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Seit rund fünf Jahren sagen die Geschwister Anna Weber und Jan Weischer beim Babyfachhändler Baby One, wo es langgeht. Sie übernahmen das Steuer von ihren Eltern, die das Familienunternehmen zwar nicht gründeten, aber im DACH-Raum gross machten. Mit der Marke Elsa & Emil starteten Bruder und Schwester nun auch ein eigenes Kinderwagen-Start-up – das natürlich vom Händlernetzwerk profitiert.
Wir sind in der U-Bahn, als fünf Eltern mit Kinderwagen einsteigen – alle in derselben Station, alle auf einmal. Manche der Wägen sind brandneu, andere schon abgenutzt. Die einen haben Platz für zwei Kinder nebeneinander, die anderen dafür mehr Stauraum für Windeln, Essen und anderes Zubehör, ohne das junge Eltern wohl nur selten das Haus verlassen. Wir sind auf dem Weg ins Büro, um Anna Weber und Jan Weischer in einem Online-Call zu interviewen – seit 2019 sind die Geschwister die Geschäftsführer von Baby One, dem grössten Babyfachhandel in Deutschland. Letztes Jahr gründeten sie ausserdem das Start-up Elsa & Emil und brachten einen eigenen Kinderwagen auf den Markt. Die vielen Kinderwagen auf dem Arbeitsweg, sagen wir einmal so, sind vielleicht ein Zeichen für ein gutes Interview.
Weber und Weischer müssen lachen, als wir die Geschichte erzählen. „Das ist übrigens“, erwidert Weber, „eine Berufskrankheit, die ich habe.“ Jeden Kinderwagen analysiere sie nach Marke und Funktionen. „Ich glaube, alle, die bei uns arbeiten, achten stark auf solche Sachen.“
Baby One ist seit 1998 in Familienbesitz, damals wurde das Unternehmen von Wilhelm Weischer, dem Vater von Anna Weber und Jan Weischer, gekauft. Heute gibt es 103 Baby-One-Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, von denen 66 von Franchisenehmern betrieben werden. Insgesamt arbeiten 1.400 Mitarbeiter bei Baby One. 2022 erwirtschaftete der Konzern fast eine Viertelmilliarde Euro Umsatz, etwas weniger als im Vorjahr.
Doch der Markt für Babyartikel ist kein Spielplatz. Erstens wird er immer kleiner – laut Eurostat nimmt die Anzahl der Neugeborenen in der EU seit 1960 fast durchgehend ab; im Jahr 1970 wurden pro 1.000 Einwohner 16,4 Babys lebendig geboren, 2022 waren es nur noch 8,7. Auch das leichte Umsatzminus im Jahr 2022 erklären die Geschwister damit, dass die Geburtenrate etwas niedriger als im Vorjahr war.
Zweitens ist Baby One zwar im stationären Handel der Konkurrenz voraus (Baby-Markt und Baby-Walz sind die grössten Mitstreiter), der Onlineshop schwächelt jedoch. 19 % der Umsätze werden laut den Geschäftsführern online eingespielt, bei der Konkurrenz liegt die Rate laut Weber bei rund einem Drittel. Der Technologieriese Amazon mischt wie (bei jedem Händler) auch kräftig mit. Für die nächsten Jahre haben Bruder und Schwester also genug zu tun.
Baby One ist ein Positivbeispiel dafür, wie die Übergabe eines Familienunternehmens an die nächste Generation ablaufen kann. 1988 wurde das Unternehmen als Babyland gegründet. Vier Jahre später stieg Wilhelm Weischer als erster Franchisenehmer ein und eröffnete ein Geschäft in Münster, wo sich heute die Zentrale befindet. Als der Gründer wenige Jahre später verstarb, übernahm Wilhelm Weischer das Unternehmen mit seiner Frau Gabriele. Damals hatte das Unternehmen 18 Läden. Gemeinsam zogen sie das Geschäft gross: Im Jahr 2000 wurde das erste Geschäft in Österreich eröffnet, 2009 der Onlineshop, 2019 expandierten sie in die Schweiz.
Bereits zuvor, im Jahr 2017, kamen die Kinder Anna Weber und Jan Weischer ins Unternehmen, um sich auf die Übernahme vorzubereiten. „Uns wurde nie vorgeschrieben, einzusteigen“, erzählt Weber, die zuvor Managerin beim Telekommunikationsunternehmen Vodafone war, über ihre Kindheit. Dass heute nur zwei von vier Kindern im Familienunternehmen arbeiten, beweist das. Weber weiter: „Mit der Geburt von meinem ersten Kind habe ich mir überlegt: ‚Wo kann ich wirklich Spuren hinterlassen?‘ Ich bin auf meine Eltern zugegangen und habe gesagt: ‚Ihr habt doch ein Unternehmen. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich da einsteige?‘“ Weischer sprach seine Eltern ungefähr zur gleichen Zeit auf das gleiche Thema an. Rund eineinhalb Jahre haben sich Kinder und Eltern darauf vorbereitet, gemeinsam zu arbeiten. Weber wurde Verantwortliche für die Unternehmensentwicklung. Weischer, zuvor Anwalt bei der Unternehmensberatung KPMG, übernahm die Rechtsabteilung.
„Unser Vater“, erinnert er sich, „hat damals gesagt: ‚Ein Jahr lang könnt ihr straffrei wieder aussteigen!‘“ Die Geschwister stiegen nicht aus, und zwei Jahre später übernahmen sie die Geschäftsführung. Anfangs trafen sie sich noch monatlich mit den Eltern, um über die Strategie von Baby One zu sprechen. Heute trifft sich die Familie einmal im Jahr zur Gesellschafterversammlung, bei der die Eltern und alle vier Kinder dabei sind. „Es war total lustig zu sehen, wie sich das Interesse über die Jahre verändert hat“, sagt Weber über die Beteiligung ihrer Eltern. „Am Anfang hat sie noch alles interessiert – jeder Prozess, jedes Projekt, jeder Mitarbeiter –, weil sie noch ganz nahe (an der Geschäftsführung, Anm.) dran waren. Über die Jahre hat das immer mehr abgenommen und jetzt interessieren sie sich vornehmlich für die Zahlen.“ Die Eltern und alle vier Kinder halten Anteile an Baby One, aber nur Anna Weber und Jan Weischer können operative Entscheidungen treffen, wie sie sagen.
Wir sehen uns als Omnichannel-Player und trauen uns auf jeden Fall weiteres Wachstum zu.
Anna Weber
Letztes Jahr gründeten die Baby-One-Geschäftsführer ein weiteres, von Baby One getrenntes Unternehmen: Elsa & Emil, benannt nach Webers Tochter und Weischers Sohn, heisst die Marke, unter der Kinderwagen verkauft werden. Rund zwei Jahre lang haben die Gründer an der Strategie und dem ersten Produkt getüftelt. Durch modernes Design, kluges Zubehör und die Verwendung nachhaltiger Materialien soll sich der Kinderwagen von der Konkurrenz abheben. Finanziert wurde die Gründung aus dem Familienvermögen. Wie hoch das Investment war, wollen die Gründer nicht sagen; im OMR Podcast sagten sie aber letztes Jahr, es habe einen „kleinen siebenstelligen Betrag“ gebraucht. Genau wie bei Baby One hält die ganze Familie Unternehmensanteile.
Die wahre Besonderheit von Elsa & Emil ist jedoch das D2C-Vertriebsmodell, auch wenn der Kinderwagen auch in Baby-One-Geschäften erhältlich ist. Die Idee: Einerseits kann die Marke die vielen Baby-One-Geschäfte nutzen, andererseits soll sie nicht auf physische Händler angewiesen sein und die Produkte direkt an Konsumenten verkaufen können.
Damit das funktioniert, braucht Elsa & Emil eine starke Onlinepräsenz. Weber und Weischer haben sich dafür Hilfe von einem Beirat aus Start-up-Gründern geholt, die allesamt erfolgreiche D2C-Marken aufgebaut haben: Mit an Bord waren unter anderem Snocks-Gründer Johannes Kliesch, Franzi von Hardenberg, die über Instagram die Marken The Siss Bliss und Bliss Bang Capital aufgebaut hat, und Manuel Müller, der Gründer und CEO von Emma Matratzen.
Heute gibt es den Beirat nicht mehr, doch der Fokus auf Onlinemarketing ist geblieben. „Es gibt unendlich viele Mama-Influencer“, so Weber, die mittlerweile mit vielen von ihnen zusammenarbeitet, um Elsa & Emil auf sozialen Netzwerken zu bewerben. Die Kundengruppe sei dankbar für Social-Media-Inhalte, die Eltern dabei helfen, sich auf das erste Kind vorzubereiten. „Unsere Zielgruppe ist nicht riesig, aber dafür ist es eine Zielgruppe, die sich auf allen möglichen Kanälen informieren will und total gut auf informativen Content anspricht“, so Weber. „Wir machen richtig, richtig gute Erfahrungen mit Influencer-Marketing.“ Zudem sei das Kaufverhalten der Zielgruppe sehr vorhersehbar. Weber weiter: „Wenn wir wissen, wie alt das Kind ist oder in welchem Schwangerschaftsmonat die Frau ist, können wir genau sagen, wann sie welches Produkt braucht.“
Auch sich selbst stellen die Geschwister stärker ins Rampenlicht – Weber folgen auf Linkedin 31.800, auf Instagram 2.600 Menschen; Weischer zählt auf Linkedin 11.800 Follower. Beide haben auf der Businessplattform die „Top Voice“-Auszeichnung.
Bis jetzt läuft das Geschäft mit den eigenen Kinderwagen gut. „Wir waren total begeistert, dass Leute diesen Wagen gekauft haben, von einer Marke, die man noch nicht kannte“, so Weber. „Das ist ein Produkt, das 899 € kostet und in das man Vertrauen haben muss, dass das Baby
darin sicher ist.“ Für das erste Jahr hatten sich Weber und Weischer vorgenommen, Elsa & Emil unter die Top Ten der Kinderwagen zu bringen, die bei Baby One verkauft werden. Aktuell klettert Elsa & Emil laut Weber und Weischer in Richtung Platz fünf.
In den kommenden Jahren wollen die Geschäftsführer in den vergleichsweise schwachen Baby-One-Onlineshop investieren. „Vor Corona“, so Weischer, „lagen wir noch bei einem Online-Anteil von ungefähr 5 %.“ Seitdem haben Weber und Weischer ein Ship-from-Store-Konzept entwickelt, das den Anteil etwas gehoben hat. Historisch war Baby One jedoch „immer ein rein stationärer Händler“, so Weischer, auch wenn die erste Version des Onlineshops laut der Firmenhistorie bereits 2009 gelauncht wurde.
Neben einer hohen Dichte an Märkten bedeutet das professionelle Beratung in den Geschäften. „Freunde und Bekannte“, so Weber, „sind die wichtigste Informationsquelle. Bei uns bekommen Kunden eine Beratung von Fachleuten, die zum Teil seit 25 Jahren ihren Job machen und die Produkte sehr gut kennen.“ Seit einiger Zeit haben Käufer auch die Möglichkeit, Termine für eine Erstausstattungsberatung zu vereinbaren.
Weil die kompetente Beratung im physischen Laden ein klarer Vorteil gegenüber der Onlinekonkurrenz wie etwa Amazon ist, soll das Netzwerk an Franchisenehmern weiter ausgebaut werden. „Wir sehen uns als Omnichannel-Player und trauen uns auf jeden Fall weiteres Wachstum zu“, so Weischer. „Wir sehen: Das, was wir anbieten, ist gefragt. Das, was wir anbieten, ist gut. Und deswegen wollen wir in beiden Bereichen (online und in der physischen Welt, Anm.) weiter wachsen.“ Weber betont auch, dass sie immer auf der Suche nach neuen Franchisenehmern sind: Sie sagt: „Es gibt noch viele weisse Flecken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die wollen wir erst mal angehen und dann können wir uns definitiv auch eine weitere Expansion vorstellen.“
Was schaut für die Franchisenehmer raus? Laut den Geschwistern erwirtschaftet ein Geschäft im Schnitt zwei Mio. € Umsatz im Jahr, wovon rund 3 bis 5 % für den Franchisenehmer übrig bleiben. „Das ist der Durchschnitt“, betont Weischer. „Es hängt stark vom Jahr und vom Laden ab. Das kann auch ganz anders, nach oben oder unten, ausfallen.“ Der Gewinn sei von der Region und den Geburtenzahlen dort abhängig – und natürlich davon, wie der Franchisenehmer, der selbstständiger Unternehmer ist, sein Geschäft führt. Die Franchisenehmer zahlen eine Franchisegebühr von unter 5 % und einen Werbekostenzuschuss von 2 %. Weber: „Das ist ein sehr kompetitiver Wert im Vergleich zu anderen Franchise-Systemen.“
Dass der demografische Wandel ihnen Schwierigkeiten bereitet, können Weber und Weischer nicht bestreiten. Im Jahr 2022 gab es laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland rund 7 % weniger Geburten als im Vorjahr. Für Baby One bedeutet das „eins zu eins weniger Markt. Das merken wir und würden es uns definitiv anders wünschen“, so Weischer. Er fügt aber hinzu: „Gleichzeitig haben wir eine Grösse und ein starkes Fundament, um solche Phasen auch zu meistern.“ Er appelliert auch an die Politik, junge und werdende Familien stärker zu unterstützen.
Dass Baby One in andere Produktkategorien expandiert, schliesst das Geschwisterduo aus: „Wir sind davon überzeugt“, sagt Weischer, „dass wir in dem Bereich bis zum vierten Geburtstag, in dem wir unterwegs sind, einfach richtig gut sind.“ Und es gibt grosse Hoffnungen für Elsa & Emil. Weber: „Wir freuen uns auf neue Produkte, die wir rausbringen, da wird dieses Jahr auch noch mehr kommen. Für eine komplett neue Marke läuft das fantastisch.“
Anna Weber und Jan Weischer führen den Babyfachhändler Baby One in zweiter Generation. Sie übernahmen die Geschäftsführung im Jahr 2019 von ihren Eltern. Weber war zuvor Managerin bei Vodafone, Weischer Anwalt bei KPMG. 2023 gründeten die Geschwister mit einem separaten Unternehmen die Kinderwagenmarke Elsa & Emil.
Fotos: Baby One