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Audrey Kim ist in New York geboren und in Kalifornien aufgewachsen. Ihr Lebenslauf könnte eigentlich einem Handbuch für Start-up-Gründer im Silicon Valley entstammen. Dabei macht sich die Wahl-Wienerin nicht allzu viel aus Hypes.
„Pelle habe ich, weil ich viel alleine reisen muss. Als ich einmal im Café Sacher war und meine Torte ass, stellte ich ihn auf den Tisch. Plötzlich kam der Kellner und brachte ihm einen kleinen Sacherwürfel sowie eine mit Wasser befüllte Hülle einer Teekerze und sagte, das sei für meinen T-Rex. Seitdem bekommt Pelle das jedes Mal, wenn ich im Sacher bin“, beweist die koreanischstämmige Amerikanerin gleich zu Beginn des Interviews ihren kräftigen Sinn für Humor. Auch ihr Lachen, das für eine so zierliche Person durchaus herzhaft ist, passt dazu.
Obwohl sie mit ihrem Dinosaurier, ihrem extravaganten Stil und ihrem amerikanischen Englisch in Wien vielleicht ein wenig wie eine Exotin wirkt, ist sie alles andere als eine Touristin. „Ich wohne zwei Blocks von hier. Meine Schwester begann 2004 in Wien Violine zu studieren, was eigentlich logisch ist, denn nirgendwo sonst ist der Standard und die Wertschätzung der klassischen Musik so hoch wie hier. Ich lebte damals in London und besuchte sie“, erzählt Kim.
Für ihre Karriere, die sie unter anderem zu Google und zum Gründerzentrum Y Combinator führte, zog Kim dennoch immer wieder in die Bay Area um San Francisco. Dort studierte die gebürtige New Yorkerin auch – englische Literatur an der Santa Clara University und in Stanford.
Ihre Beziehung zur Hauptstadt könnte man wohl als Liebe auf den ersten Blick bezeichnen. „Ich kam dann jedes Jahr zumindest für eine Woche nach Wien. 2008 zog ich dann selbst hierher und blieb zwei Jahre.“ Für ihre Karriere, die sie unter anderem zu Google und zum Gründerzentrum Y Combinator führte, zog Kim dennoch immer wieder in die Bay Area um San Francisco. Dort studierte die gebürtige New Yorkerin auch – englische Literatur an der Santa Clara University und in Stanford.
Mit Y Combinator hat sie eine echte Silicon-Valley-Institution von innen gesehen. Bis heute gilt der 2005 gegründete Beschleuniger in Mountain View als Mekka für junge Unternehmer, die einmal „Unicorns“, also Start-ups mit einer Bewertung von einer Milliarde US-$, hervorbringen wollen (Airbnb oder Dropbox etwa gehören zum Alumninetzwerk von Y Combinator). Eine Frage stellt sich da aber schon: Wie kommt Kim von englischer Literatur zu Start-ups?
Damals waren die Start-up-Klassen bei Y Combinator mit rund 70 Unternehmen auch noch kleiner als heute.
„Mein Bruder brachte mich darauf. Er kündigte damals seinen Job bei Volkswagen, um an seinem eigenen Start-up zu arbeiten. Er zeigte mir die Essays von Y-Combinator-Gründer Paul Graham. Vieles, mit dem ich damals kämpfte – etwa Selbstdisziplin und Motivation –, beschäftigte auch Paul. Er setzte sich damit auf eine Art und Weise auseinander, die mich sehr beeindruckte. Ich erkannte Parallelen zwischen dem Gründen eines Start-ups und der Verwirklichung meiner Kunst – der Literatur. Deswegen war die Arbeit bei Y Combinator für mich auch wunderbar. Damals waren die Start-up-Klassen mit rund 70 Unternehmen auch noch kleiner als heute“, erinnert sich Kim zurück an das Jahr 2012, als sie vor allem interne Events für den Accelerator organisierte.
„Es ist unglaublich, wie schnell Y Combinator gewachsen ist. Auch, was dort im Bereich der Forschung passiert – etwa im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, das sie in kleinen Communitys testen. Das finde ich grossartig. Ich bin fest davon überzeugt, dass das die Richtung ist, in die die Gesellschaft geht“, zeigt sich Kim von dem Experiment als Lösung für den Wegfall von Jobs überzeugt.
Ein Drittel des gesamten Risikokapitals in den USA wird über Deals im Silicon Valley von Investoren in Tausende dort ansässige Start-ups investiert.
Überhaupt blitzt im Gespräch mit der Amerikanerin vieles von einem solidarisch geprägten Weltbild durch. Das ist insofern ungewöhnlich, als es in ihrer Heimat, dem Silicon Valley, von aussen betrachtet eher um „Höher, schneller, weiter“ geht. Welches Unternehmen ist am höchsten bewertet, welches hat das schnellste Wachstum, wer wird der nächste Zuckerberg? Allein der Name erzählt schon von der langen Geschichte mit Tech-Pionieren: Namensgeber waren Chiphersteller, die dort in hoher Dichte anzutreffen waren, und auch heute sind noch die weltweit grössten Tech-Firmen dort.
Ein Drittel des gesamten Risikokapitals in den USA wird über Deals im Silicon Valley von Investoren in Tausende dort ansässige Start-ups investiert. „Ich finde es beeindruckend, was Elon Musk macht. Bei ihm ging es nicht darum, eine Milliarde US-$ zu verdienen, sondern die Welt besser zu machen. Diese Reinheit in seiner Arbeit ist für mich sehr inspirierend“, streut die Amerikanerin einem nicht unumstrittenen Tech-Pionier (Elon Musk gründete die Elektroautomarke Tesla sowie das Weltraumunternehmen SpaceX und möchte den Mars kolonialisieren, Anm.) Rosen.
Interessanterweise fühlen sich viele Gründer unzulänglich. Vielleicht, weil sie eben nicht der nächste Mark Zuckerberg sind. Dabei hat ihre Arbeit auch im Kleinen eine grosse Wirkung.
Vielleicht ist diese weltverbessernde Ader auch, was sie in ihrer eigenen Unternehmung als Gründerin von FounderTalks und Start-up Speakers vorantreibt: „Ich habe ursprünglich bei der Organisation von Speakern für Konferenzen ausgeholfen. Das hat mir Spass gemacht. Interessanterweise fühlen sich viele Gründer unzulänglich. Vielleicht, weil sie eben nicht der nächste Mark Zuckerberg sind. Dabei hat ihre Arbeit auch im Kleinen eine grosse Wirkung. Doch das sehen sie nicht, wenn sie den ganzen Tag hinter ihrem PC sitzen. Wenn sie dann aber auf Konferenzen auftreten und Feedback bekommen, spüren sie das. Zudem sehen sie Wertschätzung, die ihnen die Menschen für das, was sie tun, zeigen.“
Auch hier gilt nicht unbedingt, dass grösser gleich besser ist: „Mir war mit FounderTalks wichtig, das Event klein zu halten. Deshalb kann man auch nur auf Einladung teilnehmen.“ Mit Speakern wie Steve Huffman, einem der Gründer des Social-News-Aggregators Reddit, oder Matt Mullenweg, Co-Gründer von Wordpress, scheint sie ihr Versprechen der Exklusivität erfüllen zu können. Dass viele Erfolgsstorys in der Start-up-Szene bei Y Combinator begannen, half Kim sicher bei der Zusammenstellung des Line-ups.
So etwas findet man in den USA nicht. Dort musst du dir keine Verabredung ausmachen, mit niemandem interagieren. Es scheint, als bräuchten die Wiener Gesellschaft, um alleine zu sein.
„Ich liebe Wien. Ich wusste, dass jeder, den ich hierherbringe, sich genauso in die Stadt verliebt und es nicht bei einem Besuch belässt. Durch die Liebe zur Stadt und das Setting von FoundersTalk fühlt es sich auch ganz anders, viel intimer als auf einer Konferenz an, bei der die Leute bezahlt werden, um zu sprechen. Viele meiner Freunde, die ich hierherbringe, empfinden in San Francisco ein Ungleichgewicht. Sie arbeiten viel. Ihnen hilft die Stimmung in Wien sehr“, so Kim. „Oft organisiere ich die Talks um Bälle oder andere Grossereignisse herum; das erste Mal war rund um den Life Ball, letztes Jahr rund um den Kaffeesiederball – die Bälle sind viel besser, als ich das je organisieren könnte“, gibt sich Kim bescheiden.
Bei der Verwirklichung der ersten Veranstaltung half ihr Michael Ströck, der heute auch Co-Gründer von FoundersTalk ist. „Ich habe Michi angerufen, ohne ihn zu kennen. Ich habe ihm gesagt, dass ich Hilfe für ein Event brauche. Das vor allem deshalb, weil ich die Tickets so günstig wie möglich halten wollte. Seitdem sind wir gute Freunde.“ Das ist etwa vier Jahre her. Und seitdem veranstaltet Kim auch den FoundersTalk in Wien – was so bleiben soll. „In Wien ist alles so schön, egal, wo man hinsieht. Hier schätzt man Geschichte und Kunst auf einzigartige Weise. Ich habe das Gefühl, dass das vielerorts nicht in dieser Art anerkannt wird. Es gibt hier auch viel Platz für nicht zielgerichtete Kreationen.“
Viele beschweren sich zwar über die grantigen Kellner, ich mag das aber. Ich empfinde das als zwangloser als die manchmal stark nach aussen getragene Freundlichkeit in Südkalifornien.
Auch deshalb ist Kim Fan der Wiener Kaffeehauskultur – im Speziellen des Café Hawelka. „Ich finde es grossartig, ins Kaffeehaus zu gehen und zu lesen oder zu schreiben.“ Gerade schreibt Kim an einem Fiction-Roman, in dem auch das Café Hawelka erwähnt wird. „So etwas findet man in den USA nicht. Dort musst du dir keine Verabredung ausmachen, mit niemandem interagieren. Es scheint, als bräuchten die Wiener Gesellschaft, um alleine zu sein. Viele beschweren sich zwar über die grantigen Kellner, ich mag das aber. Ich empfinde das als zwangloser als die manchmal stark nach aussen getragene Freundlichkeit in Südkalifornien.“
Doch auch das Silicon Valley hat laut Kim seine spannenden Seiten. Etwa das Leben in der Zukunft, wie die Amerikanerin es beschreibt: „Im Silicon Valley gibt es sehr viel Wertschätzung für Tech-Themen. Das meiste hat ein konkretes Ziel und einen Zweck, wohingegen in Wien vieles einfach passiert. Dennoch dreht sich im Valley alles darum, wie die Gesellschaft aussehen wird, welche Rollen Technologien übernehmen und wie sie letztendlich unser Leben verändern. Auf den Strassen sind selbstfahrende Autos unterwegs und ich kann mit einer App Lebensmittel bestellen, die mir innerhalb von 20 Minuten geliefert werden. Die Zukunft passiert in San Francisco schon und geht von dort aus in die Welt. Das einzige Problem, das ich dabei sehe, ist der starke Fokus auf die Monetarisierung von etwas Produziertem. Das schränkt auch den Blick ein.“ Vielleicht ist deshalb der gelassene Wiener Lebensstil eine willkommene Abwechslung.