ALLES IM GRÜNEN BEREICH

Marco Voigt hat bereits einiges auf die Beine gestellt: Nach der Gründung der Pin AG erweckte die Arbeit am Porsche-Cayenne-Motor sein Interesse an E-Mobilität. Neben dem Greentech Festival hat er noch ein weiteres Ass im Ärmel.

Die Situation, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, kennt Marco Voigt mittlerweile nur zu gut. Dass er heute eines der grössten Greentech-Festivals der Welt lenkt – noch dazu an der Seite eines ehemaligen Formel-1-Weltmeisters – hätte er sich vor 20 Jahren wohl eher nicht vorstellen können. Einerseits, weil damals noch niemand von „Greentech“ sprach. Andererseits aber auch, weil Voigt in der äusserst beschau­lichen brandenburgischen Niederlausitz, im Spreewald, aufwuchs. Dort wurde es Voigt jedoch schon bald zu eintönig.

„Ich wollte immer schon nach Berlin. Das war bei der damaligen politischen Lage jedoch leichter ­gesagt als getan.“ Damals, das war
Mitte der 1980er-Jahre. Doch Voigt hatte das grosse Glück, eine Lehre zum Kfz-Mechaniker absolvieren zu können – eine Ausbildung, die nur sehr wenige in der damaligen DDR machten. Voigt fing bei einem Produzenten von Gabelstaplern als Ingenieur zu arbeiten an. Doch schon bald wollte er selbst gestalten: „Während ich an einem Beifahrertisch schraubte, kam mir die Idee zu einem Postdienstleistungsunternehmen. Damals gab es kaum private Anbieter in der Branche. So entstand die Pin AG.“

Schon damals kamen Voigt „grüne“ Ideen, etwa die Briefe auf Tretrollern von A nach B zu befördern. Drei Jahre nach der Gründung verkaufte er seine Anteile am Unternehmen aber auch schon wieder; neuer CEO wurde Axel Stirl. 2007 folgte die Übernahme durch die Axel Springer AG, heute ist die Pin AG im Besitz eines Konsortiums rund um die Dieter von Holtzbrinck Vermögensverwaltungs GmbH. Operativ ­tätig unter dem Namen Pin Mail AG zählt das Unternehmen heute mit 1.300 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 67,2 Millionen € zu den grössten privaten Briefdienstleistern Europas. Ob Voigt den frühen Ausstieg retrospektiv bereut? „Überhaupt nicht. Ich habe gewusst: Es warten noch andere Dinge auf mich.“

Marco Voigt
... studierte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sein erster Schritt in Richtung Unternehmertum war die Gründung der Pin AG 1999. Es folgten die Green Awards (vormals Greentec Awards), das Greentech Festival sowie die Green Window Agency und Findervest.

Der nächste Stopp war für Voigt dann der Autobauer Porsche. Nebenbei begann er ein Studium zum Fahrzeugtechnikingenieur und schrieb auch seine Diplomarbeit in Verbindung mit seiner Tätigkeit. „Damals, anno 2000, arbeitete ich an der Entwicklung des ersten SUV mit, des Porsche Cayenne. Die Arbeit war spannend, aber richtig erfüllt hat mich die Anstellung nicht.”

Voigt zog es weiter, er landete beim Beratungsunternehmen VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, welches auch die deutschen Ministerien in Sachen Umwelttechnologien beriet. Voigt wurde schnell zum Berater in Sachen Elektromobilität. „Es hat mir auf einmal richtig Spass gemacht, mich des Themas anzunehmen und an der Zukunft mitzuarbeiten“, sagt Voigt. Erfahrungen wie jene als strategischer Partner bei der Deutsche Messe AG waren es, die Voigt zur Idee „Greentech trifft Eventveranstalter“ brachten.

Der Wunsch nach einer weiteren Unternehmensgründung war geweckt. Das (durchaus ambitionierte) Ziel des Serienunternehmers: den bedeutendsten Umweltpreis der Welt kreieren. Mit Sven Krüger hatte Voigt einen Komplizen gefunden, mit dem er 2008 zurück zur Selbstständigkeit fand. Die Anfangsjahre waren jedoch alles andere als einfach. „Wir wurden immer wieder belächelt und erhielten zahlreiche Absagen. Ein Lichtblick war Werner Brinker, dem wir viel zu verdanken haben.“

Der Manager Brinker war damals CEO beim fünftgrössten Energieversorgungskonzern Deutschlands, der Ewe AG. Durch ihn wurden wichtige Kontakte geknüpft, auch die ersten Partner für die Green Awards (vormals: Greentec Awards) an Bord geholt. Ein Jahrzehnt lang wuchs die Preisverleihung stetig, Partner wie die Boston Consulting Group, die Deutsche Bahn, Rolex und WWF unterstützten das Event, dessen Herzstück die Preisverleihung für innovative Geschäftsideen, besondere Leistungen und Erfindungen ist.

Seriengründer: Marco Voigt hat im Aufbau der Greentech-Branche sein Lebenswerk gefunden.

Mittlerweile ist das Voting auch online möglich. 2019 kamen Abstimmungen aus über 100 Ländern zusammen, verteilt auf verschiedene Kategorien, etwa „Youngster“ oder „Start-ups“. 2018 folgte der nächste grosse Schritt: Voigt und Krüger kamen mit dem ehemaligen Rennsportpiloten und Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg in Kontakt. Rosberg wollte sich nach seiner Sportkarriere neu orientieren, wobei Nachhaltigkeit und Green Mobility thematisch für ihn in den Vordergrund rückten. Im Oktober 2018 wurde Realität, was zuvor nur als vage Idee gegolten hatte: ein Festival, das zu gleichen Teilen Messe, Konferenz und Konzert sein sollte – und so das erste und umfangreichste seiner Art war. Das Greentech Festival war geboren, die Green Awards wurden in das neuartige Event integriert.

Die Premiere fand im Mai 2019 in Berlin-Tempelhof statt. „Wir waren mit so ziemlich jedem Automobilhersteller der Branche auf der Messe vertreten. Auch die Nachfrage aus der Luftfahrtbranche und Start-up-Szene ist riesig“, so Voigt. Unter den Gästen befand sich unter anderem auch der Kronprinz von Norwegen, Haakon. Die Einnahmen belaufen sich derzeit auf rund 5 Millionen €. 2020 soll die Premiere jedenfalls noch in vielerlei Hinsicht übertreffen. Doch da Voigt mit einem riesigen Event nicht ausgelastet zu sein scheint, gründete er parallel Green Window Services. Die Onlineplattform samt Magazin und Onlineshop befasst sich mit grünen Lifestyle­themen und -produkten und wurde erst kürzlich zur Marketing­agentur ausgebaut. Sie soll Unternehmen ­dabei verhelfen, Nachhaltigkeit als Markt zu verstehen und effektiv für sich zu nutzen. Und auch hier konnte Voigt mit den Sängern Nena und Rea Garvey bekannte Gesichter als Mitgründer für sich gewinnen; Adidas und Hyundai zählen zu den Kunden. 2019 wurde ein Umsatz von 1 Million € realisiert.

Voigt wäre aber nicht ­Voigt, hätte er seine Beobachtung auf ­einem Flug nach New York – ein Freund befasste sich mit einer Dating-App – nicht erneut in ein Projekt einfliessen lassen: Findervest. Das „Tinder für Investoren und Start-ups“ soll eine unkomplizierte Vermittlung per Swipe ermöglichen. „Vermittlungsagenturen verlangen meist hohe Gebühren für ihre Dienste“, erklärt Voigt – Findervest ist hingegen kostenlos. Im Gegensatz zu anderen Anbietern basiert Voigts Geschäftsmodell auf Werbepartnern und optionalen Premiumpaketen – wie bei Tinder. Mittlerweile wurden 5.000 Profile erstellt, etwa 2.000 davon sind Investoren aus aller Welt. Bereits über 1 Milliarde € an Kapital wird derzeit auf der Plattform angeboten. Mit fünf Mitarbeitern und einer geplanten Investmentrunde steht Voigt am Anfang seiner Reise. Wie er das alles jongliert? „Mir ist wichtig, dass meine Unternehmungen energetisch zusammenpassen. 2020 will ich mich insbesondere Findervest widmen und grünen Start-ups und Investoren eine Plattform bieten“.

Text: Chloé Lau
Fotos: Jörg Klaus

Der Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2020 „Space“ erschienen.

Chloé Lau,
Redakteurin

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