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2024 feierte das Hip-Hop-Festival „Rolling Loud“ seine Premiere in Österreich. Gründer Matt Zingler ist trotz einiger Kritik zufrieden mit dem Start – auch deshalb soll Wien nun eine Fixgrösse im Kalender von „Rolling Loud“ werden, denn zehn Jahre nach dem allerersten Festival planen Zingler und sein Partner Tariq Cherif eine aggressive internationale Expansion. Das Ziel: eine globale Lifestylemarke zu schaffen. „Wir wollen so etwas wie Starbucks aufbauen“, sagt Zingler.
„I actually like when it’s quiet“, sagt Matt Zingler, als Forbes ihn Anfang Juli auf der Terrasse des Rosewood Vienna trifft. Es ist eine bemerkenswerte Aussage für so ziemlich jeden Unternehmer – und ganz besonders für einen, der sein Geld damit verdient, mehrtägige Hip-Hop-Festivals zu organisieren. Doch fast zehn Jahre nach dem ersten „Rolling Loud“ in Miami geht Zingler die Dinge in Sachen Partys etwas ruhiger an. Hinsichtlich seiner unternehmerischen Ambitionen ist der US-Amerikaner aber aggressiver denn je.
Es ist der Tag nach der Premiere von „Rolling Loud Europe“ in Österreich. Das Festival, das mit Stars wie Nicki Minaj und Travis Scott aufwartete, lockte pro Tag 60.000 Besucher nach Ebreichsdorf, rund 40 Autominuten südlich der österreichischen Hauptstadt Wien. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Zingler. Das ist insofern ein wenig überraschend, als es auf Social Media und in der Presse teils heftige Kritik gab: Die Strahlkraft des Line-ups war unbestritten, in Sachen Organisation waren die Reaktionen der Besucher aber weniger positiv – An- und Abreise verliefen chaotisch, die Wasserversorgung war nicht ausreichend gut und Sandstürme führten zu widrigen Bedingungen. Doch Zingler organisiert seit einem Jahrzehnt solche Events und will die Kritik einordnen: „Es gibt sicher Themen, die wir für nächstes Jahr verbessern wollen. Das hat auch damit zu tun, dass wir den Veranstaltungsort noch besser kennenlernen müssen. Ein Gross teil der Besucher war auch sehr zufrieden – die äussern sich dann aber nicht auf Social Media. Die kleinere Zahl an unzufriedenen Gästen äussert sich dann teilweise sehr deutlich.“
Doch die Kritik ist für Zingler kein Hindernis, bereits laut über das nächste Jahr nachzudenken. „Aktuell planen wir, nach Wien zurückzukommen“, so der Unternehmer, „aber wir sehen uns auch andere Optionen in Europa an.“ Bisher war „Rolling Loud“ in Europa sowieso eine Art Wanderzirkus, Wien könnte nun aber als Fixpunkt in den Festivalkalender aufgenommen werden. Die Entscheidung wollen Zingler und Co „bald“ treffen.
Wenn es klappt, bekäme die österreichische Hauptstadt die Rolle eines wichtigen Puzzlesteins in der Zukunftsstrategie des Unternehmens – denn „Rolling Loud“ ist dabei, das in den USA bewährte Erfolgskonzept global auszurollen. Durch Lizenzvereinbarungen soll das Festival letztendlich in bis zu zwölf Märkten stattfinden. Für Zingler geht es aber weniger darum, möglichst viele Events zu veranstalten, sondern darum, eine Marke aufzubauen, die auch in anderen Bereichen für Furore sorgt. Er zieht Parallelen zu einem anderen US-Unternehmen, das das bereits geschafft hat und dabei auch teils auf ein Lizenzmodell setzte: „Wir wollen so etwas wie Starbucks aufbauen“, so Zingler. Doch das ist leichter gesagt als getan – oder?
Die Ökonomie eines Festivals wie „Rolling Loud“ ist gar nicht so einfach erklärt. Während die Shows in Miami und Los Angeles direkt vom gleichnamigen Unternehmen veranstaltet werden, sucht sich dieses für die internationalen Festivals in aller Regel lokale Partner, die sich um die Umsetzung des Events kümmern. Das unternehmerische Risiko übernehmen die Partner, die neben einer fixen Lizenzsumme auch einen Anteil am Umsatz an Rolling Loud abgeben. In Wien ist dieser Partner Live Nation Deutschland bzw. Live Nation Österreich.
„Bei unseren Festivals haben wir vier Umsatzströme: Tickets, Sponsoring, Food & Beverage und Merchandise“, so Zingler. Nachdem die Zahlen für das Festival in Wien zu Redaktionsschluss noch nicht finalisiert waren, lassen sich die Umsätze für das im Juli abgehaltene Event nur schätzen. Die rund 60.000 Gäste pro Tag verteilen sich zu rund zwei Drittel auf Besucher mit Festivalpässen (259 €, für alle drei Tage gültig) sowie 20.000 Einzelpässe, die jeweils nur an einem bestimmten Tag gelten (119 bzw. 129 €); hinzu kommen VIP-Tickets. Die gesamten Ticketumsätze für Wien liegen somit bei geschätzten 17 Mio. €. Einnahmen für Essen und Trinken (Food & Beverage, F&B) werden oft als Pauschale pro Kopf geschätzt, wobei bei Festivals in Deutschland im Schnitt rund 30 bis 50 € pro Person ausgegeben werden. Das würde für Österreich rund drei Mio. € Umsatz für Verpflegung bedeuten.
Merchandise und Sponsoring sind wiederum schwer einzuschätzen; Zingler selbst sagt dazu nur, dass in den USA mehr Merchandise verkauft werde, aber die Festivals in Europa auch mehr und mehr Umsatz in diesem Bereich erzielen. Zu den Sponsoren hält sich Zingler auch bedeckt, wobei langjährige Partnerschaften mit Red Bull, Snipes, Google, Amazon Music, Puma oder Magenta Telekom bestehen. Schätzwert: drei Mio. €. Das würde einen groben Gesamtumsatz von 23 Mio. € bei rund 100.000 zahlenden Gästen bedeuten. Der Pro-Kopf-Umsatz von „Rolling Loud“ wäre damit rund 230 €; für die Premiere wäre das sehr ordentlich. Zum Vergleich: Das Electronic-Music-Festival „Tomorrowland“ kommt mit 136 Mio. € Umsatz und 400.000 Besuchern auf etwa 340 € Pro-Kopf-Umsatz, in Glastonbury sind es etwa 360 €. Diese Festivals sind aber auch deutlich älter und damit etablierter als „Rolling Loud“: „Tomorrowland“ findet nächstes Jahr zum 20. Mal statt, Glastonbury hat bereits 50 Ausgaben hinter sich.
Für Zingler ist die Premiere jedenfalls auch finanziell „so wie erwartet“ – wobei er auch hier betont, dass genaue Aussagen nicht möglich sind: „Ich glaube nicht, dass wir Geld verloren haben, aber wir haben sicher auch nicht viel Geld verdient.“ Denn auch kleine Posten können bei einem Event dieser Dimension schnell enorme Kosten verursachen – die Location sowie die Themen Sicherheit, Transport und Logistik gehen schnell in Millionenbereiche. So investierte Live Nation in Wien etwa zwei Mio. € in Transport, wie Zingler auch angesichts der Kritik zu bedenken gibt: „Wir bieten Gratis-Shuttles an. Das machen andere Festivals einfach nicht.“
Insgesamt erwirtschaftet die Rolling Loud LLC Umsätze von mehr als 100 Mio. US-$ im Jahr (rund 90 Mio. €), wobei das Unternehmen eine Profitmarge von 15 bis 20 % anstrebt; und obwohl 90 % der Umsätze von Konzerten stammen, arbeiten Zingler und sein Partner Tariq Cherif auch an zahlreichen Verticals, die die Marke bekannter machen sollen: Das Unternehmen setzt eigene Medienprojekte um, darunter auch Spielfilme und Dokumentationen, hat Spirituosen und Cannabismarken, setzt auf Merchandise-Kollektionen und hat sogar ein Sportteam in der Overtime-League, das vielversprechenden Talenten im Basketball helfen soll, den Sprung in die NBA zu schaffen. Im Fokus steht dabei vor allem der Content: „Wir starten gerade damit, andere Bereiche auszubauen, und erwarten dort starkes Wachstum. Medien und Content haben dabei immer eine besondere Rolle gespielt. Nach zehn Jahren sitzen wir auf so viel goldenem Content, weshalb wir grössere Releases planen, die auch an die Öffentlichkeit verkauft werden sollen.“ Für Zingler steht und fällt aber alles mit zwei Dingen: Marke und Community. „Rolling Loud ist eine starke, besondere Marke und hat eine aussergewöhnliche Community. Das unterscheidet uns stark von anderen Festivals, und das wollen wir in Zukunft auch unternehmerisch nutzen.“
Zingler wuchs in Fort Lauderdale in einfachen Verhältnissen auf. Seine Eltern trennten sich früh und er hatte, wie er selbst es beschreibt, „ein paar Probleme mit Partys und anderen Dingen“ in der Schule. Er brach die Highschool ab, schaffte es über Umwege aber doch noch auf die Universität. Im Jahr 2012 schloss er sein Studium an der University of Florida ab, wo er als Major Agricultural Operations Management belegte.
Seinen heutigen Geschäftspartner Tariq Cherif lernte er im Alter von acht Jahren kennen. In ihren Jugendtagen fingen sie an, Partys zu schmeissen. Der Fokus auf Hip-Hop und Rap war früh da, und auch die grossen Namen liessen nicht lange auf sich warten: 2010 fingen Zingler und Cherif an, Events professionell aufzuziehen, einer der ersten Stars war Rapper Rick Ross. Ab 2013 wurde in Miami dann der Grundstein für Rolling Loud gelegt – damals noch unbekannte Künstler wie Travis Scott und Kendrick Lamar traten regelmässig auf. 2015 fand dort dann das erste „Rolling Loud“ statt. Zingler: „Wir hatten viele Künstler bei uns, als sie noch niemand kannte. Das hilft uns bis heute.“ Die grösste Entscheidung für Rolling Loud kam dann 2017, als das Unternehmen entschied, mehr als nur ein Festival zu veranstalten. Der erste Schritt war 2017 Los Angeles, 2019 wurde dann internationalisiert: Australien, nach der Pandemie dann die Niederlande, Portugal, Thailand, Deutschland und nun eben Österreich.
Bis zu einem gewissen Grad war es Zingler, der diese Wachstumsstrategie einforderte: „Wenn ein Festival 40 oder 50 Mio. € an Kosten verursacht, überlegt man sich zweimal, ob man mehrere Festivals pro Jahr macht. Aber ich war überzeugt, dass Rolling Loud global stattfinden muss.“ Dass dieses Wachstum nicht aus eigenen Mitteln zu finanzieren ist, merkten die beiden aber früh. Daher stieg der Konzertgigant Live Nation im Jahr 2020 ins Unternehmen ein. Wie gross der eigene Anteil noch konkret ist, will Zingler nicht sagen; die Gründer dürften aber noch die Kontrolle über das Unternehmen haben. Dass man ein Stück vom Kuchen abgegeben hat, hält Zingler bis heute für die richtige Entscheidung: „Wir haben gesehen, dass wir es aus eigener Kraft nicht schaffen, also haben wir Partner an Bord geholt, die uns die finanzielle Stabilität geben, um unsere Wachstumsstrategie umzusetzen. Jeder Kuchen ist schliesslich dazu da, um gegessen zu werden.“
Für die Zukunft stellt sich Zingler eine maximale Ausbaustufe von zwölf Märkten vor, wobei in einzelnen Märkten mehrere Shows stattfinden könnten, wie es heute schon in den USA der Fall ist. Aktuell sei man in konkreten Gesprächen mit Partnern im Nahen Osten, in Indien, China, Korea, Japan und Südamerika. In Europa könnte Wien die einzige Show sein, doch es könnten auch andere Städte dazukommen. „Wir sehen uns gerade viele Möglichkeiten an. In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir einige neue Shows ankündigen.“
Neben dem ökonomischen Risiko dieses Wachstums ist natürlich auch die Sicherheitslage ein grosses Thema für Rolling Loud. Zingler: „Bei jedem Event ist für uns das oberste Ziel, dass keine Katastrophe passiert.“ Nach dem Tod von zehn Personen beim von Rapper Travis Scott veranstalteten „Astroworld“-Festival 2021 ist eine neue Sensibilisierung in diese Richtung zu spüren. Das „Rolling Loud“ in München stand kurz vor dem Abbruch, nachdem Besucher über Zäune in einen anderen Abschnitt geklettert waren. In
Abstimmung mit der Polizei konnte das Event aber doch fortgesetzt werden. In Wien wurden einen Monat nach der Premiere von „Rolling Loud“ drei Taylor-Swift-Konzerte abgesagt, nachdem Pläne für einen Terroranschlag aufgedeckt wurden – könnten diese Absagen einen Einfluss auf die Entscheidung von Rolling Loud haben, nach Wien zurückzukehren? „Nein“, kommentiert das Unternehmen die Nachfrage trocken.
Trotz der Tatsache, dass er mit den grössten Musikstars der Welt den Globus bereist und Massen an Fans begeistert, führt Zingler aber keineswegs das Leben eines Rockstars. Er habe sich am Anfang schnelle Autos und teure Uhren gekauft, das nutze sich aber schnell ab; auch sein Lebensstil habe sich den Anforderungen seines stressigen Jobs angepasst: „Ich trinke keinen Alkohol, ich rauche nicht, ich gehe selten auf Partys. Ich habe einfach gemerkt, dass es unmöglich ist, all das weiterhin zu machen und gleichzeitig ein globales Unternehmen aufzubauen. Es ist wichtig, dass ich einen klaren Kopf habe.“ Und, etwas leiser: „Wir haben Spass, wenn das Event vorbei ist.“
Matt Zingler (35) wuchs in Florida auf. Er brach die Schule ab, schaffte es über Umwege dann aber auf die University of Florida. Schon in Jugendjahren organisierte er mit seinem Geschäftspartner Tariq Cherif Partys. 2015 fand das erste „Rolling Loud“-Festival in Miami statt, 2024 kam die Veranstaltung erstmals nach Österreich.
Text: Klaus Fiala
Fotos: Philipp Horak