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Wenn man sich die Nachrichten ansieht und danach durch einen Supermarkt schlendert, würde man nicht glauben, dass beides aus derselben Zeit stammt: Zum einen thematisieren Nachrichtensprecher den übermässigen Zuckerkonsum der Gesellschaft, zum anderen sucht man beim Lebensmitteleinkauf vergeblich ein Convenience-Produkt ohne versteckten Zucker.
Weiterhin wird berichtet, Deutschland hole sich wieder einmal die Bronzemedaille im Müllexportieren ab statt Gold im Recycling; zurück im Supermarkt strotzen die Regale nur so von knallbuntem Einwegplastik. Zu guter Letzt werden die europäische Massentierhaltung und die Rodung des Amazonas-Regenwaldes in Zusammenhang gesetzt – etwas, das im Supermarkt eher keine Rolle spielt: „Heute das Kilo Hack wieder zum Sonderpreis!“, schallt es aus den Lautsprechern.
Wie kann das sein? Wieso wirtschaften die grossen Player aus der Lebensmittelindustrie uns und unseren Planeten wissentlich in den ökologischen und gesundheitlichen Bankrott? Das Problem ist offensichtlich: Die Zielvariable der freien Marktwirtschaft ist falsch gesetzt – oder zumindest nicht ausreichend an Bedingungen geknüpft. Diese Zielvariable heisst Profit. Ob dabei der Planet ausgebeutet wird, Bauern unfair bezahlt werden oder der Kunde unwissend seiner Gesundheit schadet, sei aussen vor gelassen.
Christian Fenner
...absolvierte seinen Bachelor in Wirtschaftsingenieurswesen an der RWTH Aachen und gründete 2016 das soziale Food-Start-up
The Nu Company.
Die Lösung dafür kann jedoch nicht sein, die gesamte freie Marktwirtschaft infrage zu stellen. Vielmehr gilt es, profitable und wettbewerbsfähige Unternehmen zu schaffen, die zugleich indirekt oder direkt zum Wiederaufbau unserer Ökosysteme beitragen. Doch dafür müssen alle drei Parteien dieses Systems mitziehen: Unternehmen, Politik und Kunden. So können Unternehmer anhand konkreter Produktlösungen zeigen, dass grünes Wirtschaften möglich ist, und mit lauter, provokativer Kommunikation auf die oben genannten Missstände der sogenannten Old Economy – die in einem alten System gross geworden ist, in dem unsere Umwelt eine Nebenrolle spielte – aufmerksam machen. Hierbei sind vor allem agile Start-ups gefragt. So zeigen sie beispielsweise, dass kompostierbare Verpackungen möglich sind und ganze Produktionslinien in kurzer Zeit darauf umgestellt werden können. Die Krux an der Sache: nachhaltiges Wirtschaften = Wettbewerbsnachteil! Mit Plastikverpackungen, Zucker als Hauptzutat sowie fehlendem ökologischem Engagement lässt sich derzeit einfach ein besserer Preis rausschlagen. Deshalb muss hier die Politik eingreifen und externe Effekte wie CO2-Emissionen richtig bepreisen, z. B. mit einer CO2-Steuer. Es kann nicht sein, dass es für etablierte Unternehmen billiger ist, die Umwelt auszubeuten, als für Newcomer, einen nachhaltigeren Ansatz zu wählen.
Bis sich das ändert, appellieren wir an unsere Kunden, die echten Kosten eines nachhaltigen und gesunden Produkts zu akzeptieren. Und wir appellieren noch lauter an Politik und Grosskonzerne, endlich verantwortungsvoll zu handeln und den Horizont zu erweitern – eigentlich muss man dafür nur die Nachrichten einschalten.
Gastkommentar: Christian Fenner
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.
Dieser Gastkommentar erschien in unserer Ausgabe 10–20 zum Thema „Handel".