Auf der Sonnenseite des Lebens

Mit nur 21 Jahren gründete Johann Böker das Start-up Greenflash, das sich auf Energielösungen für Unternehmen spezialisiert. Heute beschäftigt der Forbes Under 30-Listmaker mehr als 50 Angestellte und erzielt einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe ganz ohne Abitur und Studienabschluss.

Auch wenn die akademische Aus­bildung weitgehend irrelevant für die Auszeichnung als ­Under 30-Listmaker ist, haben die ­meisten Alumni doch irgendeine Art von universitärer Ausbildung ­ge­nossen. Manche nutzen die ­erworbene Fachkompetenz aus ­ihrer ­Studienzeit, andere das starke Netzwerk, und wiederum andere sehen einen Titel einfach auch als Auszeichnung, die die gesellschaft­liche Anerkennung oder die Job­chancen erhöhen soll. Beim deutschen List­maker ­Johann Böker sucht man einen solchen Werdegang jedoch vergebens: Der heute 24-jährige Unternehmer hat weder Abitur noch Studium absolviert – und bereut das keinesfalls. „Ich habe einen Riesenvorteil gegenüber fast allen anderen: Ich verstehe mein Handwerk“, meint Böker.

Seine Aussage bezieht sich speziell auf seine Branche: Bökers Unternehmen Greenflash bietet Energielösungen für Industrie und Gewerbe, ­darunter Photovoltaik­anlagen, Speicher­lösungen für Industriestrom, ­Ladesäuleninfrastruktur und ganzheitliches Energiemanagement. Und obwohl viele seiner Mitarbeiter studiert haben, entscheidet für Böker die Leistung; vor allem, da er in einer jungen Branche aktiv ist: „Die Praxiserfahrung ist für uns viel wertvoller als der Abschluss eines Generalstudiums. Unser Thema ist zu neu fürs Studium“, meint er.

Die Kunden profitieren laut ­Böker von der Einsparung von Stromkosten, der Generierung von Erlösen durch Direktvermarktung und Ladeinfrastruktur sowie der Reduzierung von CO2-­Emissionen. Das bislang grösste Projekt von Greenflash wurde im Frühjahr ­fertiggestellt: Auf dem Dach des mittelständischen Unternehmens Kettelhack in Rheine ist die grösste PV-Dachanlage in Nordrhein-Westfalen entstanden. Über 6.000 Module wurden dort verbaut, um das familiengeführte Textilunternehmen mit grünem Strom zu versorgen. Letztes Jahr erhielt Greenflash zusätzlich Joint-Venture-­Kapital in Höhe von zehn Mio. €. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Unternehmen Zedach erschloss das Start-up ein Segment für nachhaltige Solarangebote, um das enorme Potenzial von Dächern zu nutzen. Greenflash drängt auch in den Bereich der Elektromobilität vor: Die Eröffnung eines Ladeparks, der an der Raiffeisen-Tankstelle Lohne in Wietmarschen-Lohne gelegen ist, verdeutlicht seit Oktober 2023 das Engagement des Unternehmens für nachhaltige Mobilität.

Bei einem Blick auf die Umsatzzahlen wird deutlich, dass das Greentech-Start-up ein kräftiges Wachstum aufweist: Im vergangenen Jahr wurden Aufträge im Wert von mehr als zehn Mio. € verbucht, der Wert des Unternehmens wird auf rund 40 Mio. € geschätzt. Auf das Headquarter im Stadtkern von Essen ist Böker stolz – „700 Quadrat­meter Büro­fläche mitten im ­Herzen der Energiehauptstadt“, sagt er ­lächelnd.

„Für mich stehen der Sinn der Arbeit und der Wille, Veränderungen herbeizuführen, über allem“, sagt Johann Böker, Gründer von Greenflash.

Bökers unternehmerische ­Geschichte begann im Jahr 2020, nachdem er seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik im Anlagenbau abgeschlossen hatte. Bei einer Tätigkeit als Projekt­manager bei einem Solartechnik­anbieter war er für die Planung und den Aufbau von Photovoltaik­­­anlagen zuständig. ­Böker fand, dass die Energiewende im Gewerbe­bereich zu langsam fort­schreitet – die Idee für Greenflash war geboren. „Wenn man tagtäglich bei ­Industriekunden ist und sieht, dass einige von ihnen Eigen­kapital­renditen von 30 bis 40 % pro Jahr ­erzielen und dieses Potenzial aber ungenutzt bleibt, regt das zum ­Denken an“, so Böker.

Damit spielt er auf die grösste Hemmschwelle an, die Unternehmen bei der Anschaffung neuer Energiesysteme oft blockiert: die Angst vor (zu) ­hohen Kosten. Oftmals ist der Glaube noch verbreitet, dass die Umsetzung unwirtschaftlich und nur mit staatlichen Förderungen ­finanzierbar sei. Nach ­einem halben Jahr beschloss ­Böker ­schliesslich, zu ­kündigen und Unternehmer zu werden. Er will Überzeugungs­arbeit leisten, da die Errichtung von Photovoltaik­anlagen für Unternehmen ­seiner Meinung nach ein langfristiges Erfolgsmodell ist. ­Böker spricht über die Herausforderungen, die mit der Umstellung auf ­erneuerbare Energien verbunden sind: „Die Energiewende ­erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch eine Anpassung der Geschäftsmodelle und eine Neuausrichtung der Unternehmenskultur“, betont er. „Es ist wichtig, dass Unternehmen erkennen, dass die Energiewende nicht nur eine Umweltfrage ist, sondern auch eine wirtschaftliche Chance darstellt. Investitionen in erneuer­bare Energien sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit und ­Wettbewerbsfähigkeit eines ­Unternehmens.“

Auf dem Markt gab es damals noch nicht viele Anbieter von ­Photovoltaikanlagen, die sich auf Unternehmen spezialisiert hatten. „Unser Erfolg beruht auf der ganzheitlichen Herangehensweise von Greenflash. Wir bieten unseren Kunden alle benötigten Dienst­leistungen aus einer Hand an, von der Planung und Installation bis hin zu Betrieb und Wartung“, erklärt ­Böker. Während in einem Privathaushalt ein Handwerker für die Installation einer Photovoltaik­anlage beauftragt werden kann, ­erfordert der Ge­werbebereich ein ­spezialisiertes Team. Ein Projekt ist nach dem Aufbau der Photovoltaikanlage keinesfalls beendet.

„Wir wollen langfristige Partner­schaften aufbauen und ­unseren Kunden dabei helfen, ihre Nach­haltigkeitsziele zu erreichen“, sagt Böker. Auch in Bezug auf das Wachstum hat Böker ambitionierte Pläne: „50 Mitarbeiter sind eigentlich noch zu wenig für unsere Organisation. Wir müssen auf mindes­tens 100 Mitarbeiter auf­stocken, idealerweise bis Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahrs.“ Für die Schulung neuer Mitarbeiter gibt es die Greenflash Academy, die Trainings zum Thema Energie und Energiewende anbietet. Neben technischen Schulungen werden auch Soft Skills trainiert. Doch hat Böker bei so viel Arbeit noch Zeit für ein Privatleben? „Ich brenne für das Thema und habe sehr viel Energie. Und ich bin ja nicht reingeboren worden oder habe etwa geerbt, sondern ich habe mir selbst dieses Unternehmen erschaffen“,so seine Antwort auf diese Frage.

Schnell zu antworten weiss er auch auf die Frage, was er denn in ­seiner Freizeit am liebsten unter­nimmt: „Ich mache schon gerne Sport, aber mein liebstes Hobby ist es, ­Geschäfte zu verstehen.“ Auch bei seinen Reisen geht er seiner Leiden­schaft nach: „Über Silvester hatte unser Unternehmen Betriebsurlaub. Ich bin nach New York gereist, um zu sehen, wie weit sie dort mit der Energiewende sind“, erzählt Böker. Sein Fazit: „Die USA haben ein gigantisches ­Potenzial, das das Land heute noch nicht ausschöpft.“ Eine Expansion, gar eine in die USA, ist aber vorerst nicht ­geplant: „Deutschland hat eine Poleposition in den Bereichen Elektro­mobilität und Photovoltaik und ich möchte mithelfen, dass wir uns als Marktführer in diesem Bereich etablieren“, so Böker.

Johann Böker ist gelernter Elektro­techniker. Im Jahr 2021 gründete er Greenflash. Das Unternehmen spezialisiert sich auf Photovoltaik­anlagen für Gewerbekunden. Diese werden mit Ladeinfrastruktur, Strom­speichern und anderen Energie­quellen und Verbrauchern vernetzt, um ganzheitliche, nachhaltige und wirtschaftliche Energielösungen zu bieten.

Foto: beigestellt

Paul Resetarits,
Redakteur

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