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Die Frage, was nach dem Internet kommt, wird bereits schon länger gestellt. Das sogenannte „Metaverse“, das zukünftig eine virtuelle Parallelwelt schaffen soll, ist als eine Antwort darauf zu verstehen. Erst in den letzten Wochen kündigte Facebook – jetzt „Meta” – an, Tausende Arbeitsplätze für ihr eigenes „Metaverse“ schaffen zu wollen. Aber was ist das eigentlich?
Es ist das Jahr 2045. Wir befinden uns in einer Welt, die von der Ausbeutung fossiler Energieträger völlig zerstört wurde. Die Energie- und Wirtschaftskrise hat verheerende Hungerkatastrophen zur Folge. Es ist eine Welt, die von extremen sozialen Gegensätzen geprägt ist: steinreiche Organisationen und Privatpersonen auf der einen Seite, Menschen ohne Existenzgrundlage auf der anderen. Nebenher existiert eine perfekte virtuelle Welt, die die verheerende Realität durch eine virtuelle Illusion weitestgehend ersetzt. Die virtuelle Welt – OASIS (Ontologically Anthropocentric Sensory Immersive Simulation) – stellt eine erstrebenswerte Alternative zum realen Leben dar: Bildung und Wissen für alle, Unterhaltung und Computerspiele, aber auch ein paralleles Währungs- und Wirtschaftssystem, das in die reale Welt übertragbar ist. OASIS wurde von dem aus einfachen Verhältnissen stammenden „Nerd“ James Halliday programmiert und gegründet. Jetzt macht er damit ein Milliardenvermögen. Mit manchmal durchaus realistischen Aspekten gespickt, ist dieses Szenario natürlich Fiktion: Der Milliardär James Halliday und seine virtuelle Welt existieren nur im Science-Fiction-Roman „Ready Player One” von Ernest Cline aus dem Jahr 2011. Der Roman aber, der im Jahr 2018 verfilmt wurde, ist heute deutlich mehr als nur Science-Fiction.
Das prominenteste Beispiel am Feld der Social Media Welten, Mark Zuckerberg, ist längst nicht der erste Silicon-Valley-Milliardär, der sein Unternehmen zukünftig in einer virtuellen Parallelwelt sieht. Schon in fünf Jahren wird man Facebook nicht mehr als Social-Media-Plattform betrachten, sondern viel mehr als „Metaverse“ (dt: Metaversum), sagt er. Mit neuem Unternehmensnamen „Meta” will Zuckerberg eine neue virtuelle Welt aufbauen – eine Art Virtual-Reality-Internet, in der sich Menschen als Avatare bewegen – und plant dafür Tausende neue Mitarbeiter einzustellen (10.000 etwa in Europa). Kritische Stimmen aber sind überzeugt: Die Umfirmierung ist ein reiner PR-Stunt. Die Pläne des weltweit grössten sozialen Netzwerks sind nichts weiter als Image-Politur, um von den aktuellen Skandalen rund um die Enthüllungen der Facebook-Papers abzulenken.
Zuckerberg selbst sieht das zweifelsfrei anders: Er will mit Metaverse einen Ort schaffen, an dem physische und digitale Welten zusammenkommen. Ein Ort, an dem sich Nutzer, unabhängig von Standort und Zeit nahe fühlen, an dem der Mensch mit der Technologie verschmilzt. Das soll mit Hilfe von Virtual Reality gelingen, wobei Nutzer mit Spezialbrillen in digitale Welten eintauchen können. So soll es beispielsweise möglich sein, als Hologramm im Meeting-Raum seines Büros zu sitzen oder als Avatar zu Bewerbungsgesprächen gehen zu können. Nicht nur das Arbeitsleben soll dadurch revolutioniert werden, auch die Bereiche Unterhaltung, soziale Interaktion, Gaming und Bildung gehören u.a zum Spektrum des Metaversums. Vor allem sticht hervor: Geld spielt (wenig überraschend) eine wichtige Rolle. Egal ob Kleidung, Haushaltsgeräte oder das Kaufen von E-Games – jeder Aspekt des Metaverse bietet Möglichkeiten, Geld auszugeben.
Neben Facebook gehören Instagram, Whatsapp und Oculus – ein Unternehmen, das VR-Brillen produziert – zum Unternehmens-Repertoire von Mark Zuckerberg. Unter dem Namen „Meta” schliessen sich die zahlreichen Plattformen nun zusammen.
Es ist davon auszugehen, dass die Entwicklung und Erstellung des Facebook-Metaversums viel Zeit und Ressourcen benötigen wird. Laut Meta wird Oculos beispielsweise 150 Millionen US-$ in AR/VR-Schulungen (Anm. Augmented und Virtual Reality) und -Ressourcen investieren. An der gesamten Erstellung sollen sich vor allem interne Entwickler, aber auch Drittanbieter beteiligen. Wer diese sind, ist noch nicht bekannt. Eines ist klar: Das Metaverse nach Facebooks Vorstellung soll kompatibel und offen sein, ohne sich dabei auf ein Firmen-System zu beschränken. Weiters wird angenommen, dass Meta versuchen wird, erneut eine Monopolstellung am Metaverse-Markt einzunehmen, so wie es Facebook in der Vergangenheit gelungen ist.
Doch auch Andere haben mit ähnlichen Visionen aufhorchen lassen. Etwa Tim Sweeny, CEO von Epic-Games, dem Macher des plattformübergreifenden Videospiels „Fortnite”. Im April 2021 hat das Unternehmen eine Finanzierungsrunde in Höhe von einer Milliarde US-$ erhalten. Mit dem Geld wolle man die langfristige Vision des Unternehmens, ein Metaverse zu etablieren, schon bald umsetzen. Auch Satya Nadella, CEO von Microsoft hat angekündigt, ein „Enterprise-Metaverse“ rund um Microsoft aufbauen zu wollen.
Der Begriff Metaverse kam ursprünglich das erste Mal im Neal Stephenson-Roman „Snow Crash” auf. Die Protagonisten des 1992 erschienenen Science-Fiction-Klassikers sind auf der Flucht vor ihrer realen Welt, die durch kapitalistische Ausbeutung gekennzeichnet ist. Sie betreten das Metaverse mittels Augmented Reality-Brille, mit der sie sich gleichzeitig in ihrem materiellen Leben sowie im Metaverse aufhalten können. Im Vergleich zu „Ready Player One”, wo sich die Menschen ausschliesslich in die virtuelle Welt begeben können – mit Ausnahme der Grundbedürfnisse wie etwa Schlafen, Essen oder der Gang zur Toilette –, ermöglicht das Metaverse in „Snow Crash“ hybride Zugänge. Eine Augmented Reality ermöglicht es den Menschen, in beiden Welten zu sein, wobei reale und virtuelle Welt strikt voneinander getrennt sind. Kein Wunder, dass man Mark Zuckerberg vorwirft, genau diesen Roman als Vorlage für sein Vorhaben genommen zu haben.
Was alle Sci-Fi-Angeboten rund um das Metaverse gemein haben: das Portrait einer dystopische Welt, aus der man aufgrund der horriblen Zustände fliehen möchte. Daher stellt sich die Frage: Ist Zuckerbergs Metaversum utopisch oder dystopisch zu verstehen?
Text: Naila Baldwin
Fotos: Facebook/Oculus