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Moderne Kriegsführung ist ein lukratives Geschäftsfeld, doch die Unternehmen agieren in Grauzonen. Ein Schlaglicht auf eine undurchsichtige Branche.
„China und Russland sind keine Bedrohung für die Sicherheit der Amerikaner“, sagt Eric Prince, „sondern Instabilität und Zufluchtsorte, an denen sich Psychopathen gruppieren und fortpflanzen können.“ Erik Prince ist ein überraschend gesprächiger Vertreter seiner Branche. Denn so offen wie der Gründer des Militärdienstleisters Blackwater sind private Militärunternehmer in unseren Breitengraden nicht. Unsere Recherchen stiessen vor allem auf Schweigen. Mögliche Interviewpartner sind vorsichtig, erwarten bei Auskunft gar „potenzielle Missgunst aus der Branche“.
Prince selbst verdiente während des Irakkrieges gutes Geld. Als dann 2007 bekannt wurde, dass vier Angestellte von Blackwater mehr als ein Dutzend irakische Zivilisten erschossen hatten, rettete auch eine Umbenennung in Xe Services das Image seines Unternehmens nicht mehr. Sowohl die irakische Regierung als auch die US-Regierung unter Barack Obama wollten vom ehemaligen Elitesoldaten der Navy Seals und seiner „Söldneragentur“ nichts mehr wissen.
Also verkaufte Prince Blackwater für über 100 Millionen US-$ an die Private-Equite-Gesellschaften Forte Capital Advisors und Manhattan Growth Partners. 2014 wurde der Konzern unter dem Namen Academi mit dem Konkurrenten Triple Canopy fusioniert und dann mit sechs weiteren Militärdienstleistern unter dem Dach Constellis Holdings zusammengefasst. Mit rund 20.000 Mitarbeitern und Standorten in mindestens 20 Ländern zählt Constellis zu den grössten Militärunternehmen der Welt. Bewaffnete Transporte und militärische Trainings gehören ebenso zu den Geschäftsfeldern wie biometrische Analysen, Logistikservices und Backgroundchecks. Der Jahresumsatz beläuft sich auf knapp zwei Milliarden US-$. 2016 wurde das Unternehmen um eine Milliarde US-$ vom Finanzriesen Apollo Global Management gekauft.
Doch Constellis ist bei Weitem nicht der einzige Akteur am Markt für private Militärunternehmen, der heute auf rund 200 Milliarden US-$ geschätzt wird. Bis 2020 soll das Geschäft um zehn Prozent auf 220 Milliarden US-$ wachsen. Als Weltmarktführer gilt der internationale Konzern G4S mit einem jährlichen Umsatz von rund 7,8 Milliarden £ (8,9 Milliarden €). Mit über 600.000 Mitarbeitern ist das Sicherheitsunternehmen aus Grossbritannien hinter dem Einzelhandelskonzern Walmart heute der zweitgrösste private Arbeitgeber der Welt. G4S ist zu neunzig Prozent in Geschäftsfeldern tätig, die allenfalls mit polizeilichen Aufgaben in Berührung kommen, aber keine militärische Relevanz haben. Zum Kerngeschäft zählen eigentlich Sicherheitsdienstleistungen für das Bankenwesen, Flughäfen und Gefängnisse. 2008 schluckte der Konzern jedoch den britischen Militärdienstleister ArmorGroup und spielt nun auch in Konfliktgebieten eine wichtige Rolle.
Als private Militärunternehmen gelten Unternehmen, die professionelle Leistungen in einem direkten Zusammenhang mit Kriegsführung anbieten. Dazu zählen Bereiche wie Informationsbeschaffung, Ausbildung, taktische Kampfhandlungen, operative Unterstützung und technische Dienste. Der „Söldner Incorporated“, der als Angestellter eines gewinnorientierten Unternehmens in den Kampf zieht, ist da nur ein kleiner Aspekt. Der Grossteil des Geschäfts wird mit Dienstleistungen abseits des Schlachtfelds gemacht – in Afghanistan sogar mit der Reinigung von Wäsche.
Die Mehrheit privater Militärunternehmen stammt aus dem Dunstkreis der Rüstungsindustrie und ist auf die Entwicklung, Wartung und Bedienung moderner Waffensysteme spezialisiert. „Der heutige Stand der Kriegstechnik erfordert Leistungen, die das Militär oft nicht selbst vollbringen kann, da die nötigen Kompetenzen fehlen“, erklärt der Politikwissenschafter Gregor Giersch, der 2003 eine der ersten deutschsprachigen Arbeiten zu diesem Thema verfasste. So lagert etwa die US Air Force ihren unbemannten Flugbetrieb in Irak, Afghanistan und Syrien zum Teil an Drohnenhersteller wie Aviation Unmanned oder General Atomics aus.
Militärische Aufgaben an gewinnorientierte Akteure auszulagern, ist im Westen nichts Neues: Die britische Krone verlieh bereits im 17. Jahrhundert der privaten East India Company das Recht auf Militärgewalt, um koloniale Interessen in Indien durchzusetzen. Militärdienstleister in ihrer modernen Form spielten aber erstmals während des Zweiten Weltkrieges eine grössere Rolle. Als „Tech Reps“ bestand ihre Hauptaufgabe darin, die US-Streitkräfte bei der Instandhaltung und Anwendung ihres technologisch immer komplexer werdenden Equipments zu unterstützen – auch an der Front. Aufwendige Aufgaben wie Brauprojekte, Treibstoffversorgung und die Verwaltung von Militärbasen übernahmen private Dienstleister erstmals während der Kriege in Korea und in Vietnam.
In ihrer heutigen Gestalt traten private Militärunternehmen nach Ende des Kalten Krieges in Erscheinung. „Die Implosion der Sowjetunion und die Kürzungen der Verteidigungsausgaben in fast allen westlichen Staaten erzeugten eine Dynamik, in deren Folge sich ein internationales Machtvakuum entwickelte“, so Giersch. So sank der deutsche Verteidigungsetat zwischen 1990 und 1997 um fast ein Drittel von 66,9 auf 46,9 Milliarden US-$. Um Risiken zu minimieren, zogen sich westliche Mächte aus Krisenregionen zurück. Das resultierende Überangebot an Ressourcen und Personal trieb die Preise nach unten, private Akteure erhielten leichten Zugang zu militärischen Kapazitäten.
In den 1990er-Jahren wurde diese Entwicklung am Balkan deutlich, als das kroatische Verteidigungsministerium die US-Regierung um militärische Hilfe bat. Die USA wollten das aufgrund eines Waffenembargos der Vereinten Nationen bestehende politische Risiko nicht eingehen und empfahlen Kroatien, den Militärdienstleister Military Professional Resources Incorporated (MPRI) zu engagieren. MPRI wurde 1987 von ehemaligen US-Offizieren gegründet und hatte Dutzende ehemalige Generäle sowie rund 10.000 Ex-Soldaten unter Vertrag, die neben der kroatischen Armee auch Streitkräften in Bosnien, Kuwait, Irak und mehreren afrikanischen Ländern assistierten. 2000 wurde das Unternehmen für 40 Millionen US-$ an den auf Informationstechnologie spezialisierten Militärdienstleister L-3 Communications verkauft. Der grosse Boom kam jedoch mit den Kriegen in Afghanistan und in Irak. Unternehmen wie Blackwater und ArmorGroup lockten scharenweise Rekruten an. Während ein Angehöriger des US-Militärs je nach Dienstgrad zwischen 100 und 500 US-$ pro Tag verdiente, waren es bei privat angestellten Soldaten bis zu 1.200 US-$. In Afghanistan machten private Auftragnehmer zeitweise rund 70 Prozent der amerikanischen Militärpräsenz aus.
In seinem Buch „Corporate Warriors, The Rise of the Privatized Military Industry“ vergleicht der US-Militärhistoriker Peter W. Singer die heutige Situation mit jener der East India Company: „So eine Abhängigkeit von den Diensten privater Soldaten, um militärische Erfolge zu erzielen, gab es seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr.“ Mit neuen Akteuren und technologischem Fortschritt wandelt sich die Gestalt des Krieges: Nur sieben der 118 bewaffneten Konflikte zwischen 1989 und 2004 waren Kriege zwischen anerkannten Staaten; seitdem gab es keinen einzigen mehr. Die Aktivitäten privater Militärunternehmen, so Singer, markieren die „zukünftigen Fronten des Krieges“.
Obwohl man die Kampfeinsätze am Hindukusch vor vier Jahren offiziell beendete, sind auf Geheiss von US-Präsident Donald Trump nun wieder geschätzte 15.000 Truppen des US-Militärs in Afghanistan stationiert. Prince will sie zu 85 Prozent mit privaten Dienstleistern ersetzen. „Eine East-India-Company-Strategie wäre eine billigere, private Lösung“, schrieb er in einem Gastkommentar im Wall Street Journal. Statt der 45 Milliarden US-$, die der Einsatz des Militärs alleine 2018 verschlingt, würde sein Plan in der Umsetzung jährlich nur zehn Milliarden US-$ an öffentlichen Geldern kosten. Im Dezember durfte der militante Tycoon seine Strategie im Weissen Haus präsentieren. Trump habe diese laut Prince „sehr gut gefallen“. Dass seine Kritiker ihn einen Neokolonialisten und Kriegsverbrecher nennen, nimmt er gelassen: „Jedes Säugetier braucht Parasiten.“
Text: Florian Peschl
Artikel ist in unserer Juli-Ausgabe 2018 „Wettbewerb“ erschienen.