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Das erste über NFTs finanzierte Rennteam, ein Rennauto, das gegen veraltete Rollenbilder antritt, und zahlreiche Erfolge im Motorsport gegen ihre männlichen Konkurrenten haben die Under 30-Listmakerin Laura-Marie Geissler auf und abseits der Rennstrecke zu einer Ausnahmeerscheinung gemacht. Trotz eines schweren Unfalls während eines Rennens und Turbulenzen im Kryptomarkt, über den sie sich finanziert, lässt sich Geissler –besonders unternehmerisch – nicht unterkriegen.
Der Einstieg in den Rennsport verlief für Laura-Marie Geissler, wie bei vielen ihrer Kollegen, über den Kart-Sport. Mit zehn Jahren entdeckte sie so ihre Leidenschaft für die Welt der Motoren. Der ursprüngliche Gedanke dahinter war allerdings rein praktischer Natur, wie die Sportlerin erklärt: „Meine Eltern waren überzeugt, dass es sicherer sei, früh mit dem Fahren zu beginnen, um mich auf den Führerschein vorzubereiten.“ Dass Geissler dieses Hobby später zum Beruf machen und mit über 200 km/h an ihren Konkurrenten vorbei riskante Überholmanöver fahren würde, hätte damals wohl niemand erwartet; zumal Frauen im Motorsport immer noch eine Seltenheit sind.
Diese Realität bekam Geissler früh zu spüren – als sie nach der Matura und einem Gap Year über ihre Zukunft nachdachte: „Ich wollte unbedingt im Rennsport bleiben, aber der Einstieg in die Formel-Klassen wäre extrem teuer gewesen und die Perspektiven für Frauen waren nicht besonders vielversprechend.“ Geissler entschied sich für ein Studium der Neuropsychologie und nahm parallel eine Stelle bei Porsche an, arbeitete in Werkstätten und gab Instruktorfahrten auf der Nordschleife. Dort wurde sie schliesslich von einem Porsche-Sponsorenteam entdeckt: „Ein Fahrer war kurzfristig ausgefallen und sie erkannten mein Talent. Als Frau würde ich natürlich auch herausstechen. Alles war bezahlt, also habe ich nicht lange gezögert und zugesagt.“
Bei ihrem ersten Rennen am Red Bull Ring in der Steiermark holte sich Geissler in ihrer Klasse gleich den ersten und in der allgemeinen Klasse den dritten Platz. Ihr Start und auch ihr Sieg sorgten für viel Aufsehen – schliesslich war sie die erste Frau, die jemals im Porsche Cup gestartet ist. „Viele Medien wurden auf mich aufmerksam, wodurch mir viele Türen geöffnet wurden, auch zu anderen Cockpits“, so Geissler. Es folgten zahlreiche Gespräche mit Sponsoren und Unternehmen – kein einfaches Unterfangen für die 26-Jährige, erinnert sie sich: „Fast alle Sponsoren waren nur an meiner Reichweite und Sichtbarkeit als ‚einzige Frau im Motorsport‘ interessiert. Keiner hat gefragt, was man tun kann, um meine Leistung zu verbessern oder mein Talent zu fördern. Ich wurde einfach als Rennfahrerin nicht ernst genommen.“
„Mit dem ‚Beauty-OP-Auto‘ konnte ich meine Reichweite für gesellschaftliche Themen nutzen, die mir am Herzen liegen“, sagt Laura-Marie Geissler.
2021 entschloss sie sich, ihren Sport ohne externe Sponsoren zu finanzieren – eine teure Idee, da die Kosten eines GT3-Rennteams laut Geissler im sechsstelligen Bereich liegen. Da sie diese Kosten nicht allein stemmen konnte, entwickelte sie die Idee einer NFT-basierten Finanzierung: Zusammen mit einem Marketingunternehmen und einem plastischen Chirurgen entstand ihr sogenanntes „Beauty-OP-Auto“; ein Porsche, lackiert in Geisslers Hautfarbe und verziert mit Linien, die an Markierungen vor Schönheitsoperationen erinnern. Die Linien haben die Farbe von Nahtstellen und an aerodynamisch kritischen Punkten, etwa den Aussenspiegeln, sind X-Zeichen platziert – ähnlich, wie es vor Beauty-OPs vorgenommen wird. „Mit dem ‚Beauty-OP-Auto‘ konnte ich meine Reichweite für gesellschaftliche Themen nutzen, die mir am Herzen liegen, statt mich selbst als Werbefläche zu verkaufen“, so die Sportlerin.
„Als ich NFTs entdeckte, bei denen Menschen hohe Summen für Affenbilder ausgaben, kam mir der Gedanke, dass ich das auch mit meinem Auto umsetzen könnte. Schliesslich hat die Geschichte dahinter viele Menschen berührt“, erklärt Geissler. So kam der Rennfahrerin die Idee des „Beauty-OP-Autos“, und sie verknüpfte den NFT-Kauf mit verschiedenen Vorteilen für ihre Community. Insgesamt wurden 1.000 NFTs des Projekts LMG GT No. 1 angeboten, die ab 0,03 Ethereum (etwa 50 US-$) erhältlich waren. Dank der Blockchain-Technologie konnten Geisslers mittlerweile 90.000 Instagram-Follower transparent nachvollziehen, dass die Mittel ausschliesslich dem Motorsport zugutekamen. Doch ihr NFT-Projekt wurde zu mehr als nur einem Finanzierungsmodell; es erregte global Aufsehen. Sogar das Playstation-Rennspiel „Gran Turismo“ übernahm das Design, sodass Spieler online mit Geisslers Auto fahren konnten. „Dieses Auto war nicht nur ein Sportprojekt, sondern ein Awareness- und Kunstprojekt. Es hat gezeigt, dass man heute nicht mehr zwischen Sport und Unternehmertum wählen muss“, so die Rennsportlerin.
Heute ist Geissler jedoch unschlüssig, ob sie sich erneut an ein NFT-Projekt wagen würde, da ihr die aktuelle Lage rund um Kryptowährungen zu unsicher erscheint. Dennoch hat sie bewiesen, dass eine dezentralisierte Finanzierung für Sportprojekte möglich ist.
2022 erfuhr Geissler dann am eigenen Leib, welche Risiken ein selbst finanziertes Rennteam bringt: Während eines Rennens versagten die Bremsen ihres Autos – ein Fehler ihres Teams, der nicht passieren hätte dürfen. Die Sportlerin prallte mit über 200 km/h gegen die Leitplanke. „Der Unfall war für mich psychisch schlimmer als körperlich, da er mit einem Vertrauensbruch einherging. Mein Team hat einfach Dinge übersehen, die nicht übersehen werden dürfen“, erzählt sie. Die körperlichen Folgen des Unfalls waren verschobene Wirbel und ein Schleudertrauma; dennoch musste Geissler am nächsten Tag wieder ins Auto steigen und das nächste Rennen fahren, damit „die Angst nicht zu gross wird“, so die Sportlerin. Heute kämpft Geissler weiterhin mit den psychischen Folgen des Unfalls: „Der Vorfall hat mich einen grossen Teil meiner Karriere gekostet und mir gezeigt, dass der Sport vielleicht doch zu gefährlich ist, um alles selbst zusammenzubasteln.“
Mittlerweile hat Geissler neben dem Rennsport weitere Projekte initiiert. Im September dieses Jahres kündigte sie ihren neuen Podcast „Race your Voice“ an, in dem sie mit anonymen Co-Piloten im Auto fährt und über gesellschaftlich relevante Themen spricht. „Ich möchte über Dinge reden, die oft unausgesprochen bleiben. Deshalb werden meine Gesprächspartner anonym bleiben“, erklärt Geissler und ergänzt: „Dieses Projekt vereint meine Leidenschaft für gesellschaftspolitische Themen mit meiner Begeisterung für das Autofahren.“
Ob und wann sie in Zukunft wieder auf der Rennstrecke zu sehen sein wird, lässt Geissler offen: „Ich würde mich freuen, erneut die Chance zu bekommen, in einem erstklassigen Setup zu fahren, wo ich mein Können unter Beweis stellen kann. Allerdings schaue ich inzwischen doppelt hin, bevor ich solche Entscheidungen treffe.“
Laura-Marie Geissler ist Rennfahrerin und Unternehmerin. Mit dem Projekt LMG GT No. 1 brachte sie das weltweit erste Non-Fungible-Token-finanzierte Rennteam an den Start.
Fotos: Lukas Goldschmidt