, würden Amerikas Handelspartner Gegenzölle einführen. In dem Szenario ist aber damit zu rechnen, dass Trump einzelnen Ländern Deals anbietet. Er könnte etwa Gross­britannien verschonen und es so aus dem ­europäischen Kontext herausbrechen. Es ist auch vorstellbar, dass er das mit Viktor Orbán oder ­Giorgia Meloni versucht, was allerdings ­gegen EU-Recht gehen würde.

Trump redet von solchen Universalzöllen, weil er sich eine Re­industrialisierung der USA wünscht, was diese tatsächlich ­bewirken könnten. Der Preis wäre aber hoch: Die Preise der ­Güter würden steigen und die Qualität würde fallen. Und: Es würden zwar mehr Menschen in Sektoren wie der Stahlindustrie arbeiten, aber die müssten von anderen, ­potenziell ­lukrativen Sektoren zuwandern, denn Amerikas Arbeitslosenquote ist ­zurzeit recht niedrig.

Aus ökonomischer Sicht ­lassen sich diese Zölle also kaum recht­fertigen. Aber es geht eben auch um Geopolitik, und hier konnte Trump schon Gewinne verbuchen: Er hat Mexiko dazu gebracht, die Grenze zu verstärken, er hat Kolumbien genötigt, Remigration zuzulassen – und er zwingt Europa in höhere Verteidigungs­ausgaben; mit Erfolg, wie es aussieht.

Was können europäische Unternehmen tun, um sich gegen einen Handelskrieg abzusichern?
Das ist ein zwiegespaltenes Bild. Grosse Unternehmen, die in den USA Niederlassungen haben oder solche aufbauen können, werden ihr Geschäft stärker dorthin ver­lagern. Sie werden ihre Liefer­ketten genauer untersuchen müssen. Sind etwa US-amerikanische Unter­nehmen in der Lieferkette, könnten Zölle zusätzliche Kosten verursachen. Vor möglichen Wechselkursschwankungen, die ein Handelskrieg sicher auslösen würde, schützt sie das aber auch nicht.

Kleine Unternehmen haben es deutlich schwieriger. Sie ­können auch ihre Lieferketten ­analysieren, haben aber weniger Spielraum, sich anzupassen. Man muss ­damit ­rechnen, dass solche ­Unternehmen mit den grossen fusionieren – in ­einem Handelskrieg gilt auf ­Länder- und Unternehmensebene „Big is ­beautiful“.

Gabriel Felbermayr ist seit 2021 Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Davor war er Präsident des Instituts für Welt­wirtschaft in Kiel und bis 2019 Direktor des Ifo-Instituts für Wirtschafts-forschung an der Universität München.

Fotos: David Višnjić

Erik Fleischmann,
Redakteur

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