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Die Debatte rund um das bedingungslose Grundeinkommen hat mit der Automatisierung wieder Fahrt aufgenommen. Erste Testregionen liefern bereits einen Einblick, was der Wandel bedeuten könnte.
Bei der weltweit ersten Volksabstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen am 5. Juni 2016 in der Schweiz stimmte die Bevölkerung gegen eine Einführung dieser volkswirtschaftlichen Massnahme. 2.500 CHF wären es gewesen, die man den Bürgern gegeben hätte – jedem, und ohne eine einzige Bedingung ausser der „richtigen“, diesfalls der schweizerischen, Staatsangehörigkeit; so ja auch die Definition dieses Instruments. Dennoch waren die Initiatoren positiv überrascht, dass 22 Prozent dafür gestimmt hatten, und waren sich sicher: Die Debatte geht weiter. Das bedingungslose Grundeinkommen ist bei den Eidgenossen also noch nicht so wirklich angekommen. In Österreich soll ein ähnliches Volksbegehren kommen – der Künstler Enno Schmidt war einer der Initiatoren und versucht mit dem Verein Generation Grundeinkommen in Österreich, ein Volksbegehren auf Schiene zu bringen. 27 Milliarden € würde es den österreichischen Staat kosten, Erwachsenen 1.362 € und Kindern 340 € im Monat zu geben, so Wissenschaftler Jakob Wakolbinger von der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung in einem Interview.
Man findet Testregionen und Unterstützer in vielen Staaten, etwa in Finnland, den Niederlanden und in Kalifornien, im Silicon Valley. In Finnland etwa bekommen seit Jahresbeginn per Zufall gezogene Arbeitslose (zehn Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung) in einer zweijährigen Pilotstudie 560 € pro Monat, ohne dabei Kurse oder Bewerbungsgespräche absolvieren oder einen Job suchen zu müssen. Dieser Betrag ersetzt alle anderen Sozialleistungen und soll Bürokratie, Armut und Arbeitslosigkeit verringern; schliesslich können die Teilnehmer nebenbei so viel dazuverdienen, wie sie wollen. Die finnische Regierung will untersuchen, inwiefern sich ein bedingungsloses Grundeinkommen von Arbeitslosenhilfe für die Betroffenen unterscheidet.
Einer der Studienleiter sagte, es sei viel komplizierter als erwartet; das Grundeinkommen zu implementieren gar ein Horror. Dennoch soll die Studie bis zu den nächsten Wahlen 2019 durchgezogen werden – dabei sagen Kritiker, zwei Jahre seien viel zu kurz, um die positiven Effekte klarzumachen. Aber manche Teilnehmer beschrieben bereits ein befreiendes Gefühl: Die Existenzsicherung muss demnach nicht mehr mit einem Brotjob bestritten werden – sie ist einfach gegeben und an eben keine Bedingung geknüpft.
Bei der weltweit ersten Volksabstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen in der Schweiz stimmten 22 Prozent dafür.
Vor allem im Silicon Valley sieht man darin eine ungeheure Kraft. „In fünfzig Jahren werden wir uns darüber wundern, wie schwachsinnig es eigentlich ist, die Angst, nichts zu essen zu haben, dafür benutzt zu haben, Menschen zum Arbeiten zu motivieren. Niemand muss sich dann mehr Sorgen darüber machen, wie man Miete bezahlt oder ob man genug zu essen hat. Ich glaube, dass es auch unmöglich ist, Gleichheit zu haben ohne eine Form eines garantierten Einkommens. In Kombination mit Innovationen, die die Kosten, ein gutes Leben zu haben, laufend senken, könnten wir mit einem Grundeinkommen einen Riesenfortschritt machen – um damit Armut zu eliminieren“, schreibt etwa Y-Combinator-Präsident Sam Altman in einer Ausschreibung zu einer langfristigen, grossen Studie: In diesem Jahr startet in Oakland eine Pilotphase zur Studie – 100 Familien werden 1.500 US-$ pro Monat bekommen. Geht der Pilotversuch gut, wird die Studie begonnen.
Zehn Millionen US-$ will Altman in die Erforschung des Grundeinkommens investieren, um herauszufinden, wie das in den USA funktionieren würde, wenn Menschen einfach Geld bekommen, um ihre Grundbedürfnisse abdecken zu können, ohne etwas dafür tun zu müssen. Werden sie dann wirklich nur herumsitzen und gar nichts machen? Oder werden sie Dinge kreieren? Sind sie dann glücklich und erfüllt? Übrigens blickt man – so wie immer bei Y Combinator, so Altman – mehr auf das Potenzial eines Menschen als auf dessen Vergangenheit und Erfahrungen; ein progressiver Ansatz, der mit Sicherheit auch dazu beigetragen hat, dass Y Combinator der erfolgreichste Befähiger von Start-ups weltweit ist und schon Unternehmen wie etwa Airbnb auf den Weg gebracht hat. Ein anderer prominenter Unterstützer ist etwa Elon Musk. Für ihn ist es eine logische Konsequenz, in Zeiten der Technologisierung und Automatisierung ein bedingungsloses Grundeinkommen bereitzustellen.
Es stellt für ihn eine Lösung gegen die Arbeitslosigkeit dar, die die Automatisierung mit sich bringen wird. Barack Obama hatte den US-Kongress unlängst gewarnt, dass 50 Prozent aller Jobs 2023 von Robotern übernommen werden. „Mit der Automatisierung kommt gleichzeitig der Wohlstand“, sagte Musk in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender CNBC, „nahezu alles wird unglaublich günstig sein.“ Und dieses Geld könnte an die Bevölkerung verteilt werden. Dennoch sieht er auch ein Risiko in diesem Szenario – denn was wird die Bedeutung des Menschen in Zukunft sein, wenn es nicht mehr Arbeit ist? Optimisten sehen allerdings genau darin eine Befreiung des Menschen von den Tätigkeiten, die auch von Robotern gemacht werden können.
Zu Beginn der Automatisierungswelle werden dies vor allem sehr einfache Tätigkeiten sein; demnach wird die Arbeiterschicht betroffen sein, die von diesen befreit werde – und sich aussuchen kann, wie sie ihre Zeit verbringen möchte. Gleichzeitig würde auch, gäbe es ein Grundeinkommen, die Verhandlungsmacht am Arbeitsmarkt vermehrt von den Arbeitgebern zu den Arbeitnehmern wandern. Müssten dann solche Arbeiterjobs attraktiver gestaltet werden? Würde der Wettbewerb zu einem besseren Angebot für Arbeitnehmer führen? Oder würden wir dann in einer Gesellschaft von Künstlern, Denkern und Freiwilligenarbeitern leben, die sich selbst verwirklichen?
Die Vielfalt der möglichen Szenarien entbehrt gleichzeitig meistens der Greifbarkeit vorgestellter Thesen: Die Automatisierung wird oftmals herbeigeschrieben, in einzelnen Fällen tritt sie auch schon ein. Wann man aber von einem massenhaften Wegfallen von Jobs sprechen kann, darüber herrscht Uneinigkeit.
Ebenso wird die Umsetzbarkeit eines Grundeinkommens gerade erstmals getestet – es ist also noch zu früh, darüber etwas sagen zu können. Dass Thomas Paine, der Urvater des Grundeinkommens 1797, dieses als Bürgerrecht sieht, ist aber ein interessanter Gedanke. Es bedeutet, dass Menschen allein aufgrund ihrer entsprechenden Staatsbürgerschaft genügend abgesichert würden; vielleicht würde es einen Paradigmenwechsel bedeuten – von einem „Man muss“ hin zu einem „Man kann“. Wer weiss, vielleicht würden wir dann in einer Gesellschaft von Initiatoren und Unternehmern leben – voller Eigenständigkeit, weil man sich überlegen kann, was man mit seiner Zeit machen möchte, anstatt zu fürchten, nicht über die Runden zu kommen.
Text: Elisabeth Woditschka
Illustration: Valentin Berger
Dieser Artikel ist in unserer Sommer-Ausgabe 2017 „Keep it movin'!“ erschienen.