Steven Bartlett: Der Outsider, der Podcast neu erfand

Montagmorgen in Shoreditch. Steven Bartlett lehnt sich in seinem minimalistischen Studio zurück, bereit für den nächsten Coup. Vor ihm: zwei Gäste, zwei Mikrofone, ein hitziges Thema. Hinter ihm: ein Datenimperium, das keinen Klick dem Zufall überlässt.

The Diary of a CEO ist längst mehr als nur ein Podcast. Es ist ein durchoptimiertes Medienprodukt, das wie aus dem Silicon Valley wirkt – nur dass es aus dem Osten Londons kommt. Mehr als 1 Mrd. Streams, 50 Mio. Hörer allein im Dezember, Gäste wie MrBeast, Trevor Noah und Mo Gawdat. Wer heute noch glaubt, ein guter Talk reicht aus, hat Steven Bartlett nicht zugehört.

Sein Erfolgsrezept? Algorithmen statt Bauchgefühl. Titelzeilen in Grossbuchstaben. Thumbnails mit exakt kalibriertem Gesichtsausdruck. Und eine Armee freiwilliger Testseher, deren Aufmerksamkeit vor der Veröffentlichung minutiös vermessen wird. Pre-Watch heisst das System. Ein Klick auf die Leertaste: Interesse. Ein abgewandter Blick: Alarm.

Bartlett, 32, spricht von der Zukunft – und meint sich selbst. Während Podcast-Stars wie Joe Rogan (250 Mio. US-$ bei Spotify) oder Alex Cooper (125 Mio. US-$ bei SiriusXM) exklusive Deals unterschreiben, bleibt er unabhängig. Nicht weil er muss, sondern weil er es besser kann, sagt er. Die grossen Netzwerke? Vergangenheit. Bartlett? Bulldozerfahrer.

2017 gestartet als Nebenprojekt, war The Diary of a CEO anfangs kaum sichtbar. Keine Reichweite, kein Promi-Faktor, dafür eine Besessenheit für Details. Wie wichtig diese ist, zeigte sich erst später – bei der legendären Folge mit Mo Gawdat. Apple kürte sie zur meistgeteilten Episode des Jahres. Bartletts Fazit: Es geht nicht um Fame, es geht um Wert.

Aufgewachsen als Sohn einer nigerianischen Mutter und eines britischen Vaters in der englischen Provinz, kennt Bartlett das Gefühl des Aussenseiters. In der Schule: der „andere“. In der Familie: der, der weniger glänzt. Der Drang, etwas Grosses zu schaffen? Kommt von tief innen. „Ob ich getrieben wurde oder gezogen – das lässt sich heute kaum mehr trennen“, sagt er.

Nach einem kurzen Abstecher an die Uni gründete er Wallpark, dann Social Chain. Mit Letzterem wurde er Millionär, Forbes-Listenkandidat und Vorstand eines 200 Mio. US-$ Unternehmens. 2020 stieg er aus – zu wenig Kontrolle, zu wenig Innovation. Stattdessen: Podcasts, Kameras, Klickzahlen.

Heute betreibt Bartlett das Medienhaus Flight Story, produziert mehrere Formate, skaliert Hosts zu Marken – mit Büchern, Vorträgen, Produkten. Der jüngste Coup: ein KI-generierter Podcast mit seiner eigenen Stimme. 60 % der Hörer bleiben bis zum Schluss. Dass es nicht echt ist? Wissen sie. Stört sie nicht.

Bartlett selbst ist inzwischen in L.A. angekommen, plant eine New Yorker Dependance. Nicht, weil er muss. Sondern weil er weiss: Der Bulldozer rollt weiter. Und er will am Steuer sitzen.

Text:  Alexandra York
Foto: Wikimedia Commons

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