THE GREAT WALL OF MONEY

Egal, wie laut Donald Trump rumort: Der Handelskrieg zwischen China und den USA wird vorbeigehen. Und spätestens dann wird Asha Mehta mit ihrer Strategie bei Acadian Asset Management wieder von China profitieren.

Am 1. März 2018 kündigte Asha Mehtas Unternehmen Acadian Asset Management an, dass man eine neue China-Strategie einführen wolle. Diese sollte sich auf Direktinvestitionen in chinesische Unternehmen konzentrieren. Nur: Ihr Timing hätte nicht schlechter sein können. Drei Wochen später startete US-Präsident Donald Trump einen umfassenden Handelskrieg und kündigte an, Zölle auf Unmengen von chinesischen Importen zu erheben. Es war der Beginn eines lange währenden Streits zwischen Peking und Washington, der verheerende Auswirkungen auf chinesische Aktien hatte. In den 18 Monaten seit Trumps ­erster Ankündigung ist der China-Stock-Index des MSCI um 16 % gesunken, während der US-amerikanische S&P 500 um 11 % zugelegt hat.

„China war in letzter Zeit ein hartes Pflaster“, sagt Mehta, 41, während sie aus ihrem in Boston gelegenen Büro über den Hafen blickt, „aber man muss das ignorieren. Der chinesische Markt ist ein Nettokapitalimporteur, die Marktliberalisierung setzt sich fort.“ Die innovative, quantitativ orientierte und auf China ausgerichtete Strategie, die Mehta anführt, hat ein beachtliches Wachstum hingelegt. Im April 2018 betrugen die Assets under Management (AuM) noch 15 Millionen US-$, heute liegen sie bei 138 Millionen US-$. Grosse Investoren vertrauen Acadians Konzept aus zwei Gründen. Erstens: Trotz der protektionistischen Rhetorik öffnet sich Chinas Aktienmarkt endlich. Bis vor Kurzem konnten die meisten Ausländer nur in H-Aktien ausgewählter Grossunternehmen investieren, die an der Hong Kong Stock Exchange gehandelt wurden – jetzt können nicht chinesische Investoren aber auch sogenannte A-Aktien kaufen. „Alle wichtigen Benchmark-Indizes haben im vergangenen Jahr begonnen, diese A-Aktien in ihre Emerging-Markets-Indizes aufzunehmen“, sagt Mehta. „Dort wird eine Mauer aus Geld errichtet.“

Der zweite Grund hat mit Mehtas Track Record zu tun: Die von ihr geleitete Strategie rund um chinesische Small-Cap-Emerging-Market-­Titel mit einem verwalteten Vermögen von 2,4 Milliarden US-$ , erzielte seit dem Start 2011 durchschnittlich 10,9 % jährliche Rendite. Damit wurde die Benchmark pro Jahr um 8,6 % übertroffen. Ihre neue Strategie rund um A-Aktien aus China sank inmitten der Turbulenzen des Handelskrieges zwar um 5,1 % – angesichts des Minus von 10 %, das die Benchmark erlitt, ist das jedoch nicht ganz so problematisch.

Asha Mehta
... studierte in Stanford, bevor sie als Analystin für Goldman Sachs und später für Acadian Asset Management tätig wurde. Sie ist die Tochter eines Inders und einer Amerikanerin.

„China macht aktuell nur 5 % der globalen Marktkapitalisierung aus, der Anteil könnte aber auf 20 % steigen. Unsere Kunden sehen die Chance, vom zukünftigen Kapitalfluss nach China zu profitieren“, sagt Mehta. Sie und ihr Co-Manager Bin Shi nutzen Algorithmen, um rund 3.500 Aktien, die in Shanghai und Shenzhen notieren, auf 100 Parameter (fundamentale sowie technische) zu prüfen. Die Indikatoren reichen vom Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) über Überraschungen bei den Umsatzzahlen bis hin zu „Anomalien“ in der Unternehmensrechnung.

Die Strategie umfasst 100 Beteiligungen, vorrangig Large- und Mid-Cap-Titel. Dazu gehören Red-Chip-Aktien (so bezeichnet man die Aktien von vom Festland stammenden Unternehmen, die jedoch in Hongkong notieren) wie Kweichow Moutai und Wuliangye Yibin, zwei riesigen staatlichen Spirituosenherstellern. Sie scheinen relativ sicher zu sein, was das Rezessionsrisiko betrifft: Kweichows Kurs hat in diesem Jahr um über 90 % zugelegt, der von Yibin um über 150%.

Mehtas Weg in die Finanzbranche war ein untypischer. Sie wuchs in Gainesville, Florida, als Tochter von zwei Ärzten auf. Ihr Vater stammt aus Indien, ihre Mutter ist die Tochter von deutsch-russisch-jüdischen Einwanderern in die USA. Als Mehta in der Grundschule war, wohnte sie zeitweise bei ihren Grosseltern in der kleinen Wüstenstadt Bhiwani in Nordindien, wohin die Familie nach der Trennung Indiens und Pakistans 1947 verlegt wurde. Das Dreizimmerhaus ihrer Grosseltern hatte keinen durchgehenden Strom und kein fliessendes Wasser; das Abwasser lief durch die Strassen. „Ich lebte unter Kindern, die auf der Strasse bettelten, in Häusern mit schlechter Hygiene, und wurde täglich von Affen, Schweinen und Kühen begrüsst, die in unser Haus spazierten“, erzählt sie von ihren Sommeraufenthalten in Indien. Nach ihrem Abschluss in Stanford 2000 – Mehta hatte Biologie und Anthropologie studiert – wurde sie Analystin bei Goldman Sachs. Einige Jahre später machte sie ihren MBA an der Wharton University, bevor sie 2007 als Analystin bei Acadian landete.

Unsere Kollegen glauben, dass der chinesische Markt zu stark auf Emotionen basiert und auch zu eigenwillig ist, als dass quantitative Analysen funktionieren könnten.

Das Unternehmen war 1977 als Forschungsunternehmen gegründet worden. Gründer war ein ehemaliger Mitarbeiter von Putnam Investments; das Unternehmen war für den Aufbau der weltweit ersten internationalen Index-Matching-Strategie bekannt, bevor er in den 1980er-Jahren in die Vermögensverwaltung einstieg. Heute hat die Firma, die zahlreiche PhDs zu ihren Mitarbeitern zählt, 94 Milliarden US-$ Assets under Management.

Das Unternehmen hält nichts von der Idee eines perfekten, preiseffizienten Marktes – insbesondere nicht was China betrifft, wo 80 % der Investoren ­Privatpersonen sind, die den Aktienmarkt mehr wie ein Casino sehen denn als sonst etwas. „Das Wort für Aktienmarkt auf Mandarin lautet ‚stir fry‘ (Ausdruck für kurzes, heisses Anbraten, insbesondere in der chinesischen Küche verwendet, Anm.)“, sagt Mehta. „Es gibt in China diese Vorstellung, dass der Markt heiss ist. Marktbewegungen können von banalen Dingen ausgelöst werden, etwa, wenn die Menschen Dinge auf WeChat lesen. Einige unserer Kollegen glauben daher, dass der chinesische Markt zu stark auf Emotionen basiert und auch zu eigenwillig ist, als dass ­quantitative Analysen funktionieren könnten. Aber Fehl­einschätzungen des Marktes passieren aufgrund von falschem Verhalten. Wir können daher ­Alpha generieren, indem wir systematisch auf Unternehmen abzielen, die aufgrund von fundamen­talen Faktoren attraktiv sind.“

Text: Kenneth Rapoza / Forbes US
Fotos: Jamel Toppin / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2019 „Sicherheit“ erschienen.

Forbes Editors

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