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Seit 1981 betreibt die Familie Oberhofer das Geniesserhotel Ritterhof in Seis am Schlern in Südtirol. Nun wolle man das nächste Kapitel aufschlagen, sagt Hotelchefin Lea Oberhofer – im Juni 2022 soll der „alte“ Ritterhof zu „Sensoria Dolomites“ werden, einer modernen Wellnessoase mit All-inclusive-Arrangements in unmittelbarer Nähe zur idyllischen Natur.
Nur wenige Branchen wurden derart hart von der Coronapandemie getroffen wie die Hotellerie. Europaweit brach der Umsatz laut Schätzungen des Kreditversicherers Euler Hermes im Jahr 2020 durchschnittlich um 52 % ein; 115 Mrd. € wurden vernichtet. 2021 setzte sich dieser Trend fort: So fiel die Nachfrage bei deutschen Hotels im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Jahr davor um satte 83 %, in Österreich und Italien um 80 %, in der Schweiz um „nur“ 33 %.
So ergriff die Familie Oberhofer, die seit 1981 das Geniesserhotel Ritterhof in Seis am Schlern in Südtirol leitet, die Chance, ihren Betrieb neu zu denken. Geschäftsführerin Lea Oberhofer erzählt im Gespräch, wie es dem Familienunternehmen in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie ergangen ist, wohin die Reise nun gehen soll und welche Trends sie in der Hotellerie verfolgt.
Seit sieben Jahren leiten Sie den Familienbetrieb Geniesserhotel Ritterhof. Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Geschichte und die Ihres Hauses?
Der Ritterhof ist tatsächlich Schauplatz meiner Familiengeschichte. Meine Eltern lernten einander bereits mit 17 respektive 19 Jahren dort kennen – meine Mutter arbeitete im Service und an der Rezeption, mein Vater war dort Koch. Nach mehreren Jahren in anderen Betrieben kehrten beide mit 26 und 28 Jahren in den Ritterhof zurück und beschlossen, ihn zu pachten. 1994 schliesslich erwarben sie das Hotel und wagten im Jahr 2000 einen grossen Umbau, bei dem die 15 bestehenden Zimmer auf 28 erweitert wurden.
Der Ritterhof war von Anfang an ein besonderes Projekt für meine Eltern. Sie distanzierten sich früh vom allgemein üblichen Denken in Sternekategorien, stattdessen setzten sie ganz einfach in allen Bereichen auf höchste Qualität. Über die Jahre durften auch wir vier Kinder – meine Brüder Michael, Marc und Lukas sowie ich – zur Erfolgsgeschichte des Ritterhofs beitragen, ihm auch unseren Stempel aufdrücken. Seit 2015 bin ich nun operativ im Betrieb tätig. Die Führung übernahm ich 2018; seit 2020 leite ich den Betrieb gemeinsam mit meinem Mann Simon.
Nun haben Sie vor, dem Geniesserhotel Ritterhof ein neues Gesicht zu geben. Ab dem Sommer 2022 wird das Hotel „Sensoria Dolomites“ heissen. Warum haben Sie sich entschieden, diesen Schritt zu gehen? Und warum genau jetzt?
Nach zehn Wanderjahren in Wien, Mailand, Singapur, Edinburgh und Paris war meine Bestimmung für mich klar: Die Zeit im Ausland war wahnsinnig lehrreich und erfüllend, aber gleichzeitig spürte ich, dass die Verwurzelung mit meiner Heimat stärker ist als gedacht. Als meine Eltern im Jahr 2014 den Generationenwechsel anvisierten, war ich diejenige unter uns vier Geschwistern, die entschieden hat, das Hotel zu übernehmen.
Ich wollte etwas Besonderes schaffen. Ich glaube fest, dass das Gastgebersein in meiner DNA liegt. Man wird als Hotelierskind zwar in diesen Trubel hineingeboren, aber dennoch ist es ein Weg, für den nicht alle bestimmt sind. Ich bin eine geborene Dienerin – in der besten aller Bedeutungen des Wortes. Ich meine nicht Servilität, ich meine das tiefe Bedürfnis, Menschen ihre Wünsche zu erfüllen. Und ich empfinde diese Art von Gastgebersein wie eine starke familiäre Verbindung.
Wie wird sich Sensoria Dolomites vom ehemaligen Geniesserhotel Ritterhof unterscheiden, und wer ist die Zielgruppe?
Das Sensoria Dolomites ist unsere persönliche Evolution, keine Revolution. Äusserlich wird der Ritterhof verschwinden, aber seine Seele, die Südtiroler Herzlichkeit und Gastlichkeit, bleibt bestehen. Wir verfeinern unser Angebot, bieten ein All-Day-Inklusiv-Arrangement, ein Rundum-sorglos-Paket, an. Wir erweitern den Wellnessbereich um ein stilvolles Badehaus, einen Innen- und Aussenpool mit spektakulärem Dolomitenpanorama und bieten unseren Gästen noch mehr Schlafgenuss.
Unsere Gäste sind Genussmenschen, die es lieben, zu wandern, Golf zu spielen und in Bozen oder Brixen zu flanieren. Mit 181 Pistenkilometern und 80 Kilometern Loipe im Winter sowie einem idyllischen Wanderwegenetz ringsum wird das Sensoria Dolomites ein Ort der Kraft und Ruhe für alle Erholungsuchenden.
Wie war es, während einer Pandemie ein so grosses Projekt anzugehen – gab es auch Rückschläge?
Rückschläge gibt es bei solchen Projekten immer; in der kreativen Planungsphase, in der Bauphase, wegen bürokratischer Hürden. Ehrlich gesagt war das Projekt unser Lichtblick in der Pandemie, es hat uns Mut abverlangt und gleichzeitig Kraft gegeben. Manche Freunde haben den Kopf geschüttelt, als wir ihnen unser Vorhaben schilderten, aber es hat uns die nötige Zuversicht und Energie gegeben, um diese aussergewöhnliche Zeit effizient und produktiv zu nutzen.
Was sind für Sie als Inhaberin die Vorteile eines Familienbetriebs?
Man kann auf 100 % Rückhalt zählen – egal, wann, wie und wo. Man vertraut einander bedingungslos und kann sich auf rasche, agile Entscheidungsfindungsprozesse verlassen. Wir handeln lösungsorientiert, sind tief verwurzelt; das kann natürlich ab und zu eine gewisse Starrheit mit sich bringen, und Familienkonflikte sind nie ausgeschlossen – doch wenn man das weiss, ist man auch dagegen gewappnet. Mein Mann und ich bringen mehrjährige Konzernerfahrung mit, da wissen wir die Vorteile eines familiengeführten Unternehmens umso mehr zu schätzen.
Wie ist es, mit internationalen Konzernen wie Hilton und Co zu konkurrieren?
Ich reise wahnsinnig gerne und liebe internationale Konzerne, vor allem die gehobene Ferienhotellerie, deren ästhetische Interieurs, prunkvolle Hotellobbys und exzentrische Serviceangebote. Allerdings vermisse ich dort oft die individuelle Note, den persönlichen Kontakt und ganz besonders die authentische Wertschätzung, die unser Team und wir unseren Gästen zuteilwerden lassen können.
Das Menschliche stumpft im Alltag oft ab, und wir suchen nach Mikromomenten, die uns berühren und unsere Seele nähren. So etwas findet man nur in kleinen Betrieben. Ich konkurriere nicht mit den Riesen der Branche, denn der Mensch braucht meines Erachtens beides: Nur die Balance aus kleinem und grossem Glück macht das Glück vollkommen.
Wo sind Sie selbst aufgewachsen? Wie kam es dazu, dass Sie mit Ihrem Mann den Betrieb übernommen haben – war das so geplant?
Ich bin in Seis gross geworden, ging dort zur Schule und besuchte anschliessend die Hotelfachschule in Meran. Dort lernte ich auch meinen Mann kennen. Wir gehen seit 15 Jahren gemeinsame Wege. Wir waren beide knapp 15 Jahre im Ausland, arbeiteten in internationalen Konzernen – er in der Luftfahrtbranche, ich bei einem französischen Luxusunternehmen. Doch als sich die Möglichkeit einer Betriebsübernahme immer deutlicher abzeichnete, war für mich die Entscheidung sofort klar. Kurz bevor ich Paris verliess, hatte mir mein Arbeitgeber eine Beförderung im Mutterkonzern angeboten. Das war unglaublich verlockend, doch die Unternehmerin in mir siegte.
Ich schätze die internationale Erfahrung sehr, vermisse die weite Welt aber keine Sekunde. Seit wir selbst Eltern geworden sind, kann ich mir für unsere Mädchen keinen besseren Ort zum Aufwachsen vorstellen.
Lea Oberhofer
...schloss ein BWL-Studium an der WU Wien und einen Marketing-Master an der Heriot-Watt University in Edinburgh ab und war vier Jahre lang bei Louis Vuitton tätig. Gemeinsam mit ihrem Mann Simon Leitner erschafft sie in Seis am Schlern in den Dolomiten einen Ort der Geborgenheit, einen Rückzugsort mit dem Blick für das Besondere, einen Kraftplatz mit Seele für das kleine und grosse Glück: „Sensoria Dolomites“ – Eröffnung am 15. Juni 2022.“
Nur wenige Branchen wurden so hart vom Coronavirus getroffen wie die Hotellerie. In Europa brach der Umsatz laut Branchenschätzungen 2020 um mehr als die Hälfte ein. Wie waren die letzten zwei Jahre für Sie?
Es war eine intensive, aussergewöhnliche Zeit – finanziell, physisch wie auch psychisch. Das endlose Warten, Hoffen, die Unsicherheit; es war nicht leicht. Wir standen in ständigem Austausch mit unseren Mitarbeitern, munterten sie auf, redeten ihnen gut zu, mit so manchen auch sehr aufreibenden Momenten. Von Anfang März 2020 bis Sommer 2021, also knapp zehn Monate lang, blieb das Hotel geschlossen. Im Normalfall hätte es in diesem Zeitraum lediglich eine Saisonpause von knapp fünf Monaten gegeben. Dass manche sich umorientieren würden, war unvermeidbar. Bereits in den Jahren zuvor war es schon schwierig, qualifizierte und leidenschaftliche Mitarbeiter zu finden; diese Situation spitzte sich nun dramatisch zu. Sehr gute Kollegen sind in andere Branchen abgewandert und werden nicht zurückkommen – das tut weh, aber wir müssen zuversichtlich bleiben.
Inwiefern beeinflussen Trends wie Slow Travel und der Wunsch nach Nachhaltigkeit Ihr Geschäftsmodell?
Ein Hotelumbau respektive eine Hotelvergrösserung sowie die nie enden wollende Angebotserweiterung in der gesamten Ferienhotellerie sehe ich als Paradoxon im Nachhaltigkeitsdiskurs. Dennoch haben wir uns im Sensoria Dolomites der Nachhaltigkeit verschrieben und versuchen, gangbare Lösungen zu finden, wo immer es geht – baulich und im gesamten Angebot für unsere Gäste. Es wäre dennoch merkwürdig, wenn jeder Gast während seines Aufenthalts 100%ig nachhaltig leben müsste, nur um nach seiner Heimkehr wieder komplett in die alte Routine zu verfallen. Für mich sind es, wie vorhin erwähnt, die Mikromomente, die zählen, die Menschen langsam, aber bewusst zu einer tiefgreifenden Veränderung veranlassen, die sie selbst die Notwendigkeit des Wandels erfahren lassen. Sinnvolles und bewusstes Weglassen, nicht kompletter Verzicht – das ist für mich nachhaltiger Genuss
Wo sehen Sie die Zukunft der Hotellerie? Welche Trends verfolgen Sie in der Branche?
Natürlich gibt es Trends – Metatrends, Megatrends, soziokulturelle Trends und noch vieles mehr. Vielleicht liegt es auch an meiner vorherigen Berufserfahrung, aber ich bin tief davon überzeugt, dass nur wenige Trends das komplette Wirtschaftssystem tiefgründig umwälzen. Gewisse Konsum- und Technologietrends gehören sicherlich dazu, und die lassen sich in Teilen ja auch bewusst steuern. Unsere Dolomitenregion Seiser Alm etwa greift einige der Megatrends auf und fördert sie – etwa die Themen Gesundheit, Neo-Ökologie, Energie und Mobilität. All diese nachhaltigen, zukunftsträchtigen Trends bilden die Fundamente unserer Positionierung. Das können wir mitbestimmen, so viel liegt zum Glück in unserer Macht; eine Macht, die wir alle nutzen sollen und wollen.
Text: Forbes Redaktion
Fotos: Sensoria Dolomites, Senoner Tammerle Architekten (Renderings)
Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.