AVOID THE VOID

Egal ob Turnsäle, Seminarräume oder Eventhallen: Zahlreiche Räumlichkeiten bleiben die meiste Zeit ungenutzt. Das fiel auch den Schülern Paul Spitzer, Jakob Mayerhofer und Clemens Walter auf. Mit ihrem Start-up Book Your Room wollen die frischgebackenen Maturanten den Leerstand in Wien bekämpfen. Die aktuelle Pandemie macht die Herausforderungen für die Jungunternehmer aber nicht unbedingt kleiner.

Es ist ein ausgesprochen heisser Sommertag, an dem wir das Gebäude im 15. Wiener Gemeinde­bezirk betreten. Die Sonne heizt den Treffpunkt, einen Seminarraum im Dachgeschoss, ordentlich auf, die Klimaanlage schafft nur ­vorübergehend Abhilfe. Die Dachterrasse bietet da schon vielversprechendere Optionen, lädt doch ein Pool zum Abkühlen ein – und bietet zudem das passende Setting für unser Foto­shooting mit einem Ausblick über halb Wien; eben­jene Stadt, die Paul Spitzer, Jakob Mayerhofer und Clemens Walter mit ihrem Konzept erobern wollen.

Doch es ist nicht die WG von drei Gründern, in der wir uns treffen, sondern in gewisser Weise das Produkt ihres Unternehmens. Denn die drei Freunde, frischgebackene Maturanten, sind die Gründer von Book Your Room, einem Start-up, das Räumlichkeiten aller Art – etwa Turnsäle oder Eventhallen – besser und klüger vermieten und vermitteln will. Ausgehend von den leer stehenden Turnsälen der eigenen Schule bemerkte das Trio, dass sowieso zur Verfügung stehende Räume oft völlig ineffizient genutzt werden. Ein „Entrepreneurship Camp“ im Rahmen ihrer Schulausbildung später, und die Idee wurde zum Businessplan und schliesslich zum Unternehmen.

Paul Spitzer, Jakob Mayerhofer und Clemens Walter
... gingen an der „Schumpeter-HAK“ im 13. Bezirk in Wien zur Schule. Im Rahmen eines „Entrepreneurship Camp“ arbeiteten sie die Idee zu Book Your Room aus. Nach ihrem Schulabschluss wollen sich die drei Gründer verstärkt ihrem Start-up widmen.

Die drei Gründer nennen bei der Beschreibung ihres Ansatzes ein prominentes Beispiel: „Wir wollen ein Pendant zu Airbnb sein“, so Walter, der als CMO des Unternehmens fungiert. Denn die Plattform soll ebenfalls ­ungenutzte Assets – statt Wohnungen eben Veranstaltungsräume – vermitteln. Book Your Room vermietet dabei aber nicht selbst, sondern tritt wie Airbnb als Vermittler auf. Auf der Website des Start-ups sind die Räume, die aktuell im Angebot sind, aufgelistet und in drei Kategorien eingeteilt: „Sport“, „Workshops“ und „Events“. „Unsere Zielgruppe sind Leute, die ihre Räume normalerweise nicht vermieten würden“, sagt Spitzer, der als CFO tätig ist. Das können Schulen sein oder andere Anbieter, die normalerweise keine digitale Infrastruktur für Raumbuchungen haben. Dabei überraschte die Nutzungsart der Räumlichkeiten die Gründer: „Zwar sind durchaus erwartbare Buchungen – etwa Fussballrunden unter Freunden – dabei, aber wir hatten etwa auch junge Mütter, die nicht wissen, wo sie ihre ,Mamatreffen‘ abhalten sollen, unter unseren Nutzern“, sagt Mayerhofer, Mitgründer und CTO. Der grosse Vorteil (und das Alleinstellungsmerkmal des Start-ups) ist aber der gute Kontakt zu Schulen bezüglich leer stehender Räume.

Der Bedarf ist jedenfalls gross: Laut einer Studie des Instituts für Sportökonomie gibt es in Österreich jährlich allein von Sportvereinen einen ­zusätzlichen Bedarf an Schulsportstätten von über 940.000 Stunden. Wären Turnsäle und Sportanlagen an schulfreien Tagen – das sind rund 180 im Jahr – geöffnet, könnte man den Bedarf zwar nicht zur Gänze, aber doch zu einem Grossteil decken. Finanziell würde das Einnahmen in Höhe von bis zu 13,4 Millionen € betragen; nach Abzug der Mehrkosten blieben Österreichs Schulen mindestens 7,8 Millionen € übrig. Allein für Wiener ­Schulen wäre der potenzielle Gewinn 1,6 Millionen € hoch – Geld, das in ­Zeiten von Personalknappheit und Budgetkürzungen dringend gebraucht wird. Doch auch Eventveranstalter und die Anbieter passender Räumlichkeiten könnten ihre Einnahmen ordentlich in die Höhe schrauben.

Die Preise beginnen im sehr niedrigen Segment und skalieren dann schnell nach oben – von 10 € für Turnhallen bis zu rund 2.000 € für grosse Eventlocations. Book Your Room verdient an einer gestaffelten Provision – je höher der Preis, desto niedriger die Provi­sion: 25 % (und damit 2,5 € bei einem Turnsaal) erhält die Plattform für niedrigpreisige Buchungen, 7 % (und somit bezogen auf das obige Beispiel 140 €) sind es bei den teuersten Räumen. Doch zahlt es sich für das Unternehmen tatsächlich aus, an Transaktionen – die durch die Abwicklung natürlich für das Team auch Arbeit verursachen – teilweise nur knapp über 2 € zu verdienen? „Nein, natürlich nicht“, sagt Spitzer. „Uns geht es aber neben dem finanziellen Erfolg auch darum, einen Impact zu haben. Und: Kleinvieh macht auch Mist.“

Paul Spitzer, Jakob Mayerhofer und Clemens Walter (v. li. n. re.) im Interview in einem „ihrer“ Seminarräume in Wien.

Auf diesen „Mist“ sind ­Spitzer, Walter und ­Mayerhofer sichtlich stolz. Die drei frisch­gebackenen Maturanten ­drückten gemeinsam in der Handelsakademie im 13. Bezirk die Schulbank. In der auf Unternehmertum ausgerichteten „Schumpeter-HAK“ fanden sie die perfekten Bedingungen, um an ihrer Idee zu feilen, an Wettbewerben teilzunehmen und ihren Businessplan im Rahmen ihrer Abschlussarbeit auszuarbeiten. Es zahlte sich aus: Das Unternehmen räumte mehrere Preise ab, darunter den ersten Platz in der Kategorie „Young Entrepreneurs“ beim „Jugend Innovativ“-Preis, der innovative Ideen von 15- bis 20-Jährigen auszeichnet.

Trotz erster Erfolge fremdeln die drei Gründer mit der ­Beschreibung als „Unternehmer“. Spitzer: „Wir bevorzugen ‚Entrepreneur‘ oder ‚Changemaker‘, weil da die soziale und nachhaltige Komponente noch stärker im Wort mitschwingt.“ Nach ihrem Schul­abschluss wollen sich die Macher hinter Book Your Room nun jedenfalls intensiv ihrem Start-up widmen. Zwar steht im Herbst auch der Beginn des Sozialen Jahres an, aber Mayerhofer stellt klar, dass Book Your Room dennoch Geschwindigkeit aufnehmen soll: „Wir wollen abends und am Wochen­ende an dem Projekt arbeiten.“ Denn während das Potenzial für Book Your Room sicher gross genug ist, agiert das Start-up aktuell noch auf kleinem Volumen: Drei bis fünf Anfragen pro Woche kommen über die Plattform herein, was ein ­guter Anfang ist, für Spitzer aber auch noch durchaus ausbaufähig. „Wir wollen natürlich wachsen und möglichst viele Anbieter auf unsere Plattform holen“, so Walter.

Erste Schritte werden bereits gesetzt: Eine überarbeitete Website sowie die Einführung der neuen Rubrik „Tagungen“ sollen helfen, die Zahl der Transaktionen zu steigern. Zu Umsatzzahlen geben sich die Jungunternehmer verschwiegen, bei ihren Visionen träumen sie jedoch auf Nachfrage von Grossem: „Das Problem des Platz­mangels ist eines, das in Grossstädten relativ häufig besteht“, so Mayerhofer. Der Fokus von Book Your Room soll ergo vorerst auf Wien, aber dann, in einem zweiten Schritt, auf dem deutschsprachigen Raum liegen – Kontakte nach Berlin und auch Graz seien bereits geknüpft. Doch das Ende der Fahnenstange ist für Book Your Room auch damit wohl noch nicht erreicht: „Es wäre genial, irgendwann in jeder europäischen Hauptstadt einen Raum zu vermitteln“, so Spitzer.

Text: Lukas Ofenböck
Fotos: David Visjnic

Der Artikel erschien in unserer Juli/August-Ausgabe 2020 „Smart Cities“.

Forbes Editors

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