„Am Anfang wurden wir nur belächelt!“

„Sex sells“ – ein Spruch, den man der Under 30-Listmakerin Nina Julie Lepique nicht zweimal sagen muss. Die Gründerin von Femtasy erzielt mit erotischen Hörspielen für Frauen, einer Marktlücke, die sie 2018 entdeckte, mittlerweile achtstellige Umsätze. Doch die Anfänge waren für die junge Unternehmerin alles andere als einfach: Stigmata rund um weibliche Sexualität und ein streng regulierter Markt zwangen Lepique zu kreativen Lösungen.

Frauen sind in Bezug auf ihre Sexualität viel weniger visuell orientiert als Männer. Sie brauchen die Fantasie, möchten Geschichten hören und sich selbst etwas vorstellen“, sagt Nina Lepique, Gründerin des Berliner Start-ups Femtasy. Eine Aussage, die das Angebot der Online-Plattform Femtasy zusammenfasst: Hier finden Nutzerinnen erotische Hörspiele, „Klang-Erlebnisse“ und geführte Audio-Rollenspiele. Ähnlich wie auf regulären erotischen Content-Seiten arbeitet Lepique mit einem Abonnementmodell: Für 13,99 Euro monatlich oder 3,96 Euro pro Monat im Jahresabo können sämtliche Inhalte, rund 1.500 erotische Geschichten, abgerufen werden. Rund 1,5 Millionen Nutzerinnen greifen inzwischen auf dieses Angebot zu – eine Zahl, die Lepiques Aussage unterstreicht: „Bevor wir mit Femtasy auf den Markt kamen, gab es schlicht kein wirkliches Adult-Content-Angebot für Frauen.“

Nina Julie Lepique studierte Business Administration in Hamburg, bevor sie im Rahmen eines Traineeprogramms bei dem Unternehmen Xing erste berufliche Erfahrungen sammelte. „Diese Zeit hat mich sehr geprägt, da ich gelernt habe, Strategien zu entwickeln und den Aufbau von Teams begleiten durfte“, erzählt Lepique. Obwohl die Idee, selbst einmal ein Unternehmen zu gründen, damals noch weit entfernt schien, erkennt Lepique heute, dass vieles in ihrer Jugend bereits darauf hindeutete, dass sie später Unternehmerin werden würde. „Als Kind hatte ich offenbar die Geschäftsidee, Steine zu sammeln, sie zu bemalen und dann wieder zu verkaufen“, erinnert sie sich lachend und fügt hinzu: „Es gibt sogar ein paar Beweisfotos von diesem grandiosen ersten Business.“

Die Idee für Femtasy kam Lepique während eines Abend­essens mit Freundinnen. Irgendwann drehte sich das Gespräch um ihr Dating- und Sexualleben, schnell ging es auch um die weibliche Sexualität – und die dazu passenden Inhalte. „Eine Freundin erwähnte, dass sie Pornos nicht gerne ansieht, sondern lieber nur zuhört – sie dreht dabei einfach das Handy um, sodass der Bildschirm verdeckt ist“, berichtet die Gründerin. Lepique war interessiert und stiess nach einigen Internet-Recherchen auf eine Reddit-Seite, auf der ein Texaner Audiodateien veröffentlichte. „Dieser Reddit-Thread vom Texaner mit der guten Stimme hatte Tausende Likes und Kommentare“, erzählt Lepique. „Das hat mir gezeigt, dass es ein grosses Interesse an erotischen Hörerlebnissen gibt, vor allem von Frauen – und dass der Markt dafür bisher unerschlossen war.“

2018 gründete Lepique das Start-up Femtasy. Auch wenn das Unternehmen heute achtstellige Umsätze erzielt, war es zu Beginn für die Under 30-Listmakerin alles andere als leicht. „Am Anfang wurden wir nur belächelt“, erzählt die Gründerin und fügt hinzu: „Nach meinem ersten Interview mit einer Wirtschaftszeitung rief mich der Chefredakteur an und teilte mir mit, dass er angesichts meines bisherigen Werdegangs doch eine ,wichtigere‘ Geschäftsidee von mir erwartet hätte.“

Besonders in der Vermarktung und bei der Werbeschaltung für ihre Plattform stand Lepique vor grossen Herausforderungen. Zwar bietet die Sexual-Wellness-Branche mit einem geschätzten Marktwert von 94 Mrd. US-$ im Jahr 2030 ein enormes Wachstumspotenzial für Femtasy. Zugleich ist sie streng reguliert. Femtasy wurde auf Instagram häufig „shadow banned“, was bedeutet, dass Anzeigen und Inhalte unsichtbar gemacht wurden. Das Marketingteam von Femtasy testete deshalb zahlreiche Taktiken und legte in den Anfangsjahren einen starken Fokus auf Influencer-Marketing, um Bekanntheit zu erlangen. „Es war zu Beginn nicht leicht, Influencerinnen zu finden, die bereit waren, für Femtasy zu werben. Doch mittlerweile ist Creator Marketing einer der wichtigsten Kanäle für uns geworden“, so Lepique.

„Wir sind inzwischen so profitabel, dass keine weiteren Finanzierungsrunden nötig sind – obwohl wir stark in Wachstum investieren.“ – Julie Lepique

Ein bedeutender Schritt für die Jungunternehmerin war es auch, in den Anfangsjahren die Content-Creatorin Diana zur Löwen als Investorin zu gewinnen. „Dass Diana in Femtasy investiert hat, hat mich unglaublich gefreut, vor allem auch, weil wir ihr allererstes Start-up-Investment waren“, so Lepique. Femtasy hat jedoch seit Langem keine Finanzierungsrunde mehr benötigt. Eine Entwicklung, auf die Lepique stolz ist: „Wir sind inzwischen so profitabel, dass keine weiteren Finanzierungsrunden nötig sind – obwohl wir stark in Wachstum investieren.“

Heute zählt Femtasy unter den 1,5 Millionen registrierten Nutzern auch zu 5 bis 10 % männliche Hörer. Diese Zahl überrascht selbst Lepique; die Idee war schliesslich für Frauen konzipiert. Sie erklärt sich die männlichen User so: „Mainstream-Videoinhalte sind häufig, gerade in ethischer Hinsicht, sehr intransparent. Werden die Darstellerinnen und Darsteller fair bezahlt? Finden alle Handlungen einvernehmlich statt? Bei uns ist alles nach höchsten ethischen Standards produziert, was Femtasy unter anderem auch für Männer interessant macht, die eine ethische Alternative zu herkömmlichen Pornos suchen.“

Inzwischen ist Femtasy auch über den deutschsprachigen Raum hinaus gewachsen und bietet etwa Inhalte auf Französisch in Frankreich an – ein Markt, der sich für Lepique als besonders lukrativ herausgestellt hat. „Die Französinnen sind grundsätzlich sehr audioaffin. Gleichzeitig verkörpert der Markt eine starke Spannung zwischen erotischer Offenheit und Hedonismus auf der einen Seite und einer tendenziell männlich-zentrierten Perspektive auf Sexualität auf der anderen. Französische Frauen haben im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarinnen beispielsweise am wenigsten Orgasmen in heterosexuellen Beziehungen, was auf massive Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen hinweist. Das Potenzial für Femtasy ist daher besonders gross. Mittlerweile sind rund 40 % unseres Teams französisch und einige sitzen auch in Paris“, erklärt Lepique. Auch andere internationale Märkte werden zunehmend interessant für sie: „Wirklicher Einfluss kommt erst durch Wachstum.“

Nina Julie Lepique ist Under 30-Listmakerin und Gründerin von Femtasy. Eine Plattform, die erotische Audioinhalte für Frauen anbietet.

Fotos: Lina Retzlaff

Lela Thun,
Redakteurin

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