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Sie war die erste Teamchefin in der Formel 1, heute leitet Monisha Kaltenborn ein erfolgreiches Simracing-Unternehmen, das Rennsimulatoren entwickelt und vertreibt. Mit ihrem Wissen aus der Zeit auf der realen Rennstrecke will sie nun die E-Sports-Welt prägen.
Die einst mächtigste Frau der Formel 1 ist selbst noch nie in einem Rennwagen gesessen. Das überlässt sie lieber anderen – sie habe zu viel Respekt davor, sagt sie. Denn Monisha Kaltenborn lebt für die Technik hinter den Autos – obwohl sie keinen technischen Hintergrund hat.
Als sie acht Jahre alt war, wanderten ihre Eltern von Indien nach Österreich aus. Damals schon von Neugier getrieben wollte Kaltenborn den Mond entdecken. Österreich bot damals im Bereich der Raumfahrt jedoch wenig Chancen, also blieb das ein Kindheitstraum. Kaltenborn studierte schliesslich Rechtswissenschaften an der Universität Wien sowie an der London School of Economics (LSE), bevor sie als Juristin in Deutschland, Österreich und Liechtenstein tätig wurde. Im Jahr 2000 kam sie erstmals in Berührung mit der Welt des Rennsports: Sie kam in die Rechtsabteilung der Sauber AG, wo sie sich um die Rechts- und Unternehmensangelegenheiten des Formel-1-Teams Red Bull-Sauber kümmerte. 2010 bot man ihr schliesslich die Rolle als Geschäftsführerin an, 2011 übernahm Kaltenborn ein Drittel der Anteile der Sauber AG und im Folgejahr (2012) wurde sie Teamchefin. Sie war – bis heute – die erste Frau in dieser Position.
„Ich bin froh, dass ich damals diese Möglichkeit bekam. Ich kann heute mit sehr gutem Gewissen sagen, dass ich meine Aufgabe in den letzten Jahren bei Sauber – nämlich dafür zu sorgen, dass das Team eine Zukunft hat – gut erfüllt habe“, sagt Kaltenborn. 2017 verliess sie das Team nach einem langen Kampf um die finanzielle wie auch sportliche Zukunft des Rennstalls. Im Jahr zuvor hatte bereits die Schweizer Investmentfirma Longbow Sauber zur Gänze übernommen. Man habe sich aufgrund von „unterschiedlichen Sichtweisen über die Zukunft des Rennstalls“ getrennt. „Ich habe dem Team eine gewisse Stabilität gegeben, die ist heute noch da. Ich glaube, sonst würde es das Team jetzt nicht mehr geben, und es würde auch nicht wieder ein Formel-1-Team in der Schweiz existieren“, so Kaltenborn rückblickend.
„Wir sind inmitten einer digitalen Wende, auch im Motorsport. Simracing (Simulated Racing, Anm.) ist ein weltweit boomender Markt, der komplementär zur realen Rennwelt existiert und immer mehr Aufmerksamkeit erlangt.“
Heute setzt die in der Schweiz lebende Österreicherin ganz auf E-Sports. Der Markt boomt: Weltweit dürfte mit E-Sports laut Statista im Jahr 2021 rund eine Milliarde US-$ Umsatz generiert werden. Seit 2019 ist Kaltenborn CEO von Racing Unleashed, einem Schweizer E-Sports-Unternehmen, das Rennsimulatoren entwickelt, vertreibt und in Lounges der Öffentlichkeit anbietet. Neben dem Franchisemodell dieser Rennlounges (als Events und Trainingsort) baut das Unternehmen E-Ligen auf und verkauft die Technologie und Rennsimulatoren an Drittparteien.
„Wir sind inmitten einer digitalen Wende, auch im Motorsport. Simracing (Simulated Racing, Anm.) ist ein weltweit boomender Markt, der komplementär zur realen Rennwelt existiert und immer mehr Aufmerksamkeit erlangt“, sagt Kaltenborn. Durch ihre jahrelange Erfahrung auf der realen Strecke bringt sie viele Fähigkeiten mit, die der virtuellen Welt fehlen: „Ich habe in allem, was ich gemacht habe, immer eine Herausforderung gebraucht – die sah ich nun hier im E-Sports. Es ist eine ganz neue Welt, die auch die Zukunft ist“, so die Managerin.
Die Vorteile des Simracings sind unbestritten: „Risikofrei, nachhaltig, jung, erschwinglich und emotional“, erklärt Kaltenborn und fügt hinzu: „Bei uns können Fahrer mit 300 km/h gegen die Wand rasen und es passiert nichts.“ Auch die Frage der Kosten spielt eine wichtige Rolle: Racing Unleashed soll ein erschwingliches Modell bieten, das es allen Interessenten ermöglicht, User, Fahrer und/oder Kunde zu sein. Kaltenborn: „Eine Kartsaison kostet einen sechsstelligen Betrag im Jahr, ganz zu schweigen von den Millioneninvestments in die Teams der Formel 1. Das können sich die meisten Menschen einfach nicht leisten. Wir bieten einen effizienten und kostengünstigen Weg, um in den Motorsport zu kommen.“ Gleichzeitig sind die Onlinerennen offen für jeden. Alles, was man dazu braucht, ist ein PC oder ein Simulator. Kaltenborns Ziel, den Rennsport zu demokratisieren, wird damit schrittweise greifbar.
Monisha Kaltenborn
...ist eine erfahrene Rennsportexpertin. Bevor sie 2019 die Geschäftsführung des Simracing-Start-ups Racing Unleashed übernahm, war sie Teamchefin und CEO der Sauber AG – damit war sie die erste Teamchefin eines Formel-1-Rennstalls.
Seit sie 2019 die Geschäftsführung von Racing Unleashed übernahm, hat sich viel getan. Das Unternehmen mit Sitz in Cham (Schweiz) hat Lounge-Standorte in Spanien, München und Zürich in Betrieb genommen. In den zwei E-Sports-Ligen, die von Kaltenborn und ihrem Team – aktuell sind es 53 Mitarbeiter – gegründet und aufgebaut wurden, können sich die Besten der Welt virtuell messen. Aktuell denkt Kaltenborn schon intensiv an die nächste League: „Für Anfang des nächsten Jahres plane ich, eine gesonderte Superchallenge zu machen, bei der wir international dazu aufrufen, online anzutreten. Mit einem sehr, sehr attraktiven Preisgeld in Aussicht laden wir im Anschluss die Besten ein, gegeneinander anzutreten.“ Die Coronapandemie drückte jedoch auch die Entwicklung von Racing Unleashed, denn die Lounge-Standorte mussten geschlossen bleiben. Kaltenborn nutzte die Zeit, um Know-how im Bereich Engineering aufzubauen, das nun von anderen Unternehmen – insbesondere Simulatorenherstellern – genutzt wird. In diesem Feld erwartet Racing Unleashed im Lauf des Jahres einen Umsatz im höheren sechsstelligen Bereich.
Die Medien feiern Monisha Kaltenborn als Powerfrau – Kaltenborns persönliche Powerfrau ist hingegen Maria Theresia: „Was sie alles geleistet hat, ist sehr eindrücklich.“ Die Rennsportexpertin betont immer wieder, dass es wichtig sei, Frauen und Männer anhand ihrer Leistung gleich zu bewerten. „Mir ist oft passiert, dass ich mit unnötig harten Massstäben gemessen wurde. Ich musste viel, viel mehr machen, um die gleiche Anerkennung zu kriegen, wenn überhaupt.“ Das müsse sich ändern, sagt Kaltenborn.
Als der internationale Motorsportverband FIA 2009 die Women in Motorsport Commission gründete, war Kaltenborn Gründungsmitglied: „Zu dem Zeitpunkt gab es nicht viele, die Frauen im Motorsport unterstützt haben, doch ich würde mich definitiv zu jenen zählen, die dies immer tatkräftig getan haben.“ Doch anders als erwartet hat sich die Ausgangslage für Frauen im Motorsport seit der ersten Weltmeisterschaft 1950 kaum verändert: Lediglich fünf Fahrerinnen haben es in den 71 Jahren der Formel 1 geschafft, an einem Grand Prix teilzunehmen – nur zwei haben sich jemals für ein Rennen qualifiziert. Kaltenborn: „Auch Simracing ist immer noch ein sehr männerdominiertes Umfeld. Aber ich hoffe eben, dass wir klein beginnend – mit unseren Lounges beispielsweise – auch mehr Frauen anziehen.“
Text: Naila Baldwin
Foto: Racing Unleashed
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.