Money makes space go round

Zehn Mrd. US-$ kostete das James-Webb-Teleskop – hinter diesem und 130 weiteren Projekten der Nasa steckt der Schweizer Thomas Zurbuchen. Der ehemalige Wissen­schaftsdirektor der US-Weltraumagentur ist heute in seine Heimat zurückgekehrt; mit im Gepäck: ein höherer Anspruch an die Förderung von Wissenschaft. Denn Zurbuchen ist über­zeugt, dass es grosse Investitionen in die Welt­raum­forschung benötigt, um die Klimakrise zu bekämpfen und die Menschheit technologisch weiterzuentwickeln.

Als am 25. Dezember 2021 um 12 Uhr 20 der Countdown in Fran­zösisch-­Guayana auf null fällt, hält die Welt kurz den Atem an. Die Trägerrakete Ariane 5 zündet ihre Triebwerke und taucht damit die gesamte Startfläche im Raumfahrtzentrum Guayana in Rauch. „And liftoff, from a tropical rain forest to the edge of time itself. James Webb begins a voyage back to the birth of the universe!“, sagt der Nasa-Ansager, als die Rakete aus dem Kamerabild verschwindet. Ariane 5 hat teure Last im Gepäck: Sie trägt das wohl grösste Projekt der Nasa seit der Mondlandung, das James-Webb-Teleskop. Zehn Mrd. US-$, 25 Jahre Planung und viel Innovation stecken in dem Herzensprojekt von Thomas Zurbuchen und der Nasa. „James Webb ist geschichtlich gesehen sicher eines der wichtigsten Projekte gewesen, weil es uns den Himmel komplett neu zeigt“, so Zurbuchen.

Doch das Teleskop ist nur eines von vielen Projekten, die Zurbuchen während seiner Zeit bei der Nasa umgesetzt hat. An fast 130 hat der gebürtige Schweizer mitgearbeitet, seit er 2016 zum Wissenschafts­direktor der US-Raumfahrtagentur ernannt wurde. Davor studierte er in Bern, entgegen dem Wunsch seiner sehr religiösen Eltern, Astrophysik; 1996 promovierte er. „Der Himmel ist einfach etwas, was mich schon immer interessiert hat. Als Kind dachte ich mir immer: ‚Der Nachthimmel muss doch mehr können als einfach nur schön ausschauen!‘“, erzählt der Physiker.

Neben dem James-Webb-­Teleskop war Zurbuchen unter anderem auch an der Parker Solar Probe, der Dart- und den Mars-­Rover-Missionen sowie der Juno-Mission beteiligt. Mit jeder Mission stiegen auch die Kosten der Space Agency, und damit wuchs Jahr für Jahr auch ihr Budget. Während es 1969, im Jahr der berühmten Mond­landung, „nur“ 4,251 Mrd. US-$ waren, lag das Budget 2016 schon bei 19,3 Mrd. und 2021 bei 23,271 Mrd. US-$. Die Nachfrage und der Wunsch, mehr über unsere Existenz im Universum herauszufinden, nahmen in den letzten Jahren also enorm zu. „Ich schätze, dass weltweit ungefähr 300 Milliarden für die Weltraumforschung ausge­geben werden. Wir vermuten, dass sich diese Zahl in den nächsten 20 bis 30 Jahren verdreifachen wird“, so der ehemalige Nasa-Wissenschafts­direktor.

Europa war bisher nur ein recht kleiner Mitspieler, wenn es um Weltraumforschung geht. So lag das Budget der ESA im Jahr 2021 bei rund 6,49 Mrd. €. Europa habe aber Potenzial, ein wichtiger Akteur in der Erkundung des Universums zu werden, glaubt Zurbuchen. „Die Frage ist, wie sich Europa selbst sieht. Gerade wenn es um Entrepreneurship in der Weltraumforschung geht, unterschätzt sich Europa momentan selbst“, erklärt Zur­buchen. In dieses sich selbst unterschätzende Europa ist Zur­buchen 2023 als Leiter des Space-Programms der ETH Zürich zurückgekehrt. „Ich glaube, dass ich auf der ETH, einer der besten Universitäten Europas, mit meinem langjährigen Wissen aus den USA viel verändern kann“, erzählt Zurbuchen.

Denn Weltraumforschung kostet nicht nur viel Geld – vor allem im Bezug auf den Klima­wandel kann mithilfe der Erkenntnisse aus dem Weltall viel verändert werden. Die Nasa untersucht die Erde seit dem Start ihres ersten Wettersatelliten (Tiros) im Jahr 1960; ungefähr zur selben Zeit, als die Menschen zu begreifen begannen, dass sich unser Klima relativ schnell verändert. Auch Erkennt­nisse von anderen Planeten geben Wissenschaftlern einen guten Ein­blick in eine mögliche Zukunft der Erde. „Es gibt einfach viele Probleme, die man nur aus dem Weltraum lösen kann“, so Zurbuchen.

Neben Erkenntnissen für die Klimaforschung haben Weltraumprojekte die Menschheit geschichtlich betrachtet auch technologisch stark weitergebracht. So wurde beispielsweise während der Entwicklung der Pilotensitze der Apollo-Missionen der Memory Foam erfunden; auch digitale Bildsensoren (eine Technologie, die heute in jedem Smartphone vorhanden ist) wurden das erste Mal in den Kameras der Apollo-11-Astronauten verbaut. „Solche wichtigen und grossen Projekte  wie die Apollo-Missionen haben unglaubliche Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit. Sie fördern fächer­übergreifende Innovation. Ich bin mir sicher,  dass die Marslandung Ähnliches bewirken wird“, sagt Zurbuchen.

Den Flug zum Mars plant die Nasa in den 2030er-Jahren zu absolvieren. 2035 wäre dafür technisch gesehen ideal, da die Distanz zwischen Erde und Mars in diesem Jahr mit unter 0,4 Astronomischen Einheiten am geringsten wäre. Eine ähnlich kurze Distanz würde es erst wieder 2050 geben. Space X, das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk, spricht jedoch davon, schon im Lauf der 2020er-Jahre unbemannte sowie bemannte Flüge zum Mars anzubieten. Für den Milliardär bleibt also nicht mehr viel Zeit.

Zurbuchen sieht die Ent­wicklung in Richtung kommerzielle Raumfahrt als etwas grundsätzlich Positives. „Es ist ein Vorteil, wenn neben Staaten auch private Unternehmen in die Raumfahrt inves­tieren. Insgesamt kann man somit mehr Wissenschaft für weniger Geld machen, weil dann auch die Privatwirtschaft ihr Geld mit in den Topf wirft“, erklärt der Schweizer. Dabei geht es nicht ausschliesslich um „Touristenflüge“ ins Weltall, sondern auch um Unternehmen, die beispielsweise Satelliten herstellen und ­entwickeln.

Das amerikanische Unter­nehmen Rocket Lab beispielsweise betreibt einen Raketenstartplatz in Neuseeland, von wo es regel­mässig Satelliten und Trägerraketen in den Orbit bringt. Auch das kalifornische Unternehmen Planet Labs, dessen Satelliten täglich Bilder der Erde machen, hat wissenschaftlich sowie gesellschaftlich einen grossen Mehrwert – die gemachten Fotos haben zum einen Veränderungen der Meeresspiegel und Wetter­situationen zeigen können, aber auch beispielsweise die Verwüstungen in den besetzten Gebieten während des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

„Europa hat ganz viel un­ausgeschöpftes Potenzial, wenn es um Raumfahrtunternehmen geht“, so Zurbuchen. „Dabei ist es ganz wichtig, sich zu fragen, wie man Weltraumforschung auf eine Art und Weise machen kann, ohne dass die Regierung die wichtigste Investitionsquelle ist.“ Genau deswegen ist ­Zur­buchen in seine Heimat zurück­gekehrt. Laut ihm gibt es viele Möglich­keiten, in Europa unter­nehmerisch in der Raumforschung tätig zu werden. Jetzt, auf der ETH Zürich, sieht der ehemalige Wissenschafts­direktor der Nasa seine Aufgabe vor allem auch in der Weiterbildung von jungen Wissenschaftlern. So erzählt Zurbuchen abschliessend: „Ich will Menschen helfen, nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft unternehmerisch und wissen­schaftlich ­erfolgreich zu sein.“

Foto: Thomas Baumann

Lela Thun,
Redakteurin

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