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Ruja Ignatova, die von den Medien auch als „Kryptoqueen” bezeichnet wird, hat mit ihrer Kryptowährung OneCoin ein Milliarden-Imperium aufgebaut. Heute ist sie auf der Flucht und weltweit wegen Geldwäsche, Postbetrug und Wertpapierbetrug gesucht. Ende September 2021 startete in Münster nun ein Prozess gegen mutmassliche Mithelfer des Schneeballsystems rund um One Coin.
Ruja Ignatova, die Gründerin von OneCoin, wurde 1980 in Bulgarien geboren und emigrierte zehn Jahre später mit ihrer Familie nach Schramberg im Schwarzwald (D). Sie galt immer als äusserst intelligente Schülerin und konnte vor allem in Mathematik glänzen. Später studierte sie Jura an der Universität Konstanz, machte aber, laut ihrem Lebenslauf, den Abschluss in Rechtswissenschaften an der Oxford Universität. Vor der Gründung von OneCoin kaufen sie und ihr Vater ein Gusswerk, welches zuvor Insolvenz angemeldet hatte. Zwei Jahre danach, im Jahr 2012, verkauften die beiden das Gusswerk wieder. Vor dem Verkauf hatten sie jedoch einige Produktionsanlagen entwendet. Daher wurde Ignatova zu 14 Monaten Bewährungshaft wegen Insolvenzverschleppung, Betrug und Verletzung der Buchhaltungspflicht verurteilt. Das wird nicht ihre einzige Verurteilung bleiben.
2014 gründete sie die Kryptowährung OneCoin und die dazugehörige Firma OneCoin Ltd. mit Sitz in Dubai. Das Ziel: Bitcoin, welches 2009 gegründet wurde, vom Markt zu drängen und somit die grösste und erfolgreichste Kryptowährung weltweit zu werden. Zu Beginn wurden ausschliesslich Tokens und Lernprogramme für Geldbeträge zwischen 100 und 118.000 € verkauft. Letztere sollten vor allem Kunden mit dem neuen Konzept einer digitalen Währung vertraut machen und sie über Investitionen und Kapitalmarktthemen unterrichten. Schnell hat sich rund um OneCoin eine Kult-ähnliche Dynamik entwickelt, mit sogenannten „Recruitern”, die weltweit versucht haben, weitere Lernprogramme und Tokens zu verkaufen. Berichtet wird, dass Ruja Ignatova zwischen 2014 und 2017 über 4 Mrd. US-$ von Investoren, mit Hilfe einer Multi-Level-Marketing-Strategie (auch Schneeballsystem genannt), eingesammelt haben soll. Bei dieser Form des Direktvertriebs werden Kunden dazu aufgefordert, selbst zum Vertriebspartner zu werden, um so neue Kunden anwerben zu können. Diese Methode war durchaus erfolgreich, allein in Deutschland kauften über 600.000 Menschen OneCoins.
In Münster steht nun ein Ehepaar aus Greven und ein Münchner Rechtsanwalt vor Gericht. Sie müssen sich gegen den Vorwurf verteidigen, beim Milliardenbetrug rund um OneCoin geholfen zu haben, in dem sie vor allem Geldwäsche in Deutschland betrieben haben. Vor Gericht stellt sich nun Frage, ob es sich bei OneCoin überhaupt um eine Kryptowährung handelt. Dafür muss erstmal geklärt werden ob OneCoin eine Blockchain besitzt. Diese ist nämlich essentiell für jede Kryptowährung. Bei einer Blockchain handelt es sich primär um eine öffentliche einsehbare Liste, auf der jede Transaktion verzeichnet wird, sodass Verbraucher jederzeit nachvollziehen können, wann sie von wem eine Coin gekauft haben oder wann eine neue Coin gemined wurde. Da es sich bei einer Blockchain meist um ein kompliziertes Konstrukt an Daten handelt, zog das Gericht einen IT-Forensiker zur Hilfe, welcher die Frage nach OneCoins Blockchain beantworten soll.
Der IT-Forensiker wurde fündig: Eine Art private Blockchain, welche im Sourcecode an Bitcoin erinnert. Die Tatsache, dass diese Blockchain privat war, widerspricht dem ursprünglichen Sinn einer Blockchain, nämlich: Alle Transaktionen rund um die Kryptowährung für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, um so ein sicheres und vor allem transparentes System zu kreieren. Eine private Blockchain sei somit nicht sicher vor Manipulation und nachträglich veränderten Transaktionen. Dem IT-Forensiker sei ausserdem ungewiss, wie Mining-Prozesse, also das Erstellen neuer OneCoins, bei einer privaten Blockchain möglich sind. Es wird vermutet, dass Ruja Ignatova, beziehungsweise eine von ihr kreierte Software, den Wert von OneCoin beliebig manipulieren konnte. Somit ist auch unklar, ob die Transaktionen der Verbraucher direkt über die Blockchain abgewickelt wurden oder, ob es ein zweites separates Buchungssystem gab.
Ruja Ignatova soll beispielsweise 2016 beim sogenannten „Double Day” versprochen haben, die Anzahl der OneCoins für alle Nutzer zu verdoppeln. Erwartungsgemäss sollte nach dieser Verdoppelung der Kurs des OneCoins sinken, stattdessen stieg dieser aber an. Der Staatsanwalt nahm daraufhin auch den Email-Verlauf von Ignatova als Beweismaterial zur Hand. Dort soll sie mehrmals von der „Illusion einer Wertschöpfung” gesprochen haben. Doch selbst mit jener Anzahl an Beweisen ist es schwierig, eine Verhandlung ohne die Hauptperson zu führen, die seit vier Jahren spurlos verschwunden ist und von dem FBI mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird. Das meint vor allem der Strafverteidiger von einen der Angeklagten, der argumentiert: „Im Vergleich zu Ruja Ignatova sind die Angeklagten nur kleine Fische.” Tatsächlich stehen diese aber nicht wegen Betrugs vor Gericht, sondern weil sie, ohne Erlaubnis der Finanzaufsicht, über 300 Millionen € von OneCoin-Käufern entgegen genommen haben sollen. Das Marketingunternehmen der Angeklagten habe dann einige Prozente an Provision von diesen Transaktionen erhalten. Später solle das Geld auf ein Konto in den Kaimaninseln geflossen sein. Der Tatvorwurf lautet auf Geldwäsche im Auftrag von Ignatova.
Das Gericht geht von längeren und umfangreichen Verhandlungen aus und hat Termine bis zum Mai 2022 angesetzt, ein Urteil steht daher noch aus.
Heute ermitteln 20 Strafverfolgungsbehörden gegen Ruja Ignatova auf der ganzen Welt, doch das bedeutet nicht das Ende für OneCoin: Eine Forschungsgruppe von Michaela Hönig an der Frankfurt University of Applied Sciences untersucht Aktivitäten rund um OneCoin auf diversen Social Media Plattformen. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass OneCoin in einigen Ländern wie Panama, Kasachstan oder Venezuela immer noch aktiv genutzt wird. Vor allem in Afrika verzeichnet Hörnig eine grosse, immer noch aufrechte Anhänger-Gruppe. In Europa hingegen sind etwa 90% der OneCoin Accounts seit 2017 inaktiv.
Text: Lela Thun
Fotos: OneCoin Coporation, Ronny Martin Junnilainen