Zuerst Matura, dann Durchbruch

Felix de Leon hat vor rund einem Jahr in der Zürcher Musikszene auf sich aufmerksam gemacht, als eines seiner Instagram-Videos, hinterlegt mit seiner Musik, viral ging. Forbes hat mit dem Schweizer Musikproduzenten und DJ über seine Anfänge, seinen Durchbruch und seine Zukunftspläne gesprochen.

Im Hintergrund ist der Eingang ­einer Zara-Filiale zu erkennen, im Vordergrund wurde eine ­ältere Dame mit Kopfhörern und Sonnenbrille ins Video geschnitten, die in Flip-Flops zur Musik tanzt. Der Clip ist gerade mal fünf Sekunden lang, hat aber fast eine Million Likes und mehr als 17 Millionen Views. Im Hintergrund läuft «Right Here, Right Now» – geschrieben hat den Song Felix de Leon, der mit bürgerlichem Namen Felix Kälin heisst. Das Video markiert den ersten Moment, an dem viele Menschen auf ihn und seine Musik aufmerksam wurden.

Das Video hat Kälin auf seinem Instagram-Account «@housemuesik» gepostet, dem rund 32.000 Menschen folgen. Mit seinem zweiten Account «felixdeleonmusic» kommen weitere 3.700 dazu. «Aus diesen viralen Videos sind viele positive Sachen entstanden. Es ist wie ein Schneeballeffekt», sagt Kälin im Gespräch mit Forbes. Aber wie ist der 20-jährige Zürcher überhaupt dazu gekommen, in seinem Elternhaus Musik zu produzieren, die inzwischen mehr als eine Million Streams auf Spotify angesammelt hat? Als Kind begann Kälin, Klavierunterricht zu nehmen, später spielte er Gitarre und Schlagzeug. Genau wie das Musikproduzieren hat er sich die beiden Band-Instrumente selbst beigebracht. «Zum Gitarrelernen habe ich viel Youtube geschaut und beim Schlagzeug habe ich andere Songs gehört und versucht, sie nachzuspielen», erzählt er. Seine musikalischen Vorbilder sind Steve Lacy, Mac Miller und Mac ­DeMarco – alles Künstler aus dem Indie-Bereich.

Und plötzlich ging Felix Kälins Arbeit viral: «Right Here, Right Now» erzielte auf Spotify über eine halbe Million Streams.

2021, als Kälin noch im Gymnasium war, begann er dann, selbst Musik zu produzieren. «Ich habe auf meinem Macbook Air Garage Band ausprobiert und dabei bemerkt, dass mir das richtig gut gefällt», erinnert er sich. «Seitdem wurde das Produzieren zu meiner Nummer-eins-Freizeitbeschäftigung.»

Anfangs produzierte Kälin hauptsächlich Rap-Beats und versuchte sich selbst als Rapper. Sein erster Live-Auftritt in dieser Rolle fand 2022 in einem kleinen Club in Zürich statt. Im selben Jahr legte er auch zum ersten Mal als DJ auf, bei einer Schulfeier – damals spielte er noch Lieder von anderen Künstlern. 2023 schwankte Kälin um zu House-Musik, für die er heute bekannt ist.

Er brachte sein Hobby in die Schule mit: Für seine Maturaarbeit produzierte er sein erstes Album «Keep Going», das er am 1. Januar 2024 veröffentlichte (davor hatte er auf Spotify und Soundcloud bereits Singles und LPs releast). «Mein Betreuer wollte, dass ich nur eine Single produziere», sagt Kälin. «Aber ich habe nicht auf ihn gehört und einfach mehr gemacht. Das hat mir zum Durchbruch verholfen, weil ich wirklich viel Zeit, Geduld und Kreativität hineingesteckt habe.» Das Album habe ihm die nötige Aufmerksamkeit verschafft, um in der Zürcher Clubszene Fuss zu fassen.

Es war aber Instagram, das ­Kälin bekannt machte: In den zwei Jahren, bevor sein Video viral ging, postete Kälin täglich Content – ohne nennenswerte Erfolge zu verzeichnen. «Meine Views waren zwischen 200 und 1.000. Dann habe ich eine andere Strategie gesucht», erklärt er. Der junge Musikproduzent liess sich von anderen House-Produzenten inspirieren, die kurze Clips mit ihren Songs unterlegten. Und so habe er das einfach mal ausprobiert, sagt er: «Ich habe immer wieder kleine Sachen geändert – und irgendwann ist es dann wirklich gross geworden.» Der Clip mit der tanzenden Oma war der erste in einer Serie: In einer Zeitspanne von drei Monaten, von Mai bis Juli 2024, postete Kälin etwa zehn Videos, die jeweils über eine Million Views erreichten, alle mit demselben Zara-Store-Konzept.

Als die Videos viral gingen, nutzte Kälin die Chance, so viel wie möglich aus dem Moment herauszuholen. «Ich habe möglichst viele Comments beantwortet, habe viele Storys gemacht, viele Leute angeschrieben», sagt er. Das sollte den Instagram-Algorithmus antreiben und dem Zürcher noch mehr Aufrufe verschaffen.

Doch trotz der Millionen Views auf Instagram hat ­Kälin kaum direkte Booking-­Anfragen ­erhalten. «Die Leute, die diese ­Videos schauen, arbeiten nicht in der Eventbranche oder der Musik­industrie», erklärt er diesen Umstand. Er ging also selbst auf Clubs zu und nutzte seinen Account als Mittel, um die Betreiber und Veranstalter davon zu überzeugen, ihn auflegen zu lassen. «Ich habe diesen Account, ich kann Promo machen, wenn ich hier auflege», habe er den Clubs gesagt. Und zu uns sagt Kälin: «Ich glaube, in der Musikindustrie muss man einfach manchmal zeigen, was man schon alles gemacht hat.»

Der junge Zürcher möchte sein Hobby auch langfristig verfolgen. «Ich stelle mir manchmal vor, wie ich als älterer Mann immer noch in einem coolen Studio Musik produziere und völlig verschiedene ­Sachen ausprobiere», sagt er. Auch das Auflegen möchte er fortsetzen, zumindest in Europa – Berlin, Amsterdam, London, «vielleicht auch Wien» seien auf seiner «Bucketlist», wie er sagt. Sein Fokus liegt aber auf der Produktion: «Wenn ich nicht auflege, gehe ich nicht gern in Clubs», so der DJ, der auch keinen Alkohol trinkt.

Derzeit absolviert Kälin seinen Zivildienst in der Schweiz und widmet seine Freizeit der Musik. Er ist nach wie vor komplett selbstständig unterwegs, ohne Label oder Manager, denkt aber darüber nach, mit einem Label zusammenzuarbeiten. Eine erste Kollaboration, mit dem Modelabel Blanc Zurich, sei im Werden.

Auf die Frage, ob es heute mit Social Media einfacher oder schwieriger sei, als Musiker bekannt zu werden, antwortet Kälin: «Vielleicht war es vor fünf Jahren einfacher, auf Tiktok und anderen sozialen Medien bekannt zu werden, weil es noch nicht so übersättigt war. Aber wenn man es richtig macht, kann man das auch heute gut schaffen.» Kälins Rezept für nachhaltigen Erfolg: «Dranbleiben und konsistent sein.» Networking sei auch wichtig, und natürlich: «Gute Musik produzieren, weil schlechte hört fast niemand. Und man muss es lieben!»

Felix de Leon (bürgerlich Felix Kälin) ist ein 20-jähriger DJ und Musikproduzent aus Zürich. Sein Debütalbum «Keep Going» erschien am 1. Januar 2024. Mit seinem Song «Right Here, Right Now» erreichte er über eine halbe Million Streams auf Spotify.

Erik Fleischmann,
Redakteur

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