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Saskia Bruysten sagt den sozialen Herausforderungen auf der Welt den Kampf an. Um Lösungen zu finden, gründete sie mit Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus den Social Business Risikokapitalfonds Yunus Social Business. Aktuell setzt Bruysten alles daran, die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Ärmsten abzufedern – und appelliert zugleich an die Verantwortung von Unternehmern.
71 Millionen Menschen werden durch die Coronakrise in die extreme Armut rutschen – und somit weniger als 1,90 US-$ pro Tag zur Verfügung haben. Das entspricht etwas mehr als der gesamten Bevölkerung Frankreichs. Diese von den Vereinten Nationen veröffentlichte Prognose will Saskia Bruysten grösstmöglich abfedern. Als Mitgründerin und CEO treibt sie mit dem Venture-Capital-Fonds Yunus Social Business (YSB) das Wachstum und die Finanzierung von sozialen Unternehmen weltweit voran und unterstützt Konzerne dabei, ihre Kernkompetenzen auf einige der grössten Herausforderungen, denen Menschen aktuell gegenüberstehen, anzuwenden.
Derzeit setzt Bruysten alles daran, ihre Portfolio-Unternehmen zu unterstützen. Bereits im März sammelte YSB von Philanthropen mehrere Millionen US-$, um diese dann als Kurzarbeitsgeld an Unternehmen in Entwicklungsländern weiterzugeben, die das Kapital am dringendsten benötigen und die mit ihrem Tun die grösste Wirkung erzielen und den meisten Erfolg haben. Eine Ausnahme, verteilt YSB normalerweise doch keine Spenden – aber besondere Umstände erfordern besondere Massnahmen.
Als Kind besuchte Bruysten eine katholische Mädchenschule in Königswinter bei Frankfurt und absolvierte später ein BWL-Studium an der European Business School in Oestrich-Winkel, Buenos Aires und San Diego. Sie wollte stets die Beste sein, erzählt sie – und erhielt durch ihren Ehrgeiz schliesslich als Einzige ihres Jahrgangs ein Jobangebot beim Beratungsriesen Boston Consulting Group (BCG). Doch mit Ende 20 folgte der Bruch: „Ich habe darüber nachgedacht, was ich da eigentlich gerade mache – und versuchte, herauszufinden, was ich mit meinem Hintergrund in der Welt bewegen kann.“ Also nahm sie sich eine Auszeit, zog nach London, studierte an der London School of Economics im Master International Relations – und traf dort in einer Vorlesung auf Muhammad Yunus.
Der bengalische Wirtschaftswissenschaftler, auch „Bankier der Armen“ genannt, gewann 2006 den Friedensnobelpreis für seine Idee zu Mikrokrediten: 1983 hatte Yunus die Grameen Bank in Bangladesch gegründet, die armen Menschen mittels Mikrokrediten aus der Armut helfen wollte; angemessene Kreditbedingungen und die Weitergabe einiger Finanzprinzipien waren inkludiert. Mittlerweile gibt es auch Kritik an dem Konzept, einige Experten sehen in Mikrokrediten kein probates Mittel, um Armut zu bekämpfen. Bruysten differenziert: „Manche haben Mikrokredite als Allheilmittel gegen Armut gehypet. Das, würde ich sagen, ist nicht der Fall. In der Armutsbekämpfung spielen noch andere wichtige Themen wie Bildung und Gesundheitsversorgung eine Rolle. Aber: Mikrokredite bieten für jeden die Chance, ein kleines Unternehmen aufzubauen.“
Als Bruysten 2008 auf Yunus traf, hatte sie zu der Zeit bereits fünf Jobangebote auf dem Tisch – und die Möglichkeit, zur BCG zurückzukehren. Doch nichts davon war für sie überzeugend – ausser Yunus und seine Bestreben, den Armen zu helfen. „Ich war fasziniert davon, dass er die Logik der Wirtschaft nimmt, sie aber dazu nutzt, um gesellschaftliche Probleme zu lösen, und nicht nur, um Geld für Eigentümer zu verdienen“, so Bruysten. Schliesslich setzte sie sich in ein Flugzeug nach Bangladesch. Sie war motiviert, dort etwas mit sozialem Impact auf die Beine zu stellen. Was genau, wusste sie noch nicht, wohl aber, dass es das Richtige war, was sie tat. Schliesslich lernte sie den deutschen Event-Unternehmer Hans Reitz kennen, mit dem sie die Eventreihe Global Social Business Summit aufzog und 2009 das Grameen Creative Lab, eine Organisation zur Förderung der Idee des Social Business, gründete. „Wir haben überlegt, wie wir Menschen die Idee von Social Businesses erklären können“, so Bruysten. Sophie Eisenmann stiess schliesslich als Volontärin dazu, 2011 folgte dann – mit ihr und Yunus – die Gründung von Yunus Social Business (YSB). Die Jahre des Unternehmensaufbaus waren tough, wie Bruysten erzählt: „Heute sind Sozialunternehmen in aller Munde. Aber damals verstand niemand unser Konzept. ‚Wollt ihr Business machen oder Charity?‘, hiess es immer wieder.“ Doch mittlerweile hat sich der Fonds ein ganz gutes Standing verschafft, hat Standorte in Frankfurt und Berlin sowie in Kolumbien, Brasilien, Indien, Kenia, Uganda, in Albanien, auf Haiti und in Tunesien. Kapital erhält YSB von Philanthropen und Stiftungen rund um die Welt, dieses wird dann wieder als Kredit an Sozialunternehmen in Entwicklungsländern weitergegeben. Zudem bietet YSB Wachstumsförderung in Form von Beratung für die Unternehmen an, damit diese eine möglichst grosse soziale Wirkung erzielen können.
Saskia Bruysten
...absolvierte ihren Master in Theory and History of International Relations an der LSE in London. Später arbeitete sie als Senior Consultant bei der Boston Consulting Group. 2008 gründete Bruysten das Grameen Creative Lab und schliesslich 2011 den Social-Business-Venture-Capital-Fonds Yunus Social Business.
Gemessen wird der Erfolg bei YSB somit nicht am Umsatz, wie Bruysten betont, sondern an der sozialen Wirkung, die kreiert wird. Dass diese nicht wirklich gut zu messen ist, gibt sie selbst zu, jedoch nähert sich das Unternehmen dem Impact über die geschaffenen Jobs und die verkauften essenziellen Produkte und Dienstleistungen – wie Zugang zu Wasser oder Bildung – der unterstützten Unternehmen: Über 60 Social Businesses wurden mit Krediten zwischen 100.000 und 500.000 US-$ finanziert, welche über 70.000 Jobs geschaffen und mehr als 13 Millionen Menschen mit ihren Produkten und Dienstleistungen beliefert haben. Für Kredite werden all jene Unternehmen ausgewählt, deren Wirkung im lokalen Kontext relevant ist, an deren Unternehmer und Geschäftsmodell YSB glaubt und die skalierbar und replizierbar sind. Dazu gehört etwa Impact Water, ein in Uganda ansässiges Start-up, das UV-basierte Wasserreinigungssysteme an Schulen verkauft, installiert und wartet. So konnten über 1,4 Millionen Kinder mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Im Portfolio sind weitere 2.000 Unternehmen, die über die Wachstumsförderung von YSB profitieren.
Generell ist Bruysten positiv gestimmt, was die Armutsbekämpfung in der Welt angeht. Und da liegt sie nicht falsch: Jüngsten Schätzungen der Weltbank zufolge lebten 2015 10 % der Weltbevölkerung, 734 Millionen Menschen, mit weniger als 1,90 US-$ pro Tag – ein Rückgang von knapp 36 % (1,9 Milliarden Menschen) zum Jahr 1990. Allerdings: „Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander“, so Bruysten. Und: „Wir werden durch Corona einen signifikanten Schritt zurückmachen, während wir in den letzten 10 bis 20 Jahren enorm vorwärtsgekommen sind.“ Generell hofft Bruysten auch darauf, dass CEOs ihre Möglichkeiten, einen sozialen Beitrag zu leisten, auch nutzen. „Derzeit hören wir von grossen Firmen viele schöne Ankündigungen. Jetzt müssen den Ansagen auch klare Aktionen folgen, sonst wird es peinlich – und das verzeihen weder Kunden noch Anteilseigner.“
Text: Andrea Gläsemann
Foto: Willie Schumann
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–20 zum Thema „Women“.