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In den extrem heissen, glühenden, verrussten Kesseln liegt das, was den Herzschlag zahlreicher Investoren schlagartig beschleunigt. Willkommen an einem der..
In den extrem heissen, glühenden, verrussten Kesseln liegt das, was den Herzschlag zahlreicher Investoren schlagartig beschleunigt. Willkommen an einem der schwerstbewachten Orte in der Schweiz, der grössten Goldgiesserei der Welt.
In den Bergen nahe des Luganer Sees, beschaulich gelegen, wird ein Multimilliarden-Business angeschoben. Durch drei Sicherheitsschleusen, Wächter und zahlreiche Metalldetektoren abgeschottet, ist es nur wenigen Menschen gestattet, diese Fabrik zu betreten – und selbst dann wird es einem nicht einfach gemacht, hineinzukommen. Jedem Besucher wird eine Begleitperson zugeteilt, die einen zunächst mit einem „Tracking-Chip“ ausstattet und sie auffordert, Handy, Schmuck und sämtliche metallischen Teile am Körper zu übergeben. Danach geht es durch eine Drehschleuse und einige Sicherheitstore, die vorbei an einem Strahlungsdetektor in einen langen Tunnel führen. Am Ende dieses Weges angelangt, wird einem eine kleine Scheibe in die Hand gedrückt, die in etwa die Form und Grösse eines iPhone 5s hat. Zwei Dinge lassen einen dann kurz stocken: So klein und doch so schwer? Und dann noch die Tatsache, dass man gerade fast 40.000 € in der Hand hält. Die Erkenntnis: Ein Kilo Gold im Barren lässt sich relativ einfach in der Hand verstecken. Kein Wunder also, dass die Valcambi-Goldgiesserei zu den am besten bewachten Orten der Schweiz zählt.
Ist man erst einmal drinnen, eröffnet sich einem eher der Blick auf eine Metallproduktion, wie es viele andere gibt – ausser, dass statt Stahl glänzendes, gelbes und anderes wunderschönes, seltenes Metall durch die Maschinen gepresst wird. Rund um den Besucher fliessen buchstäblich Hunderte Millionen € aus Gold.
Zwischen den dunklen, verrussten Wänden stehen einige Schmelzkessel, und rund um sie in graue, feuerfeste Anzüge gekleidete Gestalten mit verspiegelten Visierhelmen am Kopf, die den metallischen Schein reflektieren. Macht man nur einen Schritt näher an die Kessel, kennt man dann auch den Grund für diese Montur: Die Temperatur, in der Milliarden verflüssigt werden, beträgt 1.064 Grad Celsius. Der Blick in das grelle Licht schmerzt in den Augen, und selbst in einem Abstand von einem Meter brennt einem die Haut im Gesicht. Auf die Stirn legt sich Schweiss, und dennoch kann man den Blick nicht abwenden, augenblicklich fühlt man sich von der Macht des Goldes angezogen.
Ganz ähnlich geht es wohl auch Investoren: Seit Jahresbeginn ist der Goldpreis (in US-$) um fast ein Drittel gestiegen (Ende August lag die Troy-Unze, 31,1 Gramm, bei 1.340 US-$) und die Nachfrage ist nach wie vor enorm. Warum? Aktien und Immobilien sind zu hoch bewertet und mit Obligationen verdient man kein Geld. Dazu – und überdies durch die Bilder vom Krieg in Syrien, Terrorismus, dem Brexit und den Flüchtlingen weiter befeuert – herrscht weltweit Verunsicherung, viele Menschen haben Angst. „In schlechten Zeiten geht es dem Gold gut“, sagt Michael Mesaric, Chef des goldenen Riesen Valcambi. Je mehr Angst herrscht, umso mehr Gold wird gekauft – als Wertanlage, als Sicherheit im Falle eines Krieges, einer Geldentwertung und ähnlichen Katastrophen.
„Der Goldpreis und die Nachfrage nach Gold steht für die vielen Ängste dieser Menschen in den nächsten sechs Monaten“, so Mesaric weiter. Wenn er recht behält, wird dieses Jahr besonders beklemmend: Allein im ersten Halbjahr nämlich ist die Nachfrage der Investoren um 127 Prozent gestiegen. Das World Gold Council, eine globale Lobby-Organisation der Goldminenindustrie, verkaufte allein in dieser Zeit 2.235 Tonnen Gold – was als zweitgrösste verkaufte Menge innerhalb eines halben Jahres überhaupt in die Geschichte eingehen wird. Erstmals war es nicht die Nachfrage nach Schmuck, die die Nachfrage in so luftige Höhen trieb, sondern Investitionen in Goldbarren und -münzen. Mesaric kann sich darüber nur freuen. Valcambi ist die grösste Goldgiesserei der Welt und die Schweiz damit weltweit Marktführer in der Verarbeitung des begehrten Metalls. Und je grösser das Interesse an Gold ist, desto mehr Arbeit und Geld gibt es für die Giesserei. „Wir verarbeiten täglich rund 3,8 Tonnen Gold in Barren und Münzen“, schliesst sich Simone Knobloch, Produktionsleiterin, dem Gespräch im Herzen der Fabrik an. „Übersetzt in Geld bedeutet das so viel wie 150 Millionen € täglich.“
Die Maschinen laufen auf Hochtouren, manche darunter in drei Schichten, und die Giesserei, früher im Besitz der Credit Suisse, wurde im vergangenen Jahr von dem indischen Konzern Rajesh Exports übernommen. Die Produktionskette für die Herstellung der beliebten Ein-Kilo-Barren arbeitet vollautomatisch. An einem Ende wiegt eine Maschine die Goldkörner automatisch ab und am anderen Ende kommt ein schlankes Teil raus, das aussieht wie eine in Goldfolie gewickelte Tafel Schokolade. Eine auf die Produktionsstrecke gerichtete Kamera kontrolliert, ob die Stücke frei von Kratzern und Brüchen sind. Zum Schluss brennt der Laser eine Identifikationsnummer ein. Danach werden die Barren – Stück für Stück – nebeneinander aufgelegt.
Unter wohlhabenden Europäern schaut eine sehr beliebte Form der Versicherung genau so aus: „Wenn man physisches Gold kauft, dann handelt es sich nicht um ein Spekulationsobjekt. Und es zahlt sich überdies nur aus, wenn man es für zumindest fünf Jahre nicht veräussert“, sagt Vladimir Bruna, Chef von Golden Gate, Marktführer in Sachen Goldanlage und ein Unternehmen der Investmentgruppe Milton in der Tschechischen Republik. Aktuell scheint die Nachfrage zu explodieren. Ein Barren anderer Grösse, so, wie er von der Zentralbank eingekauft wird, wiegt gute zwölf Kilogramm. Aufgestellt sind sie auf Tischen im Zentrum der Giesserei, wo sie langsam unter einer blauen Flamme abkühlen, damit sie keine Risse bekommen. Neben dieser klassischen Form, die einem kleinen Sarg ähnelt, haben sich die Schweizer auf weitere Projekte fokussiert – etwa der „Schokoladentafel“, einem 50-Gramm-Goldbarren, der in kleine goldene Vierecke geteilt werden kann. „Kinder oder Enkelkinder können sich so eine Tafel teilen“, erklärt Produktionsleiterin Knobloch. Hier versteht man sich auf das Geschäft zwischen Geschenksortiment und Investitionsgold.
Hinter den riesigen Türen mit Metallstäben, die während der produktionsfreien Zeit verschlossen sind, und einer weiteren gepanzerten Sicherheitstür liegt Knoblochs Reich. Ein Showroom, abgetrennt vom Fliessband, wo neue Projekte auf ihre Präsentation in der Öffentlichkeit warten – etwa goldene Pyramiden, die wie Toblerone-Schokolade aussehen, oder kleine Drei-Gramm-Barren, die zu dreidimensionalen Sternen geformt werden können. Alles Gold bei Valcambi ist „Fair Trade“-zertifiziert, das Unternehmen selbst hat zudem seinen eigenen Standard „Green Gold“ eingeführt. So kann der Käufer sichergehen, Gold zu erwerben, bei dessen Gewinnung weder Menschen noch die Natur zu Schaden gekommen sind. Valcambi verarbeitet Gold aus allen Ecken der Erde – es sei nicht nur Investoren wichtig, wie es gewonnen worden ist.
Rund um uns herum liegen peruanische Metallbrocken; ein wenig unförmig sind sie, verschmutzt und mit einem grünlichen Film überzogen. Das Rohmaterial aus den Minen besteht zu 50 bis 90 Prozent aus Gold, der Rest sind andere Metalle, die entfernt werden müssen. Für diesen Zweck haben die Alchemisten von Valcambi grosse Bottiche mit Königswasser aufgestellt.
Jeder, der im Chemieunterricht nicht geschlafen hat, weiss, dass es sich dabei um ein Gemisch aus konzentrierter Salzsäure und Salpetersäure im Verhältnis 3:1 handelt, mit dem sich die Edelmetalle Gold und Platin lösen lassen. Das so gelöste Gold wird dann auf grossen Platten aufgelegt. Bevor das Edelmetall seine so schöne Farbe bekommt, wird es bei Valcambi geschmolzen und eben geformt.
Gold ist aber nicht nur in der Schmuckherstellung oder als Investment wichtig, die Giesserei vertreibt das Metall ebenso an Apple und andere Elektronik-Hersteller oder Zahnärzte. Wenn Sie also kein Gold in Ihrem Mund haben, dann sicher eines in Ihrem Mobiltelefon oder Laptop, wo es die Hersteller gerne aufgrund seiner Resistenz gegen Korrosion einsetzen. Diese Form der industriellen Nutzung ist keinesfalls unerheblich: Allein im vergangenen Jahr machte das Electronics- und Medizin-Business acht Prozent des weltweiten Goldverbrauchs aus – rund 1,2 Milliarden €.
Bei Gold spielt jedes Gramm bis hin zum Goldstaub eine Rolle. So kommt es auch, dass dem Putzpersonal eine besonders wichtige Funktion zuteil wird. Es spart dem Unternehmen nämlich jährlich mehrere Millionen € – mit Staubsaugen. Aus dem Gold, das täglich in den Saugbeuteln steckt und der Produktion wieder zugeführt wird, könnte man Eheringe oder kleine Barren schmieden – für schwerere Zeiten.
Diese Geschichte ist in unserer November-Ausgabe erschienen. Forbes erhalten Sie in allen Trafiken oder online unter abo.forbes.at.