Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Diese Abwandlung eines Zitats von Voltaire verweist auf klingelnde Kassen in der Post-Corona-Zeit – gewiefte Anleger schlagen jetzt zu.
Schier endlose Lockdowns und Reisebeschränkungen sonder Zahl haben während der Coronapandemie die Reiselust in Reisefrust verwandelt. Doch damit ist jetzt Schluss: Die Buchungszahlen explodieren allerorten, und auch die niedergeprügelte Kreuzfahrt-Industrie wittert wieder frische Seeluft.
Die Krise hatte den Sektor fast zum Kentern gebracht: Aufgrund des Orkans, den Covid-19 auslöste, konnte nur eine Handvoll von weltweit rund 430 Kreuzfahrtschiffen im Besitz von 65 Reedereien, die bereit waren, in See zu stechen, Passagiere an Bord nehmen. 2020 gingen magere 5,8 Millionen Passagiere an Bord – ein Minus im Vergleich zu 2019 von heftigen 81 %.
Der gesalzene Verlust: über 60 Mrd. US-$. Doch nun scheint sich die globale Flaute dem Ende zu nähern: Die Kreuzfahrtbranche erzielte 2022 wieder einen Umsatz von immerhin 18 Mrd. US-$. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es noch 27 Mrd. US-$ gewesen. Experten erwarten, dass der Sektor bis Ende 2023 wieder einen knackigen Umsatz von 25,1 Mrd. US-$ erreichen wird.
Die Gesamtzahl der Kreuzfahrtpassagiere lag 2021 übrigens bei mehr als 13 Millionen; Bürger der USA, Kanadas und Mexikos stellten dabei die Hälfte aller Teilnehmer. Man rechnet nun wieder mit einem deutlichen Boom: Die Passagierkapazität aller Kreuzfahrtschiffe p. a. wird im Jahr 2027 voraussichtlich mehr als 38 Millionen erreichen.
Die Reedereien setzen bei ihren Schiffen, die als wahre Dreckschleudern verschrien sind, auf Nachhaltigkeit und Effizienz: 26 Kreuzfahrtschiffe sind bereits mit dem umweltfreundlicheren Flüssiggasantrieb unterwegs, 81 % der weltweiten Kapazität sind schon mit fortschrittlichen Abwasserreinigungssystemen ausgestattet und 174 Kreuzfahrtschiffe haben eine Landstromanbindung, müssen daher nicht mehr durchgehend ihre dieselbetriebenen Generatoren zur Stromerzeugung laufen lassen.
Wenn es um Kreuzfahrten geht, kommt man an Royal Caribbean Cruises (RCL) nicht vorbei: Das 1968 in Norwegen gegründete Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft des liberianischen Unternehmens Royal Caribbean Group. Der weltweit grösste Anbieter von Kreuzfahrten (mit einer Kapazität von 62.220 Betten) hat alle fünf der längsten Kreuzfahrtschiffe der Welt in seiner Flotte. Das längste, die „Wonder of the Seas“, mit einer Kapazität von 7.000 Passagieren und Crew, ist gigantische 362 Meter lang.
Die Reederei hat ihren Hauptsitz in Miami, Florida, und beschäftigt an die 90.000 Mitarbeiter, mit denen mit 64 Schiffen an die 1.000 Ziele in über 60 Ländern angesteuert werden. Sie besitzt ganz oder teilweise auch Celebrity Cruises, Silversea Cruises, TUI Cruises und Hapag-Lloyd Cruises. Allein im ersten Quartal wird die Gruppe nach aktuellen Schätzungen mehr als eine Mrd. US-$ an Umsatz einfahren.
Die Aktie wurde zuletzt um rund 74 US-$ das Stück gehandelt (alle Zahlen wie immer Stand Redaktionsschluss); das ist eine deutliche Erholung gegenüber dem Tiefststand von 31 US-$ Mitte Juli des Vorjahrs (und bringt eine Marktkapitalisierung von 18,7 Mrd. US-$). Der Kurs lässt aber auch noch genug Luft nach oben zum historischen Höchststand von rund 120 US-$ im Februar 2020, vor dem Ausbruch der Pandemie. Im Vorjahr wurde ein Verlust von mehr als acht US-$ pro Aktie eingefahren, dies soll sich heuer in einen Gewinn von ca. vier US-$ (bei einem geschätzten KGV von 22) bzw. mehr als sechs US-$ (KGV 12,16) im nächsten Jahr drehen. Auf eine Dividende müssen Aktionäre wohl noch eine Weile verzichten, die letzte wurde im Jahr 2020 ausgeschüttet.
Trotzdem setzen Analysten auf das Papier: Macquarie Research wiederholte kürzlich nach der Q4-Aktualisierung des Unternehmens ein „Outperform“-Rating für Royal Caribbean Cruises, in dem das Management darauf hinwies, dass die sieben grössten Buchungswochen in der Unternehmensgeschichte seit November 2022 stattgefunden haben.
Die starken Noten des Kreuzfahrtunternehmens mit Q4-Umsatz, bereinigtem EBITDA und Gesamtauslastungsfaktoren beeindruckten Macquarie. Analyst Paul Golding sagte, RCL habe in Bezug auf Rentabilitätshorizont und Cashflow die Fluchtgeschwindigkeit nach Covid-19 erreicht. Entscheidend sei, dass Royal Caribbean das Potenzial zum Schuldenabbau hat – diese lagen im Jahr 2022 bei 21,303 Mrd. US-$, ein Anstieg von 13,03 % gegenüber 2021.
Beim Thema Schuldenabbau – oder besser: Rückerlangung der Unabhängigkeit – hat zuletzt die Lufthansa aufgezeigt: Die stillen Einlagen, die der deutsche Staat am Höhepunkt der Coronakrise zur Rettung der Airline leistete, hatte der Luftfahrtkonzern bereits im Herbst 2021 getilgt. Ein Jahr später verkaufte der Bund seine Aktienbeteiligungen mit einem Gewinn von 760 Mio. €.
Die Geschäfte der Kranich-Airline laufen bestens, die Buchungslage ist ausgezeichnet – und das verleiht auch der Aktie Flügel: Der Kurs der umsatzstärksten Airline-Gruppe in Europa (32,8 Mrd. € im Jahr 2022) mit den Töchtern Swiss International Air Lines, Austrian Airlines, Eurowings und Brussels Airlines ist in den letzten zwölf Monaten bereits um mehr als 60 % gestiegen.
Dies wiederum lässt auch die Experten jubeln: So hat die britische Investmentbank HSBC die Lufthansa von „Hold“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von neun auf 13,60 € angehoben. Die Sicherheit kehre zurück und die Papiere der Airline seien attraktiv bewertet, sagte Analyst Achal Kumar. Die Passagiernachfrage sei deutlich stärker als erwartet, dies könne die Schwäche im Frachtbereich mehr als wettmachen.
Mit Barclays hat sich neben J.P. Morgan und der DZ Bank ein weiteres Analystenhaus optimistisch zum MDAX-Konzern geäussert und das Kursziel deutlich nach oben angepasst. Die britische Bank bestätigte jüngst ihre Einstufung für die Airline mit „Overweight“ und hob das Kursziel von 14,80 auf 16,50 € an. Damit könnte die Lufthansa-Aktie – ausgehend vom aktuellen Kursniveau von um die elf € – noch an die 50 % nach Norden segeln.
Ein weiterer wichtiger Player im Tourismussektor ist die 2008 gegründete Airbnb. Das US-amerikanische Unternehmen mit Sitz in San Francisco hat das Couchsurfing zum erfolgreichen Geschäftsmodell erkoren und betreibt einen Onlinemarktplatz für kurzfristige Gastfamilien und Übernachtungen. Im Vorjahr machte Airbnb mit rund 6.000 Mitarbeitern weltweit 8,4 Mrd. US-$ Umsatz. Die Aktie musste wie alle tourismusrelevanten Unternehmen durch Corona eine volle Breitseite einstecken und liegt aktuell rund 8 % unter dem Kurs von vor zwei Jahren, hat im letzten Monat aber schon mehr als 6 % (auf einen Wert von 116 €) zugelegt.
Die Zimmervermittlungsplattform hat bei ihrem Börsengang im Jahr 2020 ihren Wert mehr als verdoppelt und zeitweise die Schwelle bei 100 Mrd. US-$ überschritten. Airbnb ist nicht billig; das KGV liegt bei heftigen 37,93. Für heuer wird ein Gewinn pro Aktie von 3,13 € erwartet, der 2024 auf 3,76 € steigen soll. Eine Dividende ist nach wie vor nicht geplant.
Doch Experten setzen auf das weltweit grösste Online-Reisebüro für alternative Unterkünfte: So hat Argus Research Airbnb von „Hold“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel bei 144 US-$ (136 €) gesehen – das würde einen Zuwachs von rund 18 % bedeuten.
Text: Reinhard Krémer
Illustration, Infografik: Valentin Berger