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Das Motorsportjahr 2019 steht unter dem Stern der Veränderung. Auch Gründer Manfred Stohl steckt mitten in der Antriebs-Transformation und gibt der Zukunft des Motorsportes einen Namen: Elektrifizierung.
Die Motoren dröhnen zwar nicht mehr, leise ist das Fahrzeug aber dennoch nicht. Mit quietschender Beschleunigung driftet das Rallyeauto um die Kurven, einen Unterschied zu echten Vehikeln sehen nur Experten. Doch vorhanden ist er durchaus: Denn das Auto ist vollelektrisch. Der Motorsport gilt als eine Plattform für Innovation der Mobilität, so schon das Statement beim 37. Internationalen Wiener Motorensymposium. Der nun stattfindende Umbruch hin zu elektrischen Antrieben ist da keine Ausnahme. Mittendrin: Die Österreichische Stohl Group. Mit ihrer Forschungs- und Entwicklungs (F&E)- Abteilung STARD (Stohl Advanced Research and Development) hat die Unternehmensgruppe einen massgeblichen Fokus auf spezifische Electric Vehicle (EV)-Technologien im Motorsport gesetzt. Am 15. Mai 2019 präsentierte die Gruppe mit Hauptsitz in Gross-Enzersdorf das wohl bisher grösste Unterfangen in der Unternehmensgeschichte: Das Fahrzeugportfolio „REVelution“.
Einer der Hauptakteure hinter dieser Erfolgsgeschichte ist Manfred Stohl, Gründer der Stohl Group und ein Visionär der Motorsportentwicklung. Als Sohn der Rallyelegende Rudi Stohl ist er mit dem Rennsport aufgewachsen. Während er zunächst begeistert von der Geschwindigkeit und dem sportlichen Erfolg des Rallyecross war, sollte sein unternehmerisches Interesse später der technischen Vielfalt der Fahrzeuge und dem hohen Potenzial des Sektors die Entwicklung von STARD prägen.
Aus dem Cockpit in die Gründung
Das Schöne am Motorsport, so Stohl, sei es, „am Auto zu arbeiten und ein Konzept von Grund auf durch die eigenen Vorstellungen zu gestalten.“ Eine Vision, die auch die anfänglichen Entwicklungen der Stohl Group prägte: Bald feierte Stohl die ersten Erfolge mit den von ihm gebauten Rennboliden und bekam daraufhin viele Anfragen, solche Wagen auch für andere zu produzieren. So entschied er sich, 2002 sein Unternehmen zu gründen – vorerst rein auf den Motorsport ausgerichtet. Stohl erkannte früh den starken Zusammenhang zwischen Motorsport und Forschung und entwickelte die Stohl Group zu einem forschenden Unternehmen alternativer Antriebstechnologien wie Erdgas, Wasserstoff oder Elektro.
Mit dem überraschenden Launch des ersten vollständig elektrisch angetriebenen Rallyecross-Rennwagens 2016 (der den Codename HYPER erhielt), konnte STARD schnell Renn-Events gewinnen, womit der Hersteller auch die ersten Pläne der FIA (Fédération Internationale de l´Automobile) für das Electric World Rallyecross beeinflusste. Durch die gegenwärtige Kooperation mit der FIA wird zudem eine Grundlage für eine internationale Zusammenarbeit geschaffen.
Diesen Mai folgte dann für STARD ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte: Der Launch ihres Portfolios “REVelution”. Das Portfolio setzt sich aus leistbaren und massgeschneiderten EV-Systemen und Technologien zusammen. Besonders rage dabei ihr Batteriepaket hervor, ergänzt durch Software für Motorsteuergerät und Umrichter, so Stohl. Dabei seien es nicht die einzelnen Fahrzeuge und Bauelemente des Portfolios, sondern das grosse Ganze, das Gesamtkonzept, das die “REVelution” ausmacht: Eine Technologie, die Nachhaltigkeit ins Zentrum stellt und so eine neue Ära des Motorsportes einleiten will.
Für das Jahr 2020 stelle sich die Gruppe als offizieller Supplier für das “Project E” der Sportmarketingagentur IMG (International Management Group) vor. “Project E” - das ist die Vision ein vollelektrisches Rallycross Fahrzeug für die World Rallycross Championship 2020 zu konstruieren. Ein mutiges Unterfangen, dem sich Manfred Stohl und sein Team enthusiastisch annehmen: STARD wird insbesondere die Antriebstechnologie für das Projekt bereitstellen. Damit werden 2020 zum ersten Mal neben den traditionellen Fahrzeugen auch elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu den FIA RallyCross Championship Weekends eingeführt. Als Teil des Projektes wurde bereits der Demonstrationswagen Ford Fiesta ELECTRX vorgestellt - und dieser hat es in sich! Zu Beginn der Elektrifizierung äusserten noch viele Stimmen Kritik an der “grünen Alternative” zu Verbrennungsmotoren. Kürzere Batterielaufzeiten erforderten häufigere Boxenstopps für einen Fahrzeugwechsel und der Rennsport ohne Benzin und röhrende Motoren wurde als entmannt wahrgenommen. So nicht mehr heute: Willkommen im Zeitalter des “Project E”, wo ein vollelektrisch angetriebener Rennwagen mit 612 PS und einem Top Speed von 240 km/h so manches traditionelle Rennfahrzeug erbleichen lässt. Ein Grund dafür ist besagtes “EV motorsport powertrain kit”, das spezifische elektrische Antriebssystem des “REVelution” Portfolios , welches im Ford Fiesta ELECTRX erstmals verwendet wird.
Langfristig von Benzin im Blut zu Strom in den Adern?
Mit den Neuerungen 2019 steht das österreichische Unternehmen in einer Hochphase der Forschung und kann schon heute in einer Schlüsselrolle für die weitere Elektrifizierung des Motorsportes antizipiert werden. Wie schon zu Beginn der Stohl Group steht auch für die kommenden Jahre die Weiterentwicklung der Technologie im Vordergrund: Während der Jahresumsatz 2018 laut Aussage von Manfred Stohl stabil bei rund drei Millionen € gehalten werden soll, ist es die technische Weiterentwicklung als Selbstzweck, die weiterhin forciert wird. “Unser Ziel” meint Stohl “ist es, die entwickelten Produkte bestmöglich zu liefern und zu optimieren.” Die Passion zum Vorantreiben der technischen Grundlage des Sportes scheint bis heute nicht abgeklungen zu sein und beeinflusst weiterhin die Entwicklung des Unternehmens. In den kommenden Jahren sollen weitere technische Meilensteine gelegt werden, etwa durch die Optimierung von Batterielaufzeiten zur Verbesserung des Gesamtkonzepts des Batteriepakets. Der Fokus soll auch zukünftig darauf liegen, die Waage zwischen Kosteneffizienz und Nutzerfreundlichkeit ihrer Systeme zu halten und dabei mit Peak Performances ehemaliger WR Rallycross Fahrzeuge mitzuhalten.
Ob in den nächsten Jahren das elegante Surren des Elektromotors das Dröhnen der Verbrennungsmotoren übertönen wird, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Gewiss ist jedoch, Elektromotoren haben die Zeit auf ihrer Seite. Denn die Preise für Lithium-Ionen-Batterien, wie sie etwa bei Rennfahrzeugen zum Einsatz kommen, sanken laut Prognose der Unternehmensberatung Horváth & Partners zwischen 2013 und 2020 um 70 %. Zugleich ist jedoch die Nachfrage nach den Batterien laut Roland Berger und IHS Global Insights zwischen 2017 und 2030 um den Faktor 20 angestiegen. Was die konkreten technischen Entwicklungen der kommenden Jahre sein werden, bleibt noch offen. Sicher ist sich Manfred Stohl nur, was seine Vision der Antriebstechnologien der Zukunft ist: „Ich denke, dass wir es in zehn Jahren schaffen werden, die Elektromobilität so kostengünstig in der Anschaffung und sinnvoll in der Reichweite umzusetzen, dass sie keine Alternative mehr ist – sondern die erste Wahl.“
Text: Anika Bergmann, Anton Wohlgemuth, Gudrun Zechner (icons – consulting by students)
Fotos: beigestellt, STARD