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Die „Sharing Economy“ hat völlig neue Strukturen geschaffen – unzählige neue Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten sind damit verbunden. Anleger sollten diesen Megatrend im Auge behalten.
Noch vor zwanzig Jahren hätte man hierzulande wahrscheinlich viele, die ihr Privatfahrzeug als Taxi anbieten und gleichzeitig den Chauffeur mimen wollen, zum Arzt geschickt. Doch „Teilen statt besitzen“ ist die Devise eines Trends, der sich seit 2008, ausgehend von den USA, um den Globus verbreitet. Und die Sharing Economy übersetzt sich auch deutlich auf die Finanzmärkte.
Heute ist Uber aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken – und so mancher setzt den Trend mit seinem Pkw bereits in bare Münze um. Das Unternehmen mit dem seltsamen Namen – Uber ist ein Germanismus und aus dem deutschen „Über“, etwa im Sinne von „Über-Ich“, entlehnt – wurde 2009 als Limousinenservice von Garrett Camp und Travis Kalanick, dem späteren CEO des Unternehmens, in San Francisco gegründet. Vier Jahre später hatte Uber bereits einen Umsatz von 213 Millionen US-$. Vor zwei Jahren war der Dienst schon in 471 Städten vertreten; darunter auch Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Wien und Zürich. Die Idee, sein Auto als Limousine mit Chauffeur gegen Geld zu teilen, hatte sich durchgesetzt – wenn auch vor allem in Europa mit allerlei Geburtswehen, war man doch der natürliche Feind aller Taxifahrer. Nichtsdestotrotz wurden schon im Jahr 2015 Fahrtenbuchungen in der Höhe von elf Milliarden US-$ durchgeführt. Davon kassierte Uber 20 Prozent, was für das Unternehmen einen Umsatz von etwa 2,4 Milliarden US-$ bedeutete. Schon früh hatte man Investoren angelockt, die beträchtliche Summen in das Unternehmen steckten. Dazu zählen Benchmark Capital, Goldman Sachs und Google Ventures sowie First Round Capital, Menlo Ventures und Lowercase Capital. Nach der jüngsten Finanzierungsrunde erreichte Uber eine Bewertung von über 50 Milliarden US-$; bei der davor im Jahr 2014 waren es „nur“ 17 Milliarden US-$ gewesen. Heute hat Uber einen kolportierten Wert von 60 Milliarden US-$. Wer weiss, dass etwa der europäische Flugzeugbauer Airbus gemeinsam mit Uber an einem Modell zum Teilen von Hubschraubern arbeitet, erkennt, wie relevant der Trend ist. Auch Essenslieferungen per Uber – Uber Eats – gibt es bereits.
Bis dato hatten nur kapitalkräftige Investoren am Erfolg von Uber teil. Jetzt heisst es aber auch für Privatinvestoren, die Augen offenzuhalten, denn ein Börsengang könnte schon bald erfolgen: Uber reichte (offenbar vertraulich) Unterlagen ein, um an die Börse zu gehen – just an dem Tag, an dem Rivale Lyft ein Angebot bei der Securities and Exchange Commission eingereicht hatte. Ein Hype wie bei Facebook ist zu erwarten. Damit beschreiten beide Unternehmen den Weg, den vor ihnen bereits Spotify beschritten hat: Der vom schwedischen Start-up-Unternehmen Spotify AB entwickelte Musik-, Hörbuch- und Videostreamingdienst ist mittlerweile in fast 80 Ländern verfügbar und seit April 2018 an der Börse. Zuletzt machte das von Daniel Ek gegründete Unternehmen mehr als vier Milliarden € Umsatz pro Jahr. Der Börsengang von Spotify war allerdings kein IPO im klassischen Sinn, denn es gab dabei keine Aktien zu kaufen.
Das Unternehmen wollte mit der Börsennotiz per Direktkotierung eine Plattform für seine Investoren schaffen, um Spotify-Aktien zu handeln. Es wurde kein neues Kapital aufgenommen. Die spät an Bord gekommenen Start-up-Investoren können aber ihre Darlehen in Aktien tauschen. Experten sehen durchaus auch Nachteile des gewagten Schrittes, der ohne Investmentbanken und teure Gebühren über die Bühne ging, denn als kotierte Gesellschaft wird sich Spotify verändern müssen. Es wird weniger flexibel und übernimmt Zwänge und Vorschriften ohne den Vorteil, neues Kapital beschafft zu haben. Bei der letzten Finanzierungsrunde wurde Spotify laut Financial Times mit 16 Milliarden US-$ bewertet. Analysten schätzen mittlerweile jedoch, dass der Wert des Unternehmens sogar bei bis zu 20 Milliarden US-$ liegen könnte. Zu den Spotify-Geldgebern zählen die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs, der Finanzdienstleister Fidelity Investments, der US-amerikanische Getränkeriese The Coca-Cola Company, Morgan Stanley, Credit Suisse und die Deutsche Bank.
In den ersten sechs Monaten liessen sich mit der Aktie von Etsy gut Geld verdienen. Der Kurs stieg in diesem Zeitraum um rund 70 Prozent.
Auf das Geld hat der Online-Marktplatz Etsy bei seinem Börsengang im Jahr 2015 nicht verzichtet: Die 2005 gegründete E-Commerce-Website für den Kauf und Verkauf von handgemachten Stücken, Vintage-Produkten und Künstlerbedarf mit Hauptsitz in New York holte sich an der US-Technologiebörse Nasdaq satte 267 Millionen US-$. Die Plattform, die selbst keine Produkte verkauft, und ihr Geldgeber hatten 16,7 Millionen Aktien, die pro Stück 16 US-$ kosteten und damit am oberen Ende der angekündigten Preisspanne lagen, an die Börse gebracht. Damit erreicht Etsy einen Marktwert von rund 1,8 Milliarden US-$. Etsy ist seit 2012 als „B-Corporation“ eingetragen und muss daher nicht nur an Gewinn denken, sondern kann auch soziale und ökologische Ziele verfolgen – was „gierige Kapitalisten“ abschrecken könnte. Tut es aber offenbar nicht: Etsy verzeichnete in den letzten Monaten einen Anstieg der Hedgefonds-Stimmung. Seine Aktie befand sich Ende September in 32 Portfolios von Hedgefonds (gegenüber nur 30 am Ende des vorangegangenen Quartals). 29 davon sind „bullish“ für Etsy gestimmt; vielleicht auch wegen der „signifikanten“ Preiserhöhung des Provisionssatzes von fünf Prozent, den Etsy angekündigt hat. Die Aktie jedenfalls stieg 2018 von knapp 14 auf zuletzt 48 US-$. Die weiteren Aussichten sind ebenfalls gut: Die Zahlen von Etsy im dritten Quartal bestätigten ein aussergewöhnlich bullishes übergeordnetes Thema für das Unternehmen, meint zum Beispiel Luke Lango, Aktienhändler, Portfoliomanager und Gründer des in San Diego ansässigen Investmentfonds L & F Capital Management.
Schon vier Jahre vor dem Online-Marktplatz hatte die Plattform für private Ferienhäuser und -wohnungen HomeAway bei ihrem Börsengang 216 Millionen US-$ eingestreift, bei dem nur etwa zehn Prozent der Stammaktien auf den Markt kamen. Nach dem Ertönen der Schlussglocke am ersten Handelstag lag der Gesamtwert des 2005 gegründeten Unternehmens aus Texas bei 3,2 Milliarden US-$ – und der Schlusskurs schöne 34 Prozent über dem Startpreis (27 US-$). Bei Airbnb vermittelte das bis dato keine Lust auf einen IPO. Vielleicht auch, weil HomeAway keine vier Jahre nach seinem Börsengang für 3,9 Milliarden US-$ vom Online-Reisebüro Expedia geschluckt wurde. Airbnb, mittlerweile eine Legende in seiner Heimat Silicon Valley, verdiente 2017 verhältnismässig magere 100 Millionen US-$ (auf Cashflow-Basis) – bei einem Umsatz von 2,6 Milliarden US-$. Das lockt Anleger (noch) nicht aus der Reserve. Doch das Unternehmen wurde zuletzt mit gut 30 Milliarden US-$ bewertet und zählt damit zu den wertvollsten Start-ups weltweit. Das weckt die Begehrlichkeit auf einen IPO, der 2018 angedacht, dann aber vom Rücktritt des CFOs Laurence Tosi gekillt wurde. 2019 könnte es aber wieder spannend werden.
Text: Reinhard Krémer
Illustrationen: Valentin Berger
Dieser Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2018 „Sharing Economy“ erschienen.