DIE SMARTE SUCHMASCHINE

Zeit und Informationen gehören zu den wichtigsten Ressourcen unserer Zeit und sind der Kern des unternehmerischen Erfolgs. Im Oktober 2019 haben sich zwei Wissenschaftler, der Diplom-Mathematiker Wolfgang Ecker-Lala und die promovierte Betriebswirtin Isabell Claus, zusammengetan, um eine sogenannte „Findemaschine“ zu entwickeln. Die Motivation war ebenso essenziell wie naheliegend: ein besserer Zugang zu relevanten Informationen im Web und die Verbreiterung der Autoritäten in der Informationssuche.

Die österreichische Unternehmerin des Jahres 2020, Isabell Claus, ist fasziniert vom Potenzial der künstlichen Intelligenz im Feld der Cybersicherheit und Informationssuche. „Wir Menschen sind gut darin, Informationen zu analysieren und zusammenzustellen, aber unser Gehirn kann keine Massendaten verarbeiten“, sagt Claus. Und da das Internet voll davon sei, bestehe dringender Bedarf an einer effizienten Methode, um auf diese zugreifen zu können. „Wir haben die Suchmaschine Thinkers AI mit dem Ziel gegründet, relevante Informationen für verschiedene Branchen und Nutzer hochqualitativ und objektiv zu filtern“, so Claus.

Die Wurzeln des Unternehmens liegen in einem Projekt von Claus und dem Mathematiker Wolfgang Ecker-Lala mit Wien Energie: Das Unternehmen suchte nach einer effizienteren Möglichkeit, relevante Informationen im Internet zu finden. Danach traten die beiden Wissenschaftler dem universitären Inkubator Inits bei und wurden mit öffentlichen Mitteln und durch Finanzierungsrunden gefördert. Heute besteht ihr Unternehmen aus zwölf Mitarbeitern.

Der Suchmaschinenmarkt ist riesig und wird von vier grossen Spielern beherrscht: Bing, Google, Baidu und Yandex. „Das Problem ist, dass die grossen Unternehmen so mächtig sind, dass nur sehr wenige in diesen Markt vordringen wollen“, sagt Claus. Was Thinkers AI also tut, ist, eine Nische zu finden, für B2B zu arbeiten und sich durch Nutzerlizenzen zu finanzieren. Dies steht im Gegensatz zu Google, das ein extrem starkes B2C-Geschäftsmodell hat, das für die Nutzer kostenlos ist und sich durch Werbung finanziert. „Sowohl das Produkt als auch das Geschäftsmodell sind von unserem sehr unterschiedlich“, sagt Claus. Die grossen Anbieter indizieren die Daten selbst, d. h., sie extrahieren Informationen aus Webseiten und sammeln sie in einer Datenbank, wo die Daten nach Stichworten durchsucht werden. Im Vergleich dazu kaufen kleinere Suchmaschinen in Europa, wie Qwant aus Frankreich und Ecosia aus Berlin, Daten ein und bereiten sie auf, um sie ihren Nutzern zur Verfügung zu stellen. Das heisst, sie arbeiten nicht autonom. Claus weist darauf hin, dass Thinkers AI die einzige digital autonome Such­maschine in Europa ist. Das sei entscheidend, denn „wenn jemand dir morgen sagt, dass die Zusammenarbeit mit dir nicht erwünscht ist, wirst du blockiert und bekommst keine Daten mehr“, erklärt sie. „Das kann uns nicht passieren.“

Die Frage ist demnach, ob es sehr viel teurer ist, alle Daten selbst zu speichern, anstatt sie zu kaufen. „Es kommt darauf an, was man speichert und was man davon weiteranalysiert“, erklärt Claus. „Das Internet besteht aus einer Menge Spam, und wenn man diesen frühzeitig loswird, sinken die Verarbeitungskosten erheblich.“ Das ist nicht nur gut für die Kosteneffizienz, sondern auch nachhaltig, da der nächste Schritt, die Datenanalyse, viel weniger Rechenleistung erfordert. „Wenn man Google oder andere Suchmaschinen benutzt, sieht man etwa auch viele Marktberichte, die nicht von Menschen erstellt wurden“, so Claus. Der Grund dafür ist, dass die Suchmaschinenoptimierung (SEO) einen grossen Einfluss darauf hat, was die Nutzer als Ergebnis erhalten, und SEO durch technische Massnahmen überlistet werden kann. „Wir verwenden stattdessen das Prinzip ‚Content matters most‘“, sagt Claus. „Das ist ein grosser Unterschied in der Philosophie. Wir konzentrieren uns auf den Nutzer, wir wollen ihm Zeit und Mühe ersparen und Transparenz schaffen.“

„Es ist nicht immer die Seite eins von Google, die einem die gewünschten Informationen liefert“, so Claus. „Aber wenn man über Seite eins hinausgeht, ist vieles oft voller Spam.“ Bei Thinkers AI kommt die KI zum Einsatz, wenn es etwa darum geht, Spam zu filtern, indem Quellen und Inhalte geprüft werden, oder auch beim Ranking der Suchergebnisse. „Google veröffentlicht nicht im Detail, wie das Ranking erfolgt“, bemerkt Claus, „wir sind uns nicht ganz sicher, warum ich andere Ergebnisse erhalte als Sie.“ Das ist natürlich in Hinblick auf die Transparenz problematisch.

„Die grossen Unternehmen sind so mächtig, dass nur sehr wenige in diesen Markt vordringen wollen“

meint Isabell Claus

Die Skandale grosser Unternehmen, die aus Nutzerdaten Profit schlagen, machten in den letzten Jahren eine Menge Schlagzeilen. Google etwa sah sich mit etlichen Klagen wegen Datenschutz- und Urheberrechtsfragen konfrontiert – ein weiterer Aspekt, in dem sich Thinkers AI von Mitbewerbern wie Google unterscheidet. Der Verzicht auf die Verwendung von Nutzerdaten hat natürlich seinen Preis: Ein Trade-off in der Qualität der Suchergebnisse ist durch den Schutz der Privatsphäre nachweisbar. Wie also ersetzt Thinkers AI die Benutzung von Nutzerdaten? „Zunächst einmal fragen wir die Nutzer, was sie bevorzugen“, so Claus. „Einige Nutzer stellen die Bequemlichkeit in den Vordergrund und erlauben uns, ihre Daten zu verwenden. Andere wiederum legen Wert auf ihre Privatsphäre, und das respektieren wir, etwa im Bankensektor, und dort garantieren wir, dass wir die Daten überhaupt nicht verwenden.“ Thinkers AI verwendet jedoch bestimmte Datenarten, die erlaubt sind, etwa die gesammelten anonymen Daten aller Nutzer, was bedeutet, dass diese Daten in einen Korb gelegt werden und deren Analyseergebnis genutzt werden kann. Claus: „Es geht immer darum, was man analysiert, es ist nicht so schwarz oder weiss, wie wir manchmal denken.“ Und weiter: „Es geht um die Frage, wofür man die Daten braucht, wo man sie braucht – und darum, dass man offen damit umgeht.“

Es bleibt die Frage: Warum brauchen wir eine weitere Suchmaschine, wenn es Google mit einem Marktanteil von 85,55 % (laut Statista) gibt? Das primäre Problem, das damit in Verbindung steht, ist, die Informationshoheit einem einzigen Akteur zu übertragen, anstatt die Macht des Wissens zu verteilen. „Wir wollen eine intelligente Gesellschaft“, sagt Claus, „aber wie soll das gehen, wenn es nur einen Akteur gibt, der die Informationen für alle filtert?“ Dementsprechend fasst Claus die Vision von Thinkers AI in einem Satz zusammen: „Wir wollen ein Herausforderer im Suchmaschinenmarkt mit europäischen Wurzeln sein, der international anerkannt ist.“

Isabell Claus
...Mitbegründerin von Thinkers AI, studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaften und promovierte im Bereich strategische Finanzen. Sie studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, der London School of Economics, der Harvard University, der Dubai University und der Singapore University.

Text: Ekin Deniz Dere
Fotos: Gianmaria Gava


Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–22 zum Thema „KI“.

Ekin Deniz Dere,
Redakteurin

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