Musik geniessen

Früher waren sie Teil jedes Haushalts, in den 1990ern starben sie beinahe aus, seit einigen Jahren erleben Schallplatten ein Revival. Heinz Lichtenegger vertreibt mit seiner Audio Tuning Vertriebs GmbH Hi-Fi-Geräte und -Komponenten. Seine 1991 gegründete Plattenspielermarke Pro-Ject ist weltweit führend in Sachen Oldschool-Hörgenuss – und machte ihn zum Millionär.

Gelegen ausgerechnet am Analogweg 1 im Wirt­schaftspark Mistelbach-Wilfersdorf werden Be­sucher des Hauptquartiers der Audio Tuning Vertriebs GmbH von klassischer Musik begrüsst, die aus zahlreichen Lautsprechern schallt. Hin­ter den Eingangstüren werden auf Sockeln die verschiedenen Schallplattenspieler des Unternehmens präsentiert, die von hier aus in die gesamte Welt verschickt werden. Manche sind klassisch in Weiss oder Schwarz gehalten, andere sind bunt und verspielt. Manche Geräte sehen auf den ersten Blick gar nicht aus wie Plattenspieler – der „Metallica Turntable“ etwa hat die Form eines Sterns, der an den Schriftzug im Logo der Band erinnert. Daneben steht ein Platten­spieler, der den Beatles gewidmet ist: Er hat die Form und Farbe eines gelben U-Boots. Auf allen Geräten steht Pro-Ject; ein Name, der unter Musikliebhabern weltweit bekannt ist.

Pro-Ject-Gründer Heinz Lichtenegger begann im Jahr 1991, unter diesem Markennamen Platten­spieler zu produzieren und zu verkaufen. Heute erzielt seine Audio Tuning Vertriebs GmbH mit Pro-Ject 70 % des Umsatzes, der sich heuer auf rund 50 Mio. € belaufen soll. Pro-Ject-Plattenspieler sind in 80 Ländern und 5.000 Stores zu finden, die Preise reichen von 250 € (für die „Elemental“-Linie) bis 11.000 € (die teuerste Variante der „Signature“-Linie). Lichtenegger konnte sich in den letzten 30 Jahren so einiges an Vermögen aufbauen. Das Unternehmen ist schwer zu bewerten – für die Marke Pro-Ject erhielt der Unternehmer aber Angebote im zweistelligen Millionenbereich; die genaue Zahl verrät er nicht. All das baute sich Lichtenegger ohne Investoren auf – wenn auch mit Bankkrediten –, Pro-Ject gehört also zu 100 % ihm. Ein Verkauf kommt für ihn aber nicht in­frage; allein der Bau des Headquarters kostete 13,5 Mio. €.

Neben Plattenspielern gibt es auch Pro-Ject-Lautsprecher, -Verstärker und andere Hi-Fi-Elektronik. Die Marke ist Lichteneggers grösste, doch er besitzt vier weitere, und seine ­Audio Tuning vertreibt nach wie vor Geräte anderer internationaler Firmen. Auch Heim­kino-Sets verkauft Lichtenegger.

Seine Leidenschaft galt aber immer den Platten. Er besitzt privat 65 Plattenspieler und an die 100.000 Schallplatten. Doch die Vinylscheiben wurden in den 1980ern, als Lichten­egger sein Business aufbaute, zunehmend von CDs verdrängt: 1981 wurden weltweit noch eine Milliarde LPs verkauft, 1988 nur noch 510 Mil­lionen, wie die International Federation of the Phonographic Industry damals berichtete. Im selben Jahr kletterten die globalen CD-Verkäufe auf 400 Mio. Stück. „Für die Vinyl-LP wird es sicherlich keine Gnadenfrist geben“, hiess es in einem Artikel aus 1990, der im Journal Popular Music veröffentlicht wurde. Viele Hersteller von Plattenspielern mussten ihr Geschäft neu ausrichten oder riskieren, pleitezugehen.

Doch dann kam das Revival in den 2000ern. Der Boom begann in Grossbritannien, wo 2007 zum ersten Mal seit den 1990ern wieder mehr Platten verkauft wurden als im Vorjahr. In Deutschland steigen die Verkäufe seit 2009 kontinuierlich – damals wurden mit Schallplatten 9 Mio. € umgesetzt, 2019 waren es dann bereits 79 Mio. € – ein Wachstum von insgesamt 700 %. Einen noch grösseren Schub bekam die Branche in den Corona-Jahren, als viele in ihr Zuhause investierten, was die Verkaufszahlen schlagartig ansteigen liess. 2021 schrieb Lichteneggers Audio Tuning 60 Mio. € Umsatz, das EBIT betrug damals fast 6,5 Mio. €. „In der Corona-Zeit war unser Geschäft gigantisch“, sagt der Unternehmer, fügt jedoch hinzu: „Heuer spielt es das nicht mehr.“ Er führt die wieder steigende Popularität von Schallplatten (und somit auch die steigende Nachfrage nach Plattenspielern) darauf zurück, dass Menschen wieder etwas Physisches in der Hand halten wollen. Ausserdem sei das analoge Audio, das Schallplatten liefern, von unübertrefflicher Qualität.

Auf einer Party, so erzählt Lichtenegger die Gründungsgeschichte von Pro-Ject, lernte er die Tochter einer tschechischen Botschafterin kennen. Ihr Onkel arbeitete in einer tschechischen Plattenspielerfabrik, die aber die Herstellung der Geräte einstellen musste. „Sie zeigte mir eines der Geräte und fragte mich nach meiner Meinung. Ich schaute mir den Plattenspieler an und sagte zu ihr: ‚Schwerer Plattenteller, Vier-Punkt-gelagerter Tonarm, ein Vollholz-Chassis … Der Tonabnehmer ist ein Chaos und die Plastikmatte gehört ausgewechselt, aber sonst ist das ein super Ding!‘“, so Lichtenegger. Einige Tage später fuhr er nach Tschechien in die Fabrik – und überredete den Manager, die Plattenspieler (mit leichten Modifizierungen) für ihn zu produzieren. Das Risiko lohnte sich: Der „Pro-Ject 1“, der wenig später vom Fliessband rollte – und das erste Produkt war, das Lichtenegger selbst produzierte und nicht nur vertrieb –, war ein sofortiger Erfolg. Lichteneggers Plattenspieler gewannen bald internationale Auszeichnungen wie den British HiFi-Award.

Beim internationalen Verkauf konnte sich Lichtenegger auf seine Kontakte verlassen, die er während seiner Zeit als Hi-Fi-Händler geknüpft hatte. „In Österreich konnte ich den Pro-Ject 1 selbst verkaufen, da mich alle bereits als Hi-Fi-Guru kannten“, so der Unternehmer, bevor er fortfährt: „Jeder wusste: Wenn der Lichtenegger einen Plattenspieler herausbringt, muss der super sein.“ 3.000 Schilling kostete der Pro-Ject 1, was heute einem Betrag von fast 400 € entspricht. 1999 folgte der Pro-Ject Debut, der ähnlich kompetitiv bepreist und ausserdem leicht zu bedienen war. „Das war immer schon unser Markenzeichen: Wir bauen günstige Sachen, die aber wirklich audiophil sind“, so Lichtenegger. Der Debut war lange Zeit Lichteneggers Zugpferd. Er kam in prominenten Farben und stach so im Grosshandel heraus, seine unkomplizierte Bedienung machte ihn zum perfekten Fit für Neulinge in der Hi-Fi-Welt. Und, so Lichten­egger: „Viele fangen mit einem 300-€-Platten­spieler an, aber kommen nach einigen Jahren wieder und kaufen sich einen um 1.000 €.“

Hinzu kommt, dass alle Komponenten eines Soundsystems gut sein müssen, damit die Musik gut klingt. „Man braucht einen guten Platten­spieler, gute Boxen und einen guten Verstärker. Der beste Plattenspieler klingt schlecht, wenn die Lautsprecher nicht passen“, sagt Lichtenegger. Mit seiner Audio Tuning konnte er seinen Kunden dieses Gesamtpaket verkaufen. Lichten­egger: „Ich konnte meinen Kunden für einen relativ niedrigen Preis eine richtig gute Hi-Fi-­Erfahrung bieten.“ Das Premium-Equipment könnten Käufer auch ihr Leben lang geniessen,
so der Unternehmer. Lichtenegger: „Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Das geniesse ich nach wie vor jeden Tag.“

Lichtenegger begann seine Karriere mit Hi-Fi-Geräten bereits früh, als er sich mit 16 Jahren seine erste Anlage anschaffte. „Damals kauften sich die meisten meiner Freunde Motorräder, aber ich war nie normal“, lacht er. „Es hat sich herumgesprochen, dass ich mich auf dem Gebiet auskenne, und ich stieg schnell zum Advisor auf.“ Auf „Hörshows“ zeigte Lichten­egger seinen Freunden, was es heisst, Musik aus einer guten Anlage zu hören. „Für mich waren es immer die Emotionen, die Musik aus einer guten Audioanlage hervorrufen kann, die mich an den Geräten fasziniert haben. Das wollte ich auch meinen Freunden zeigen“, sagt Lichtenegger über seine Leidenschaft. Viele waren begeistert und der Hi-Fi-Experte konnte sie beim Kauf gut beraten – der Grundstein seiner Karriere.

Als der junge Lichtenegger für sein BWL-Studium (welches er später abbrach) nach Wien zog, konnte der Waldviertler einen grösseren Markt bedienen, sein Geschäft wurde zunehmend professioneller. „Ich habe meine Studentenbude zum Hi-Fi-Studio gemacht“, so Lichten­egger. Seine Kunden waren Studienkollegen und Hi-Fi-Interessierte, die er auf Partys kennen­lernte. Diese Kunden empfahlen Lichtenegger an ihre Freunde weiter, die wiederum ihren Bekannten von dem neuen Händler in der Szene erzählten. Lichteneggers Bekanntheit stieg. Er begann damit, bestimmte Marken wie Musical Fidelity und Triangle zu importieren. „Dabei habe ich immer versucht, den gleichen Preis wie im Ursprungsland zu erzielen. In den 80er-Jahren bin ich so zum grössten Grosshändler für Hi-Fi in Österreich aufgestiegen“, erzählt Lichtenegger – und rundet somit die Vorgeschichte zum heu­tigen Erfolg von Pro-Ject und der Audio Tuning Vertriebs GmbH ab.

Heinz Lichtenegger kaufte seine erste Hi-Fi-Anlage, als er 16 Jahre alt war. Heute produziert und verkauft seine Audio Tuning Vertriebs GmbH Hi-Fi-Geräte von über 50 international bekannten Marken. Seine Pro-Ject-Plattenspieler gehören zu den weltweit bekanntesten.

Text: Erik Fleischmann
Foto: beigestellt
Infografik: Emin Hamdi

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