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Leben retten und Krisen bewältigen – so lautet der zentrale Auftrag des Roten Kreuzes. Aus Liebe zum Menschen, seit 142 Jahren. Krisenmanagement gehört also zu unserer täglichen Arbeit, aber auch ich habe eine derartige Gleichzeitigkeit von Krisen und Katastrophen, wie sie aktuell stattfindet, noch nie erlebt! Pandemie, Wirtschaftskrise und klimabedingte Desaster – etwa in Pakistan, wo apokalyptische Zustände herrschen, ein Drittel des Landes unter Wasser steht; in der Ukraine, wo mehrere Hunderttausend Menschen jetzt noch nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen; am Horn von Afrika, wo Millionen Menschen hungern.
Und auch in Österreich geht die Schere immer weiter auseinander: Immer mehr Menschen, auch aus der Mittelschicht, müssen sich ihre monatlichen Ausgaben ganz genau einteilen, um über die Runden zu kommen. Bei einer alleinerziehenden Mutter von fünf Kindern wurde einfach das warme Wasser abgestellt, weil sie die hohe Nachzahlung nicht begleichen konnte. Erst nach Tagen hat sie sich zu uns in die Beratungsstelle getraut – zu gross war die Scham, um Hilfe bitten zu müssen.
Jedes fünfte Kind ist heute armuts- und ausgrenzungsgefährdet, jedes zehnte Kind bricht seine Ausbildung vor einem erfolgreichen Abschluss ab. Die aktuellen Teuerungen im täglichen Leben wirken verschärfend, denn die Bildungsmöglichkeiten der Kinder hängen von der Einkommenssituation eines Haushalts ab. Die soziale Mobilität, also die Möglichkeit, einen höheren sozioökonomischen Status als die Eltern zu erreichen, ist in Österreich gering ausgeprägt. In unserem Rotkreuz-Lernhaus im 15. Gemeindebezirk in Wien erhalten Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien Hilfe bei den Aufgaben und beim Lernen. Zumeist kommen die Kinder aus grossen Familien, die auf beengtem Raum zusammenleben, wo eine ruhige Lernatmosphäre unmöglich ist. Auch für einen ganz kleinen Schreibtisch fehlt schlicht der Platz – das Geld sowieso. Bildung ist aber der zentrale Hebel, um Armut zu durchbrechen! Jede noch so kleine Investition in Bildungsangebote, davon bin ich überzeugt, liefert im Endeffekt reiche Erträge.
Philanthropie kann hier eine grosse Rolle spielen, um Menschen ganz konkret zu helfen und unsere Gesellschaft für die Zukunft fit zu machen. Viele Hochvermögende wissen noch zu wenig über die Möglichkeit einer wirksamen Grossspende an soziale Organisationen. Das Rote Kreuz, das mit seiner „Aus Liebe zum Menschen Stiftung“ und seinen Programmen in den Bereichen Bildung und Demenz engagiert ist, konnte bereits auf die Unterstützung einer Handvoll Hochvermögender zählen – das ist ein guter Anfang und wir sind dankbar. Spenden an die Rotkreuz-Stiftung und für das Projekt Lernhäuser sind steuerbegünstigt.
Derzeit ist vieles im Umbruch, vor allem in der Wirtschaft. Klimawandel und knapper werdende Ressourcen zwingen die Gesellschaft zum Umdenken. Wer mit einem Vermögen, das ihm zuteilwurde, Gutes tun will, sollte gross denken und nicht nur Geld-, sondern auch Impulsgeber sein. Soziale und gemeinnützige Organisationen sind die richtigen Partner dafür.
Michael Opriesnig, 58, ist seit Sommer 2019 Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes und seit 2003 im Vorstand der Stiftung „Nachbar in Not“.