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Quasi aus dem Nichts hat sich Esat Likaj zu einem Namen in der Schweizer Immobilienbranche entwickelt. In seinem Büro an der Bahnhofstrasse spricht der Unternehmer darüber, wie er aus 8.000 CHF Startkapital eine schweizweit aktive Immobiliengruppe aufbaute, was er noch plant – und was er einmal hinterlassen will.
Zürich, Bahnhofstrasse, später Vormittag. Vor den Fenstern rauschen Trams vorbei, Banker eilen Richtung Paradeplatz, Touristengruppen bleiben vor den Schaufenstern stehen. Drinnen, im Büro der LIKA Group, steht Esat Likaj kaum still – mal lehnt er sich über einen grossen Lageplan des Mittellands, mal geht er zu einem interaktiven Screen, schreibt Zahlen auf und zeichnet Grundrisse. Das Portfolio seiner Gruppe ist nicht nur gross und vielfältig, sondern auch ständig in Bewegung: «Hier bauen wir bereits», sagt er und zeigt auf ein Foto eines Objekts; «hier warten wir auf die Bewilligung, hier sind wir in fortgeschrittenen Gesprächen.» Dann setzt er sich – nur um kurz darauf wieder aufzustehen, weil ihm ein weiteres Beispiel einfällt.
Esat Likaj ist kein Alteingesessener in der Branche. Vor einigen Jahren tauchte der gebürtige Kosovar in der Schweizer Immobilienbranche auf – und machte sich in kurzer Zeit einen Namen. In rund zehn Jahren hat er aus einem einfachen Gerüstbauunternehmen eine integrierte Immobilienplattform aufgebaut, die heute in der ganzen Schweiz aktiv ist: Die LIKA Group entwickelt, baut und bewirtschaftet Wohnsiedlungen im Mittelland, Long-Stay-Apartments, Luxusobjekte am Zürichsee, Gewerbebauten in der Nähe des Flughafens Zürich, Resorts und Hospitality-Projekte in Davos sowie im Engadin. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen über 80 Projekte mit mehr als 200 Gebäuden realisiert, verteilt auf mehr als ein Dutzend Kantone.
Damit steht Likaj exemplarisch für einen Trend: eine Generation privater Entwickler, die in Nischen startet – etwa mit Wohnraum im Mittelland – und sich dann in jenes Segment vorarbeitet, in dem es um zweistellige Millionenbeträge, langwierige Bewilligungsverfahren und politisch sensiblen Boden geht. Die Chancen sind offensichtlich: Bevölkerungswachstum, anhaltende Nachfrage nach Wohnraum; Kapital, das in Immobilien ausweicht. Nicht umsonst wächst der Schweizer Immobilienmarkt seit Jahren konstant – mit stabilen jährlichen Zuwachsraten im niedrigen einstelligen Prozentbereich, wie etwa UBS-Analysen zeigen. Die Risiken sind aber ebenso vorhanden: hohe Grundstückspreise sowie Planungs- und Bewilligungsphasen, die sich über Jahre ziehen und junge Firmen an ihre Grenzen bringen können.
Likaj hat sich mit dieser Logik bis zu einem gewissen Grad arrangiert – und er versucht, mit Willen und Geschick aus Nachteilen einen Vorteil zu machen. «Das Streben nach Erfolg ist mir wichtig», sagt er. «Ich habe Grundstücke an den unwahrscheinlichsten Orten in der Schweiz gekauft und die Liegenschaften mit viel Hingabe renoviert.»
Doch trotz aller Erfolge denkt Likaj nicht daran, langsamer zu werden. Denn sein Ziel ist ein grosses: Irgendwann will er die Milliarde knacken. Doch er will dann vor allem auch etwas zurückgeben: «Ich bin der Schweiz extrem dankbar für das, was sie mir ermöglicht hat.»
Meine erste Immobilie habe ich 2014 in Schöftland im Aargau gekauft. Wir hatten damals nur rund 8.000 CHF Eigenkapital.
Esat Likaj
Likajs Weg beginnt nicht in Zürich, sondern im Kosovo. In den 50er-Jahren gründet sein Grossvater ein Rohholzunternehmen, der Vater und dessen Brüder bauen den Betrieb nach dem Kosovokrieg wieder auf. Dort lernt der junge Esat die Grundlagen von Handel, Marge und Unternehmertum. Nach einem Bachelor in Management und Informatik in Pristina folgt ein Englisch-Diplom an der Amerikanischen Universität in Bulgarien, anschliessend ein Master in International Marketing & Management an der University of East London. Während dieser Jahre pendelt Likaj immer wieder in die Schweiz, lernt dort seine heutige Frau kennen. Nach Abschluss des Studiums zieht er definitiv in die Schweiz – und scheitert zunächst an der Jobsuche: Eine passende Stelle findet er nicht.
Aus der Not heraus gründet er ein Gerüstbauunternehmen in Zug, die LIKA AL GmbH – ein klassischer Zugang zur Bauindustrie, weit weg von Projektentwicklung und Finanzierung. Dann, 2013, der Bruch: Likaj erleidet einen schweren Arbeitsunfall. Die Rekonvaleszenz dauert, die Perspektive verändert sich. In dieser Zeit reift der Plan, in die Immobilienentwicklung zu gehen.
„Meine erste Immobilie habe ich 2014 in Schöftland im Aargau gekauft“, erzählt er im Gespräch. „Wir hatten damals nur rund 8.000 CHF Eigenkapital.“ Es ist kein Prestigeobjekt, sondern ein kleiner Deal am Rand des Mittellands, kombiniert mit einem Grundstück in Oberentfelden; das Objekt wird gekauft, renoviert und weiterverkauft. Für Likaj ist es weniger ein emotionaler Meilenstein als ein Test, ob seine Logik funktioniert: klein starten, Wert schaffen, verkaufen und reinvestieren.
2015 und 2016 folgen weitere Ankäufe. Gemeinsam mit einem Geschäftspartner kauft er Grundstücke, renoviert Liegenschaften und erfährt, wie viel Geld sich durch Qualität und Tempo in der Abwicklung verdienen lässt. In dieser Phase beginnt Likaj auch, Dienstleistungen zu bündeln: Gerüstbau, Bauleistungen, Renovation, später Eigenentwicklung. Ziel ist es, jene Teile der Wertschöpfungskette ins Haus zu holen, die sich sonst in Honoraren anderer niederschlagen.
Der erste grössere Wurf gelingt ihm 2017 mit einem Fabrikareal, einer Mischliegenschaft aus Fabrik, Büro und Wohnung, die er bei einer Auktion für 2,6 Mio. CHF erwirbt. Binnen acht Monaten ist das Ensemble renoviert und neu positioniert. Für Likaj ist es ein Moment, in dem sich die eigene Logik bestätigt: Er sieht, dass Geschwindigkeit nicht zwangsläufig auf Kosten der Qualität gehen muss – wenn Planung, Finanzierung und Ausführung eng geführt werden.
Parallel dazu wächst ein zweites Standbein: Wohnsiedlungen im Mittelland. Im Kanton Aargau entwickelt die LIKA Group Mehrfamilienhäuser (Birrhard) sowie einen Apartmentkomplex mit Long-Stay-Wohnungen unter der Marke „La Maison Suisse“ (Döttingen). Diese Projekte wirken langfristig, weil sie dort Wohnraum schaffen, wo Pendler zwischen Zürich, Aarau, Olten oder Baden bezahlbare Alternativen suchen.
Gleichzeitig verschiebt sich der Fokus. Aus dem Mittelland heraus arbeitet sich LIKA in Regionen vor, in denen verfügbare Grundstücke selten und die Erwartungen hoch sind: In Goldach am Bodensee entstehen 24 Eigentumswohnungen an erster Seelage; in Paradiso bei Lugano realisiert die Gruppe moderne Eigentumswohnungen mit Gewerbeflächen unter dem Namen „Butterfly“; in Celerina bei St. Moritz im Engadin wird ein Wohnhaus mit zwölf exklusiven Zweitwohnungen geplant.
Eines der anspruchsvollsten Vorhaben liegt in Davos: Auf dem Areal der früheren Thurgauisch-Schaffhausischen Höhenklinik entsteht ein Hospitality-Projekt mit Hotel, Residenzen und einem Spa- und Wellnessbereich, ergänzt um Zweitwohnungen. „Davos ist ein Paradebeispiel dafür, wie lange man heute auf Baubewilligungen warten kann“, sagt Likaj. „Insgesamt reden wir über sechs Jahre Bewilligungszeit.“ Die Kapitalbindung ist hoch, die Planbarkeit limitiert. Likaj: „Für junge Entwickler kann das existenzbedrohend sein. Wenn du vier, fünf Jahre auf eine Bewilligung wartest und sich die Zinsen oder der Markt drehen, gehst du schnell mal in Konkurs.“
Um darauf zu reagieren, wurde die LIKA Group schrittweise zur Plattform ausgebaut, die möglichst viele Teile des Immobilienlebenszyklus abdeckt: von der Entwicklung über die Baurealisation bis zur Bewirtschaftung. Ergänzend dazu ist die Gruppe über Gesellschaften wie New Green Energy und La Maison Suisse in Energielösungen und Long-Stay-Konzepten aktiv.
„Wenn du alles fremd vergibst, verlierst du Zeit und Kontrolle“, sagt Likaj. „Mein Anspruch ist, dass wir intern so aufgestellt sind, dass wir Tempo machen können, ohne an Qualität zu verlieren.“ Strategischer Fokus ist die Deutschschweiz, mit dem Tessin als zweitem Markt und der Westschweiz als ausgewählter dritter Priorität.
In der Branche hat sich das herumgesprochen: In den Referenzen der LIKA-Präsentation finden sich grosse Architekturnamen wie Tilla Theus, Markus Hotz, Aebi & Vincent oder Kalfopoulos Architekten, Beratungsfirmen wie Deloitte, PwC oder JLL sowie Maklerhäuser wie CBRE oder Wüst und Wüst.
Reich werden will Likaj ausdrücklich – aber nicht nur für sich selbst: „Wenn du etwas aufbaust, bringt es nichts, wenn nur du profitierst. Du musst ein System schaffen, in dem auch andere reich werden können.“ Auf die Frage, warum er in der Schweiz geblieben ist, obwohl er mit seinem Profil auch in London oder Dubai arbeiten könnte, antwortet er ohne Zögern: „Weil die Schweiz eine Kombination bietet, die du kaum woanders findest: Stabilität, Nachfrage, Kapital. Seit Jahren sagen alle, der Immobilienmarkt werde crashen – und doch steigt die Nachfrage weiter.“
Er sieht Parallelen, wenn er über mögliche Expansionen spricht. Die USA, London, vor allem aber die Vereinigten Arabischen Emirate stehen auf seiner Liste. „Die Emirate erinnern mich in gewissen Punkten an die Schweiz“, sagt er. „Starke Zuwanderung, langfristige Entwicklungspläne, eine klare Vision, was gebaut werden soll. Und viele behaupten, dass der Markt bald heruntergehen wird.“
Die Entscheidung, diesen Schritt zu gehen, prüft Likaj heute anders als noch vor einigen Jahren. Früher hätte die Intuition gereicht – heute wird jede Expansion intensiv durchgerechnet, mit unterschiedlichen Szenarien. Wer einmal einen schweren Unfall hatte, kalkuliert Risiken anders.
Wenn Likaj über seinen Weg spricht, gibt es einen Satz, der immer wieder vorkommt: „Wenn du im Dorf bleibst, bleibst du im Dorf – wenn du wachsen willst, musst du es verlassen.“ Es ist auch ein Kommentar auf jene Branchenkollegen, die sich in engen Märkten bewegen und vor grösseren Wetten zurückschrecken.
Gleichzeitig hält Likaj an einem Prinzip fest: Kontrolle behalten. Deshalb die vertikale Integration und die Entscheidung, die LIKA Holding in Risch zu konsolidieren und die Gruppe schrittweise zu strukturieren, statt nur projektweise zu agieren.
„Am Ende bin ich Unternehmer“, sagt Likaj. „Ich will gestalten, nicht nur verwalten.“ Der Satz fällt eher nebenbei, fasst aber seine Position gut zusammen: Er sieht sich weniger als klassischer Investor, der Kapital verteilt, sondern als Entwickler, der konkrete Orte verändert.
Die Anteile gehören zu 100 % der Likaj-Familie – und das soll auch so bleiben. Einzig auf Projektbasis kann er sich vorstellen, in Zukunft vermehrt mit Co-Investoren zu arbeiten. Aber auch da muss das Setup passen. Ob er sein Ziel, einmal in der Liga der ganz Grossen mitzuspielen, erreichen wird, lässt sich heute nicht sagen.
Sicher ist nur, dass der Aufstieg nicht mehr aus dem Nichts kommt. Hinter der Adresse an der Bahnhofstrasse stehen inzwischen Dutzende Projekte, Partnernetzwerke und ein Team, das quer durch die Schweiz Baustellen und Objekte betreibt. Für Likaj selbst, der einst mit 8.000 CHF in Schöftland begann, ist es eine Zwischenetappe: „Ich habe das Gefühl, dass wir noch am Anfang sind.“
Fotos: Mara Truog