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Universitäten sind oft Brutstätten für Unternehmen. Auch Andras Tessenyi gab dieser Umstand alle Mittel in die Hand, um Supercharge, einen innovativen Softwaredienstleister, zu gründen. Das Unternehmen wuchs binnen zehn Jahren auf 150 Mitarbeiter und 13 Millionen € Umsatz. Mit einem neuen Büro in Wien will der internationale Produktinnovator mit Wurzeln in Budapest nun auch den DACH-Raum erobern – und dann die Welt.
Wie kommt man kurz nach dem Studium auf die Idee, ein Softwareunternehmen zu gründen?
Andras Tessenyi (AT): So schnell ging das nicht. Nach dem Abschluss führte mich mein Weg zunächst in die Wirtschaft. Dort versuchte ich mich erst mal als Berater und nahm dann einen Job als Technology Manager bei einer Agentur für Innovationsberatung an. Durch mein Umfeld, das hauptsächlich aus Ingenieuren bestand, hielt ich aber immer Kontakt zu den Absolventen der Universität. Die Unternehmensgründung an sich war dann ein evolutionärer Prozess.
Wie würden Sie diesen Prozess beschreiben?
AT: Wir hatten das Glück, dass 2008 der Apple App Store gelauncht wurde und wir von dieser Welle profitieren konnten. 2010 arbeitete ich mit Studienkollegen gemeinsam daran, eine Loyalty-App für Einkaufszentren zu entwickeln. Wir arbeiteten gerne zusammen, waren eine Gruppe von Entwicklern, die einander schon länger kannten. Wir mussten dann nach einiger Zeit für uns die Frage beantworten, ob wir daraus ein Unternehmen gründen wollten, da es uns an Aufträgen nicht mangelte. Durch unsere freundschaftliche und professionelle Unternehmenskultur, bei der wir jedem Einzelnen viel Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten geben, holten wir verschiedene Talente ins Unternehmen, die gerne für uns arbeiten wollten. Wir haben von Anfang an viel Wert auf eine gute und dynamische Unternehmenskultur gelegt. Anfangs ermöglichten uns auch erste erfolgreiche Projekte in den USA, das Unternehmen in relativ kurzer Zeit hochzuskalieren.
Was waren die Herausforderungen?
AT: Wir waren gerade frisch aus der Universität und mussten in kürzester Zeit alle Aspekte der Wirtschaftswelt kennenlernen. Die Spannweite reichte von der Kundenakquise bis hin zu Vertragsverhandlungen.
Wie würden Sie in einfachen Sätzen erklären, was Sie mit Supercharge tun? Wie sieht der Produktprozess von Anfang bis Ende aus?
Janos Török (JT): Es gibt drei Faktoren, die hier in Balance sein müssen. Zuerst müssen gemeinsam mit der Geschäftsführung des Kunden die Ziele und Bedürfnisse klar besprochen werden, da Ressourcen, Zeit und Mitarbeiter dafür aufgewendet werden. Der zweite Punkt ist das Nutzerbedürfnis, das man validieren muss, damit das Produkt echte Probleme löst. Der letzte Faktor ist die Technologie, die die Ziele der ersten beiden Faktoren in sich trägt und letztendlich eine ausgezeichnete Experience und Lösung bietet. Diese drei Punkte müssen miteinander harmonieren, damit ein Projekt erfolgreich ist, und Supercharge hilft Kunden, dieses Gleichgewicht zu finden. Wir betreuen diesen Prozess von Anfang – also dem Aufbau der Strategie, dem Design der Experience, dem Entwickeln und dem Skalieren des Produkts – bis zum Ende, wo wir das Produkt nur noch verfeinern und warten.
„Unser Ziel ist es, bis 2025 zu den zehn grössten Software-Innovationshäusern der Welt zu gehören.“
Andras Tessenyi, CEO von Supercharge
Können Sie ein Beispiel nennen?
JT: Wir haben für Kodak in den USA eine App entwickelt. Ziel war es, aus den Tausenden Fotos, die ein Mensch im Lauf der Zeit am Smartphone schiesst, die besten fotografisch festgehaltenen Momente herauszufiltern und in Druck senden zu können. Dies haben wir mit einer App, die Machine Learning nutzt, um die besten Fotos zu identifizieren, ermöglicht.
Können Sie den Produktprozess bis zu seiner Fertigstellung beschreiben?
AT: Unsere funktionsübergreifenden, mehrsprachigen Design- und Engineering-Teams bestehen aus vielseitigen Produktstrategen, hoch qualifizierten Designern und erstklassigen Entwicklern. Wir machen Innovation zu einem wissenschaftlichen Prozess: Als Innovationsexperten bauen wir auf datenbasierter Grundlage, um Ideen in robuste Lösungen für unsere Partner zu verwandeln. Wir beginnen mit der Erkundung, bei der wir mehr über die Herausforderungen und Ziele des Unternehmens, die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden und die Möglichkeiten der Technologie erfahren wollen. Das Ergebnis ist die digitale Produktstrategie und ein frühes Konzept. Am Ende dieser Phase steht eine Reihe harter, vorab vereinbarter Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um in die nächste Phase zu gelangen. Sind sie nicht erfüllt, kehrt man entweder zum Zeichenbrett zurück oder verwirft die Idee.
Der nächste Schritt ist das Produktdesign, bei dem wir die Details der Produkt-Experience und des visuellen Designs des Produkts ausarbeiten. Diese Phase gibt uns die Möglichkeit, das Konzept gründlicher mit echten Nutzern zu testen, um die Markttauglichkeit des Produkts zu prüfen. Schliesslich wird das Produkt für die infrage kommenden Technologieplattformen entwickelt und auf Leistung, Skalierbarkeit und Sicherheit getestet. Unsere Arbeit ist damit aber noch nicht abgeschlossen: Wir haben jetzt echte Daten, mit denen wir arbeiten können. Wir stützen uns auf Analysen, um Wege zur Verbesserung der Produktleistung und der Konversion zu finden oder auch um Hinweise auf potenziell wertsteigernde neue Funktionen zu finden.
Andras Tessenyi
...gründete vor elf Jahren Supercharge. Zusätzlich zu den Büros in London, Amsterdam und Budapest eröffnet er dieses Jahr ein weiteres Büro in Wien, das von Janos Török geführt werden wird.
In welchen Ländern haben Sie schon Projekte umgesetzt, wer gehört zu Ihren Kunden?
AT: Wir waren von Anfang an international ausgerichtet. Wir haben Büros in Amsterdam, London, Budapest, und jetzt eröffnen wir eines in Wien, wo uns Janos Török als Director repräsentieren wird. Ein Drittel der Kunden kommt aus den USA, ein Drittel aus Westeuropa und das dritte Drittel ist auf den Rest der Welt verteilt. Die Produkte, die wir herstellen, sind in über 80 Ländern verfügbar und werden von Millionen von Benutzern verwendet.
In welchen Sektoren sind Sie tätig?
AT: Knapp 50 % unserer Produkte sind im Finanzsektor zu verorten, die anderen 50 % sind aufgeteilt auf das Gesundheitswesen, Bildung, Energie, Telco und auch E-Commerce. Der Vorteil ist, dass wir die Best Practices in den einzelnen Feldern, wie beispielsweise Sicherheitslösungen in Financial Services, auch in anderen Projekten verwerten können.
JT: Wir arbeiten aber nicht nur mit grossen Konzernen zusammen, sondern auch mit Start-ups und Scale-ups, die auch verlässliches Design und technologische Partner benötigen, die ihnen bei ihren digitalen Bedürfnissen helfen.
Wickeln Sie auch Projekte im Bereich Nachhaltigkeit ab?
JT: Wir haben die Mission, mithilfe von Technologie positive Veränderungen zu bewirken, daher liegen uns Projekte mit Nachhaltigkeitsfokus am Herzen. In diesem Jahr haben wir sogar unseren Produktdesignprozess angepasst, damit wir Produkte leichter an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen ausrichten können. Bei konkreten Projekten ist unsere Zusammenarbeit mit Zenobē erwähnenswert: Ihr Geschäft hilft Unternehmen und sogar Ländern, durch Batterie-Energiespeichertechnologie auf erneuerbare Energien umzusteigen. Um die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, verzichten viele Städte auf fossile Brennstoffe im öffentlichen Verkehr und setzen auf sauberere und nachhaltigere elektrische Alternativen. Die Speichersysteme von Zenobē werden nicht nur zum Ausgleich des Stromnetzes eingesetzt, sondern auch zum Betrieb grosser Elektrobusflotten. Das Supercharge-Team hat in den letzten Jahren mit dem Unternehmen zusammengearbeitet, um eine digitale Plattform aufzubauen, die ein präzises Management eines komplexen Batteriesystems ermöglicht und Echtzeitdaten liefert, um die Leistung sowohl der Batterien als auch des Busbetriebs zu optimieren.
Sie können buchstäblich von überall aus arbeiten, sind an keinen Ort gebunden. Warum wollen Sie dennoch ein Office in Wien eröffnen?
JT: Wir haben uns das länger überlegt. Im DACH-Raum hatten wir schon einige Projekte. Wir sehen allerdings ein grosses Potenzial in der Region, weil sie die wirtschaftsstärkste in Europa ist – ein BIP von fünf Billionen € und eine Bevölkerung von über 100 Millionen deutschsprachigen Menschen. Zur gleichen Zeit ist der Markt in dieser Region gut miteinander vernetzt und aufeinander abgestimmt. In den letzten dreieinhalb Jahren habe ich an Innovationsprojekten im DACH-Raum gearbeitet und kenne daher die technologischen und Innovationsbedürfnisse dieser Unternehmen. Ich beobachte faszinierende Familienunternehmen, die seit Jahrzehnten innovieren; eine Transformation in die digitale Welt ist ihnen aber nur mittelmässig gelungen. Obwohl es Unternehmen gibt, die eine unglaublich starke Marktposition in ihrer Branche haben, hinken sie in der Digitalisierung hinterher. Um global wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen diese KMU verstärkt in die Digitalisierung ihrer Betriebe investieren. Daher rührt auch eine starke Nachfrage nach Dienstleistungen wie unseren. Insbesondere, wenn man sich den Digitalisierungsindex für Europa ansieht, befinden sich Deutschland und Österreich im Ranking irgendwo in der Mitte. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, eröffnen wir in Wien ein Büro, da die Stadt in die ganze Region ausstrahlt und optimal dafür geeignet ist, den DACH-Raum zu bedienen.
Aus Wien wollen Sie offensichtlich Mitteleuropa erobern. Was sind denn Ihre weiteren Pläne für die Zukunft?
AT: Unser Ziel ist es, bis 2025 zu den zehn grössten Software-Innovationshäusern der Welt zu gehören. Das Ziel ist nicht unbedingt an der Grösse gemessen, sondern an der Qualität. Was ist damit gemeint? Falls jemand eine aufwendige Digitalinitiative angehen will, wollen wir auf ihrer Shortlist stehen. Das bedeutet für uns im Umkehrschluss, dass wir unsere geografische Präsenz ausdehnen müssen. Das ist der Grund, weshalb wir ins ökonomische Herz Europas, den DACH-Raum, investieren. Kommendes Jahr wollen wir in New York ein Office eröffnen und uns in Zukunft stärker in Asien engagieren. Das ist der geografische Aspekt unserer Expansion. Andererseits wollen wir unsere Angebote erweitern. Themen wie Machine Learning und Datenverarbeitung werden immer wichtiger, hier erhöhen wir unsere Expertise massiv. Darüber hinaus experimentieren wir auch mit wissenschaftlichen Modellen, die wir in unsere Designprozesse einbauen – insbesondere rund um das Behavior Forming.
Text: Muamer Becirovic
Fotos: László Mészáros
Dieses Advoice erschien in unserer Ausgabe 9–21 zum Thema „Handel“.