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Inmitten von Wework-Debakel und Coronavirus-Pandemie sehen Investoren den Vision Fund von Masayoshi Son mit seinen 100 Milliarden US-$ als weitgehend wertlos an. Doch der legendäre Investor hat noch Assets im Ärmel.
Obwohl Softbank-Gründer Masayoshi Son mit seinem Gefolge in einem abgetrennten Bereich von Amerikas wohl bestem Fischrestaurant Le Bernardin in New York sitzt, ist er kaum zu übersehen. Gekleidet in eine Daunenjacke, die er über einem Anzug trägt, hat der schlicht als „Masa“ bekannte Investor Vertreter von rund 20 der weltgrössten Assetmanager in Manhattan versammelt. Sie alle folgten der Einladung, da Son einen „Pre-IPO Summit“ versprach – weshalb sich etwa auch Larry Fink vom Finanzriesen Blackrock am Tisch wiederfand. „Trotz der gängigen Meinung, dass Softbank Schwierigkeiten habe, wachsen wir weiter“, sagt Son. „Denken Sie nicht an die Vergangenheit.“
Das ist in Sons Fall leichter gesagt als getan. Sein Investmentvehikel, der Vision Fund von Softbank mit einem Volumen von 100 Milliarden US-$, ist sicherlich der am engsten ins Visier genommene Fonds der Welt. Aus gutem Grund: In den letzten drei Jahren ging Son eine waghalsige Wette nach der anderen ein – 88 Investitionen in 36 Monaten, um genau zu sein. Meist setzte er auf bekannte Start-ups mit hohen Bewertungen, darunter der Fahrtenvermittler Uber und die Coworking-Office-Vermieter Wework. Alleine in Wework pumpte Sons Fonds seit 2017 mehr als zehn Milliarden US-$. Nach zahlreichen Schwierigkeiten, einem abgeblasenen Börsengang und dem letztendlichen Abschied des umstrittenen Gründers Adam Neumann ist davon jedoch nicht mehr viel übrig. Das sei eine „harte Zeit“ gewesen, räumt „Masa“ vor den Investoren ein.
Einen Tag zuvor gab er Forbes exklusiv und unter vier Augen eine längere Erklärung: „Wir haben zu viel für Wework bezahlt und zu sehr an den Unternehmer dahinter geglaubt. Doch wir sind dennoch zuversichtlich und werden mit dem neuen Management und einem neuen Plan das Ruder herumreissen und eine ordentliche Rendite erzielen.“ Um das zu schaffen, erinnert Son an die Vergangenheit: Seinen Ruf verdiente er sich mit einem 20 Millionen US-$ schweren Scheck, den er früh an Alibaba ausstellte. Das Unternehmen ist heute 120 Milliarden US-$ schwer. Doch Anfang März, kurz vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie, erscheint Sons Aussage absurd – wenn man sich die Schuldensituation von Wework ansieht, scheint sich Softbanks Anteil eher auf null Dollar zuzubewegen. Der Vision Fund sieht als Gesamtkonstrukt mit grossen Positionen in Transport- und Reise-Start-ups ähnlich angeschlagen aus. Mitte März wurden Softbank-Aktien zu einem Preisabschlag von 73 % gehandelt.
Masayoshi Son
... ist Gründer des japanischen Mobilfunkkonzerns Softbank sowie des zugehörigen Investmentvehikels Vision Fund.
Der in Japan geborene Son, der wegen seiner koreanischen Abstammung schon früh schikaniert wurde, wollte sein Studium in Kalifornien absolvieren und schaffte, obwohl er zunächst kein Englisch sprach, die Vorbereitungsprüfung fürs College. Er wechselte an die University of California in Berkeley, wo er 1980 seinen Abschluss machte. Er hatte bereits ein Unternehmen für elektronische Übersetzer an Sharp verkauft und verdiente über eine Million US-$ mit dem Import von überholten Spielautomaten, als er nach Japan zurückkehrte, um ein Unternehmen zu gründen, das als „Software-Bank“ – daher der Name Softbank – konzipiert war.
Nachdem er durch den Verkauf von Softwarelizenzen und mit dem Betreiben von IT-Zeitschriften und -Messen Erfolg hatte, kehrte Son 1996 in die USA zurück. Er kaufte den Technologieverlag Ziff Davis und stellte die damals rekordverdächtige Summe von 108 Millionen US-$ Risikokapital für 41 % der Anteile an Yahoo ab. Er investierte in weitere Unternehmen der „Dotcom Bubble“ – am Höhepunkt des Hypes war Son drei Tage lang der reichste Mann der Welt. Als die Blase 2000 platzte, verlor Softbank 99 % seiner Marktkapitalisierung: von 180 Milliarden US-$ auf nur noch zwei Milliarden US-$.
Son verbrachte die nächsten zehn Jahre damit, Softbank wieder aufzubauen. Der erste Schritt: Geduld. Denn Son klammerte sich an eine besonders teure Investition: Alibaba. „Ich war sehr optimistisch, was die Zukunft von Alibaba betraf – optimistischer als das Management selbst“, sagt „Masa“ heute. Ihm gelang es, das Japan-Geschäft von Vodafone, den Mobilfunkbetreiber Sprint Nextel und den britischen Chiphersteller ARM Holdings zu übernehmen. Softbank beteiligte sich auch erfolgreich am finnischen Gamingunternehmen Supercell, das das Spiel Clash of Clans entwickelte. 2017 beschloss Son, wieder gross einzusteigen.
Langfristig macht Softbanks Strategie Sinn – kurzfristig ist sie ein einziges Chaos. Softbank verkündete, Investitionen in Start-ups zurückfahren zu wollen; gleichzeitig riet man Gründern, Profitabilität über Wachstum zu stellen und Kündigungen anzudenken. „Es gibt keine Rettungspakete“, so Son vor Investoren. Gleichzeitig sagte er: „Wir können in den nächsten zwei Jahren zu sehr niedrigen Kosten investieren.“ Insider behaupten, dass der Fonds bei einer Rendite von 150 Milliarden US-$ seinen Limited Partners (LPs) ihre Kapitalbeträge plus 7 % Jahresrendite zurückzahlen und noch immer einen Gewinn erwirtschaften kann.
Doch es gibt Zweifler: „Der Markt fürchtet, dass Wework und Uber nur der Anfang sind“, sagt Pierre Ferragu, Analyst von New Street Research. „Die Akteure sind besorgt, dass Softbank von einem ‚Verrückten‘ geführt wird, der so lange weitermachen wird, bis er keinen Cent mehr übrig hat.“ Tatsächlich hat Son bei Softbank und dem Vision Fund das Sagen: Als mit Abstand grösster Aktionär kontrolliert er Softbank, sitzt als eines von drei Mitgliedern im Investment Committee des Vision Fund und hat das letzte Wort bei allen Deals. Somit stellt sich die Frage: Ist Son der grösste Entfesselungskünstler aller Zeiten – oder ein Seifenblasenjäger, der seine Zweifler verdient hat?
Text: Alex Konrad / Forbes US
Foto: Jamel Toppin / Forbes US
Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2020 „Geld“ erschienen.