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Saudi-Arabien befindet sich auf einem beispiellosen wirtschaftlichen Transformationstrip. Mit dem ambitionierten „Vision 2030“-Plan will das Königreich nicht nur seine Abhängigkeit vom Öl verringern, sondern auch zu einem globalen Zentrum für Technologie, Tourismus und Industrie werden.
Doch hinter diesen ehrgeizigen Zielen steckt ein enormer finanzieller Aufwand – und das Risiko, Milliardensummen zu verlieren. Auf dem Spiel steht nicht nur das Vermögen des Landes, sondern auch die Zukunft seiner wirtschaftlichen Ausrichtung.
Der saudische Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) spielt eine Schlüsselrolle in dieser gigantischen Umstrukturierung. Mit einem Vermögen von rund 620 Mrd. US-$ gehört er zu den grössten Fonds weltweit. In den vergangenen Jahren hat der PIF massiv in europäische Unternehmen investiert. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2023 flossen 1,3 Mrd. US-$ in Aktien von grossen europäischen Unternehmen, darunter auch in die Bereiche Telekommunikation, Energie und Finanzdienstleistungen. Diese Investitionen sind ein klarer Hinweis darauf, dass Saudi-Arabien seine wirtschaftlichen Strukturen breiter aufstellen will. Doch der Fonds geht noch weiter: Der PIF investiert auch in innovative Tech-Startups und Venture-Capital-Projekte. Im Jahr 2022 wurden mehr als 3 Mrd. US-$ in rund 40 verschiedene VC-Fonds gesteckt, darunter in prominente Namen wie Andreessen Horowitz, Khosla Ventures und Coatue.
Ein weiteres zentrales Projekt ist die Schaffung von Neom – eine futuristische Megastadt in der Wüste, die mit einem Budget von 500 Mrd. US-$ realisiert werden soll. Dieses ambitionierte Vorhaben soll nicht nur Saudi-Arabiens Technologiemarkt revolutionieren, sondern das Land zu einem globalen Zentrum für nachhaltige Entwicklung und Innovation machen. Doch auch hier steht auf der anderen Seite ein gewaltiges finanzielles Risiko. Sollte das Projekt scheitern, würde Saudi-Arabien nicht nur Millionen, sondern Milliarden verlieren.
Neben Neom sind es vor allem neue Gesetze, die den saudischen Markt umkrempeln. Ab 2021 wurden internationale Unternehmen gezwungen, ihren regionalen Hauptsitz nach Saudi-Arabien zu verlegen, wenn sie weiterhin öffentliche Aufträge erhalten wollten. Diese Strategie zahlt sich aus: Konzerne wie SAP und PepsiCo haben bereits ihre Niederlassungen in das Königreich verlegt. Doch hinter diesen Veränderungen steckt auch die Gefahr, dass internationale Unternehmen das Land meiden, sollte sich die politische oder wirtschaftliche Lage ungünstig entwickeln. Auch hier könnte das saudische Königreich Milliarden verlieren.
Mit diesen Investitionen geht jedoch ein erheblicher Verlust von Umsatz und Vermögen einher. Wenn man bedenkt, dass die wirtschaftliche Diversifikation von Saudi-Arabien ein gewaltiges Kapital erfordert, ist der PIF nicht nur ein Risiko, sondern auch eine gigantische Wette auf die Zukunft. Die Frage bleibt: Wie lange kann Saudi-Arabien auf Öl und fossile Brennstoffe verzichten, bevor es auf den zukünftigen Umsätzen der neuen Wirtschaftswelt realisieren muss? Und wie viel des bestehenden Vermögens kann sich das Königreich leisten zu riskieren, ohne die Stabilität des gesamten Landes aufs Spiel zu setzen?
Saudi-Arabien hofft, dass die Investitionen langfristig Früchte tragen werden. Doch die Risiken sind immens. Denn der PIF setzt nicht nur auf kurzfristige Gewinne, sondern auf eine wirtschaftliche Umstrukturierung, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Die Wetten auf den Erfolg von Neom, den Ausbau der Tech-Industrie und die verstärkten internationalen Partnerschaften stehen unter dem Zeichen grosser finanzieller Unsicherheit.
Der Umschwung ist gewaltig, aber er ist auch mit einem gewaltigen Risiko verbunden. Die Frage bleibt: Kann Saudi-Arabien diese Umstellung in der geplanten Form und im vorgesehenen Zeitrahmen wirklich schaffen, ohne seine wirtschaftliche Grundlage zu gefährden?
Text: Mary Whitfill Roeloffs
Foto: ekrem osmanoglu