„Sinners“ sprengt alle Erwartungen: Cooglers Vampir-Oper wird zum Kinowunder

Ein Film, der nicht nur Geld, sondern Gesprächsstoff bringt. Ryan Cooglers „Sinners“ hat sich binnen weniger Wochen von einer ambitionierten Genre-Produktion zum meistdiskutierten Originalfilm des Jahres entwickelt – und darüber hinaus. Horror trifft auf Musik, Vergangenheit auf Zeitgeist. Was auf dem Papier riskant klang, entfaltete auf der Leinwand eine Wucht, wie man sie im gegenwärtigen Kino nur selten erlebt.

Bereits am vierten Wochenende überschreitet „Sinners“ die Marke von 200 Mio. US-$ in Nordamerika – ein Meilenstein, den kein Originalfilm seit Pixars „Coco“ 2017 mehr erreicht hat. Inzwischen belaufen sich die Einnahmen auf geschätzte 216 Mio. US-$ in den USA und Kanada. Global kratzt das Werk an der 300-Millionen-Grenze, aktuell bei 284,7 Mio. US-$. Und das, obwohl der Film seine IMAX-Plätze an Marvels „Thunderbolts“ abgeben musste. Wo viele Produktionen in der vierten Woche bereits müde wirken, zieht „Sinners“ noch einmal 23 Mio. US-$ – eine Zahl, mit der die meisten Horrorfilme nicht einmal eröffnen.

Produziert wurde auf hohem Niveau: 90 bis 100 Mio. US-$ flossen in Ausstattung, Dreharbeiten auf 70mm, sowie in ein präzise durchkomponiertes Sounddesign. Gedreht wurde in Louisiana, inmitten schwüler Südstaatenlandschaften, die den Film atmosphärisch tief im Delta des 20. Jahrhunderts verwurzeln. Das Szenenbild? Kein Dekor, sondern lebendige Geschichte.

Im Zentrum dieser finsteren Oper: Michael B. Jordan. In der Doppelrolle der Zwillingsbrüder Smoke und Stack brilliert er in einer Performance, die sowohl physisch als auch emotional extreme Bandbreiten abdeckt. Die Verbindung zu Ryan Coogler – nach „Fruitvale Station“, „Creed“ und „Black Panther“ – trägt Früchte. Jordan ist hier nicht nur Star, sondern Charakterdarsteller, nicht bloss Zugpferd, sondern Ausdrucksträger. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen zu seinem Honorar, doch Branchenkreise gehen von einer Beteiligung im zweistelligen Millionenbereich aus – und darüber hinaus von einem messbaren Karriereschub.

Denn Jordan zeigt sich wandelbar. Der Erfolg von „Sinners“ stärkt sein Profil enorm. Für 2025 und darüber hinaus ist er bereits für mehrere Grossproduktionen gesetzt, darunter „The Thomas Crown Affair“ und das lang erwartete „I Am Legend 2“. Er hat sich endgültig vom Franchiseschatten befreit – und könnte sich langfristig als tragende Figur eines neuen, mutigeren Hollywood etablieren.

„Sinners“ selbst wirkt indes wie ein Monolith im Kinoprogramm dieses Jahres: weder Fortsetzung noch Reboot, kein Markenprodukt, sondern originärer Stoff, getragen von Vision und Handwerk. Kritiker loben die dichte Atmosphäre, den erzählerischen Rhythmus, den Mut zur Langsamkeit – und die musikalische Wucht, die sich zwischen Blues-Tradition und sakralem Chor entfaltet. Der Soundtrack hat bereits eigene Kreise gezogen, Bluesgrössen erfahren eine Renaissance, und in US-Städten formieren sich erste Live-Aufführungen des Scores.

Dass ein solcher Film in Zeiten dominierender Superhelden- und Animationsserien so durchstartet, ist kein Zufall, sondern ein Zeichen. Coogler trifft einen Nerv. Der Film spricht ein Bedürfnis nach Tiefe, Stil und Originalität an, das im Hochglanz-Mainstream oft verloren geht. Er erzählt vom Schmerz der Geschichte, der Verführung der Nacht, der Suche nach Erlösung – und das alles in blutgetränkter Schönheit.

Die Frage nach einer Fortsetzung steht im Raum. Noch gibt es keine konkreten Pläne. Doch Coogler, derzeit mit einem „X-Files“-Reboot beschäftigt, lässt die Tür offen. Jack O’Connell, der als Vampir Remmick eine zentrale Rolle spielt, äusserte öffentlich, dass er seine Figur gerne wieder verkörpern würde. Die Welt, die „Sinners“ geschaffen hat, sei zu reich, um sie nach zwei Stunden einfach hinter sich zu lassen. Auch beim Publikum ist der Wunsch nach mehr deutlich spürbar.

Was bleibt, ist ein Film, der Erwartungen sprengt – kommerziell wie künstlerisch. „Sinners“ ist mehr als ein Kassenschlager. Es ist ein Statement. Und es ist ein Versprechen: Dass Kino, wenn es will, noch immer alles sein kann. Bühne, Spiegel, Traum – und manchmal: ein dunkles, wunderschönes Lied.

Foto: Wikimedia Commons

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