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Das Institut auf dem Rosenberg in St. Gallen bildet als „beste Schule der Welt“ die Führungskräfte von morgen aus. Schulleiter Bernhard Gademann betont die Relevanz von unternehmerischem Denken, Agilität und Innovationskraft, um erfolgreich zu sein – sowohl für die Schüler als auch für die Schule selbst.
Statt mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten, stellt Bernhard Gademann sofort eine Gegenfrage: „Welchen Grund gäbe es, dass wir nicht die beste Schule der Welt sein sollten?“ Die dazugehörige Frage lautete natürlich, ob Gademanns Schule tatsächlich die beste der Welt sei – eine Benchmark, die sich das von ihm geführte Institut auf dem Rosenberg selbst gesetzt hat. „Wir stellen uns selbst die gleiche Frage immer wieder, und wir stellen fest: Mit unseren Ressourcen, unserer Flexibilität und unseren Eltern, die uns unterstützen und vertrauen, gibt es keine Ausreden“, sagt Gademann.
1889 gegründet, hat sich das Institut auf dem Rosenberg diesen Ruf über 131 Jahre erarbeitet: „Unser Anspruch bedingt eine stetige Weiterentwicklung, viel unternehmerische Arbeit und ein Commitment, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen“, sagt Gademann. Seit 1924 befindet sich die Schule im Besitz seiner Familie; Bernhard Gademann leitet den Familienbetrieb in vierter Generation.
Wer aber glaubt, dass er mit der Schweizer Bescheidenheit bricht, irrt sich. Denn trotz dieses Selbstverständnisses wird die Diskretion gewahrt. Zwar befinden sich unter den Wirtschaftslenkern unserer Zeit zahlreiche ehemalige Schüler des Instituts auf dem Rosenberg – seien es CEOs grosser Konzerne oder namhafte Denker aus dem Silicon Valley. Bestätigt werden einzelne Namen jedoch nie.
Die Schule besuchen Kinder zwischen sechs und 18 Jahren, allesamt im Internatsbetrieb. Die Schulgebühren liegen bei rund 130.000 CHF pro Jahr und Kind. Vorrangig stammen die Schüler aus Unternehmerfamilien, die sich für ihren Nachwuchs eine zeitgemässe und zukunftsorientierte Schulbildung wünschen. Doch was bedeutet das? „Eine Schule muss die Brücke schlagen zwischen der Welt ausserhalb des Klassenzimmers und dem Unterricht“, so Gademann. Zu oft sei der Unterricht in Schulen zu abstrakt und ohne Realitätsbezug.
Am Institut auf dem Rosenberg hat unternehmerisches Denken und Tun einen grossen Stellenwert. Als würde er einen Crashkurs für Start-up-Gründer eröffnen, sagt Gademann über die Schulphilosophie: „Wir wollen, dass die Schüler kreativ sind, sich etwas trauen und auch mal Fehler machen.“ Die Zukunft würde menschliche Fähigkeiten noch relevanter machen – „in einer Welt, in der die künstliche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle spielt, sind unsere genialen Köpfe und unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit die letzte menschliche Bastion.“ Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schüler aus nahezu 50 Nationen auf die Herausforderungen der sich schnell entwickelnden und digitalen Arbeitswelt der Zukunft vorzubereiten.
Damit versucht das Institut, den wohl grössten Widerspruch des heutigen Schulsystems zu bekämpfen: Der Grossteil der Jobs, in denen die Schüler arbeiten werden, existiert heute nämlich noch gar nicht – die Schulen unterrichten aber mit Methoden wie vor 50 Jahren. „Die Bildungssysteme sind zunehmend von den Realitäten und Bedürfnissen der globalen Wirtschaft und Gesellschaft abgekoppelt“, schrieb etwa auch das World Economic Forum kürzlich in einem Whitepaper. Dem will Gademann mit entgegentreten.
Das Institut auf dem Rosenberg
... wurde 1889 in St. Gallen gegründet und hat sich selbst die Benchmark gesetzt, die beste Schule der Welt sein zu wollen. Seit 2011 leitet Bernhard Gademann die Schule in vierter Generation
Der Campus des Instituts auf dem Rosenberg wirkt wie ein Filmset von Wes Anderson. Über den Dächern St. Gallens auf dem namensgebenden Rosenberg gelegen, erstrecken sich über ein Areal von 100.000 Quadratmetern zahlreiche Gebäude im Jugendstil, die einerseits die Unterkünfte der Schüler, andererseits die Unterrichtsräume beherbergen. Hinzu kommen Sport- und Freizeitanlagen und etwa auch ein Creative Lab, in dem Schüler mit neuen Technologien – darunter von künstlicher Intelligenz gesteuerte Roboter in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Konzern ABB – kreatives Arbeiten erlernen können. Des Weiteren entsteht momentan der Future Park, wo Schüler in Kollaboration mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich in Plant Domes die Auswirkungen des Klimawandels erforschen können.
Die Schüler legen unterschiedliche Abschlüsse ab – etwa das German International Baccalaureate, das International Baccalaureate, GCE A-Level, IGCSE oder das High School Diploma und APs. 99 % der Absolventen starten ein Universitätsstudium. Neben dem klassischen Unterricht stehen den Schülern 60 „co-curricular courses“ – also Kurse, die den Stundenplan komplementieren – sowie 40 Sport- und Freizeitangebote zur Auswahl. Jeder Schüler erhält einen individuell auf ihn angepassten akademischen Stundenplan, der Stärken, Schwächen und individuelle Zukunftspläne unterstützt.
Doch was müssen Schüler heute lernen, um gute Führungskräfte zu werden? Gademann betont erneut, dass es nicht zwingend um Expertenwissen gehe, sondern vielmehr um grundlegende menschliche Tugenden: „Kreativität, Forschungsdrang, Ethik, Interesse, Leidenschaft.“ Um das Beste aus den Schülern zu holen, brauche es innovative Ansätze. Gademann sieht sich selbst daher auch nicht primär als Pädagoge oder Unternehmer, sondern bezeichnet sich und seine Kollegen als „Artisans“. Denn das hauseigene „Talent & Enrichment Program“ biete nicht nur den Schülern bestmögliche Chancen für die Zukunft, sondern verlange seinen Lehrpersonen auch alles ab: „Unsere Teams sind Kunsthandwerker im Bildungswesen, die ihre Erfahrung, Fähigkeiten und Liebe zum Detail einsetzen, um es jedem Schüler zu ermöglichen, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Wir sind kein Internat im traditionellen Sinne, sondern ein einzigartiges und ganzheitliches Lernumfeld, das weit über das hinausgeht, was andere Schulen bieten.“
Neben top ausgebildetem Lehrpersonal, das aus aller Welt stammt und zu den Schülern im Verhältnis von eins zu zwei vorhanden ist, geben internationale Gastvortragende die notwendige Expertise. Das internationale Netzwerk der Schule ermöglicht dabei Kooperationen mit Universitäten wie Harvard, der Uni St. Gallen oder der ETH Zürich. Zudem können Schüler ausserhalb der Schule Praxiserfahrung sammeln, sei es im Nobelhotel Chedi Andermatt oder im massgeschneiderten Workshop bei der Norman Foster Foundation in Madrid.
Als wir Bernhard Gademann für das Interview kontaktieren, ist all das jedoch pausiert – denn auch das Institut auf dem Rosenberg ist gegen die infolge des Coronavirus verhängten Restriktionen nicht immun; vielmehr reagierte das Institut früher als die meisten anderen Bildungseinrichtungen. „Ich glaube, wir waren die erste Schule in der Schweiz, die proaktiv gehandelt hat. Drei Tage später waren wir bereits mit dem Unterricht online. Das ging alles natürlich nicht ohne einen guten Schuss Unternehmertum“, so Gademann. Mit dem „Rosenberg Live“, einem personalisierten Live-Unterrichtsprogramm, können Schüler aus aller Welt ihrem eigenen Stundenplan weiter folgen. Die Lehrer unterrichten dabei in verschiedenen Teams in den verschiedenen Zeitzonen.
Trotz vieler Besonderheiten ist das Institut auf dem Rosenberg in seinem Kern ein klassisches Familienunternehmen. 1924 kaufte Gademanns Urgrossvater das Anwesen und legte damit den Grundstein für die erfolgreiche Zukunft des heutigen Instituts; Bernhards Vater Otto A. Gademann war laut Erzählungen ein humorvoller und visionärer Zeitgenosse, der einen sehr guten Draht zu seinen Schülern hatte.
„Wir gehen immer vom Schüler aus – Students first. In der Hierarchie unserer Entscheidungen stehen an oberster Stelle die Schüler, an zweiter Stelle finden sich die Familien – und erst dann folgt die Schule.“
Bernhard Gademann war selbst Schüler am Institut auf dem Rosenberg – dass er die Schule irgendwann selbst leiten würde, war jedoch nicht immer ganz klar. „Ein Familienunternehmen ist ein goldener Käfig“, sagt Gademann lachend. „Der Unterschied ist aber: Die Tür ist offen.“ Sein Vater habe ihm keinen Druck gemacht, in seine Fussstapfen zu treten – also probierte sich Bernhard in anderen Branchen: Nach seinem Studium an der European Business School (EBS) in London war er vier Jahre für den Medienkonzern Thomson Reuters tätig; es folgte eine Station bei einer Tochter der Ratingagentur Fitch, bevor Gademann 2011 an die Spitze des Instituts auf dem Rosenberg wechselte. Unter seiner Führung hat die Schule zahlreiche Neuerungen – etwa das Creative Lab – umgesetzt. Gademann muss dabei ein Balanceakt gelingen, der Exponiertheit und Diskretion, Tradition und Moderne verbindet: „Es ist eine Gratwanderung zwischen traditionell und verstaubt sein. Wir hinterfragen also, welche Traditionen für uns wichtig sind – was ist typisch Rosenberg? Und was ist für die Generation, die wir heute ausbilden, schlicht nicht mehr relevant? Wir wären ja verrückt, wenn wir denken würden, alle Prinzipien aus 1889 wären auch heute noch anwendbar.“
Manches ändert sich jedoch nicht – die internationale Gemeinschaft etwa, oder der Sinn für Humor: „Wir nehmen unsere Arbeit zwar sehr ernst“, sagt Gademann, „doch wir uns selbst nicht so sehr.“ Ein unumstössliches Prinzip der Schule ist indes auch die Unabhängigkeit: Das Institut auf dem Rosenberg nimmt nie Spenden an, diverse Verkaufsangebote wurden stets diskussionslos abgewiesen. Selbst eine Expansion – sei es auf dem bestehenden Campus oder an einem anderen Standort – sieht Gademann aktuell nicht: „Wir haben eine ideale Grösse.“
Rund 230 Schüler, quer über alle Altersstufen, sind derzeit am Institut eingeschrieben; im Schnitt bezahlen ihre Eltern 130.000 CHF Schulgebühren pro Jahr. Doch eine Frage drängt sich auf: Warum verlangt das Institut auf dem Rosenberg nicht noch mehr Geld? Gademann: „Wir haben mit dieser Grössenordnung gute Erfahrungen gemacht. Wir schaffen es, für unseren Preis ein qualitativ hervorragendes Produkt anzubieten.“
Für den Erfolg des Unternehmens wie der Schule gleichermassen setzt er auf eine agile Struktur: „Wir sind ein 131 Jahre altes Start-up. Eine Schule ist ein Projekt, das nie fertig ist.“ Inspiration gebe es überall, so der Unternehmer – sei es in Gesprächen mit den Eltern oder in Bereichen wie Politik und Kunst. „In welche Richtung entwickelt sich die Welt? Das müssen wir verstehen und umsetzen“, sagt Gademann. Das Bildungssystem selbst würde jedoch nur bedingt als Ideengeber dienen. „Dass unser System allen Menschen Zugang zu Bildung verschafft, ist eine grosse Errungenschaft. Ich denke aber, dass man sich nicht genügend weiterentwickelt. Das Bildungssystem ist dazu da, einzelnen Schülern gerecht zu werden – Schulen werden heute aber vorrangig sich selbst gerecht“, so Gademann. Und wie zuvor hat man erneut das Gefühl, er würde über Start-up-Gründer sprechen, die stets radikalen Kundenfokus fordern – in diesem Fall eben für Schüler. „Wir gehen immer vom Schüler aus – Students first. In der Hierarchie unserer Entscheidungen stehen an oberster Stelle die Schüler, an zweiter Stelle die Familien – und erst dann folgt die Schule“, sagt Gademann.
Bis heute gilt auf dem Rosenberg das Motto, das der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi prägte: „Leben zu lernen ist der Endzweck aller Erziehung.“ Für Gademann ist es wichtig, diesem Motto weiterhin gerecht zu werden, gleichzeitig aber auch zu erreichen, dass die eigenen Prinzipien anderswo Anwendung finden: „Wir holen die Welt in die Schule und machen Bildung relevant. Wir wollen beweisen, dass sich dieser Ansatz in Schulen überall und auf der ganzen Welt umsetzen lässt.“
Dem Vorwurf, eine Snob-Schule zu führen, in der Schüler abgeschirmt vom echten Leben in einer Blase aufwachsen, kann Gademann nichts abgewinnen: „Dieser Vorwurf haftet allen Schulen in einer gewissen Preisklasse an. Aber wir haben dieses Problem hier eigentlich nicht. Die Schüler merken schnell, dass die Errungenschaften ihrer Eltern nicht viel zählen, da alle aus erfolgreichen Familien stammen. Sie verstehen früh, dass ihre eigenen Leistungen den Unterschied machen.“
Text: Klaus Fiala
Fotos: Institut auf dem Rosenberg