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Die Schweizer Köchin Meta Hiltebrand jagte nach kulinarischen Sternen und leitete zu Höchstzeiten zwölf Mitarbeiter in zwei Restaurants mit insgesamt drei Mio. CHF Umsatz. Ihre Weiterentwicklung als Köchin und Unternehmerin sah sie allerdings nicht im weiteren Wachstum – stattdessen beschloss sie, ihr Geschäft zu verkleinern, und eröffnete ihr heutiges Kochstudio Cookcouture. Auf diese Weise fand Hiltebrand ein neues Gleichgewicht, indem sie Arbeit und Privatleben in Einklang brachte.
Meta Hiltebrand steht inmitten eines Kochparadieses in Italien, in einem auf einem Hügel gelegenen Haus mit weitläufigem Blick auf den Wald und einem Gemüsegarten mit Tomaten, Kräutern, Zucchini, Johannisbeeren und Wacholder, bei dem sie sich bedienen kann. Hiltebrand ist im Urlaub; heute ist aber Kochtag und auf dem Speiseplan steht „Alles in einem Topf“.
„Ich war ein Kind, das in der Schule sehr schlecht war, und zwar in allen Pflichtfächern. In Mathe, Schreiben – also in allem, von dem man sagt, dass es für das Leben wichtig ist – war ich nicht gut“, sagt sie. Ihre Dyslexie spielte eine Rolle bei den Sorgen um ihre Zukunft. „Aber das ist eigentlich mein Erfolgsgeheimnis“, erklärt Hiltebrand: „Wenn man nicht gut im Schreiben und Lesen ist, ist man wahrscheinlich gut mit den Händen.“ Das war sie, und hier kamen ihre wahren Talente zum Vorschein, durch unermüdliches Üben.
Ihre ersten Schritte in die kulinarische Welt machte Hiltebrand während ihrer Ausbildung im Restaurant Rigihof. Ihr Mentor Fabio Codarini, ein Schweizer Koch mit italienischen Wurzeln und einer Affinität zur französischen Küche, hat sie nachhaltig geprägt. Codarini war für Hiltebrand mehr als ein Chef – er sei ein Visionär, sagt sie, der ihre Leidenschaft teilte, ihr Talent erkannte und sie förderte.
Ihre Beziehung ist auch heute noch stark, aber ihre Wege trennten sich, als Hiltebrand ein verlockendes Angebot von Château Mosimann bekam. Der renommierte Schweizer Koch Anton Mosimann kochte für die Queen, das Restaurant lag in einer sehr ländlichen Gegend, aber die Küche war bemerkenswert, erinnert Hiltebrand sich. Ihre Zeit im Château, wo sie sich am liebsten an die Zusammenarbeit mit dem Küchenchef Patrick Buser erinnert, sollte nicht allzu lange dauern – das Restaurant schloss seine Tore und für Hiltebrand öffnete sich damit eher unerwartet eine Tür. Kurzfristig wurde sie im VIP-Club Haute und im Widder-Hotel in Zürich angestellt, aber langfristig stellte sie ihre Zukunft in der Küche infrage. „Jeden Tag das Gleiche zu tun ist nicht mein Talent“, erklärt sie. Zu dieser Zeit überlegte sie sich eine betriebswirtschaftliche Ausbildung.
An jenem Tag, an dem die Bewerbungsfrist für die Business School ablief, änderte ein entscheidendes Gespräch mit ihrer Chefin ihren Werdegang: Als Hiltebrand die Stelle als Chefköchin im Restaurant Monte Primero in Zürich angeboten wurde, obwohl sie nur eine Aushilfskraft war, lautete ihre Antwort einfach: „Ab wann?“ Sie nahm sofort die Zügel in die Hand und sah sich mit der Leitung eines überwiegend männlichen Küchenpersonals konfrontiert – eine gewaltige Herausforderung, der sie mit Stärke und Durchsetzungsvermögen begegnete, erzählt sie selbstbewusst. Ihre neue Rolle als Chefköchin wurde mit Skepsis aufgenommen, doch sie bewies ihr Können: „Ich war stark und durchsetzungsfähig“, sagt sie.
Etwa um dieselbe Zeit gelang es ihr, einen Fuss in die TV-Welt zu setzen. „Ich ging zu diesem Casting (von Tele Züri, Anm.) hin, kochte 15 Minuten lang, und die Leute jubelten. Sie waren sehr zufrieden, und am nächsten Tag habe ich den Job bekommen“, erinnert sich Hiltebrand.
Der Wechsel zum Fernsehen erforderte aber andere Fähigkeiten als ihr kulinarisches Fachwissen. „In der Küche bin ich sehr geschickt in Sachen Organisation, Ideen, Kreativität auf den Tellern, Perfektion bei Fleisch, Temperatur und Kochmethoden. Das ist mein Talent“, sagt Hiltebrand. Das Fernsehen verlangt jedoch mehr als nur kulinarisches Geschick: „Man muss lustig sein, man muss gut aussehen, man braucht schöne Hände und eine Menge Charisma“, erklärt sie. Ihr Branding, zu dem auch die leuchtend orangefarbenen Haare und die lila Kochjacke gehören, wurde von ihrer Schwester als Teil einer umfassenden „Verpackungsstrategie“ entwickelt. „Meine Schwester meinte, wir bräuchten eine gute Verpackung. Man braucht mehr als nur Talent – ein bisschen seltsam, aber es hat funktioniert“, erzählt Hiltebrand heute.
Parallel zu ihrer Fernsehkarriere war sie auf der Suche nach einem Nebenverdienst, nachdem sie ihre Rolle in der Küche aufgegeben hatte. „Mit dem Fernsehen habe ich kein Geld verdient; ich brauchte einen Job, um meine Miete zu bezahlen.“ Also wurde sie Privatköchin. „Ich bin auch auf Messen aufgetreten, und das war der Moment, in dem meine Karriere richtig in Schwung kam.“
Im Alter von 28 Jahren war Hiltebrand bereit für etwas Eigenes. Sie wollte ihre eigene Location bespielen, und im Jahr 2011 gab sie eine Zeitungsanzeige auf, die zur Gründung von Meta’s Kutscherhalle, einem Lokal mit 30 Plätzen, führte. Kurz danach, im Jahr 2013, eröffnete sie ihr zweites Restaurant, Le Chef, diesmal mit 60 Plätzen. Ihr Versuch, beide Restaurants gleichzeitig zu leiten, erwies sich jedoch als grosse Herausforderung, wie Hiltebrand im Nachhinein einräumt: „Es hat nicht ganz funktioniert.“
Meta’s Kutscherhalle war von einer italienischen Ästhetik geprägt, die vom Investor bestimmt wurde: „Schön, klein – aber nicht ich“, sagt Hiltebrand heute. Im Gegensatz dazu hat Le Chef ihre Persönlichkeit mit ihren unverwechselbaren Elementen, von den violetten Wänden und der einzigartigen Beleuchtung bis hin zu den geräumigen, gut ausgestatteten Toiletten, aufgegriffen; und die um das Fünffache vergrösserte Küche bedeutete auch eine Vergrösserung des Teams von vier auf neun Mitarbeiter.
Dann kam Corona. Zunächst löste der Ausbruch Panik aus, da Hiltebrands Restaurant ohne eingehende Geschäfte vor einer finanziellen Belastung stand. Ohne ihre Restaurant-Routine sah Hiltebrand sich mit einer ungewohnten Realität konfrontiert und fragte sich: „Was soll ich tun?“ Ihre Identität war untrennbar mit der Welt des Restaurants verbunden, aber ein Wendepunkt kam, als sie ihren jetzigen Partner kennenlernte. Diese neu gefundene Beziehung diente als Katalysator für Selbstentdeckung und Verjüngung und inspirierte sie dazu, ein Leben jenseits der kulinarischen Welt zu erkunden. Der Versuch, sich zurückzuziehen und dem Privatleben den Vorrang zu geben, führte zu betrieblichen Herausforderungen
im Restaurant, und schliesslich traf sie die schwierige Entscheidung, ihr geliebtes violettes Lokal zu schliessen. „Ich habe viel geweint, weil es mein Baby war“, erinnert sie sich heute.
Doch sie hat sich wieder aufgerappelt und ein neues Kapitel aufgeschlagen: ein Kochstudio in Zürich, genannt Cookcouture, das die Kreativität beim Kochen in den Vordergrund stellt. Das Kochstudio bietet sowohl kulinarische Abende als auch Kochkurse an. „An diesem Kulinarikabend koche ich, was ich will“, sagt Hiltebrand. „Es gibt ein Fünf-Gänge-Menü, aber die Gäste haben keine Ahnung, was ich kochen werde.“ Sie begrüsst die Gäste, giesst ihnen Champagner ein und erzählt von ihrer Geschichte, ihrer Leidenschaft und ihrer Philosophie. „Und dann gehen wir zu Tisch, und ich koche superverrücktes Essen – zum Beispiel eine weisse Schokoladenpraline, gefüllt mit geräucherter Forelle, mit Wasabi und Vanille.“
Daneben absolviert die Schweizerin weiterhin Fernsehsendungen und schreibt Rezepte für internationale Unternehmen. Jetzt ist sie „nicht mehr so gross, was die Geschäftszahlen angeht“, aber sie habe ein Gefühl „der Erfüllung jenseits von reinem Geld“ wiedergefunden.
In ihrer Hochzeit leitete Hiltebrand ein Team von zwölf Mitarbeitern in zwei Restaurants und erzielte einen Umsatz von drei Mio. CHF. Mit der Verschlankung ihres Betriebs ging sie zu einem einzigen Restaurant mit acht Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,5 Mio. CHF über. Gegenwärtig ist Cookcouture eine intimere Angelegenheit, die von ihr und ihrer Souschefin, ihrer besten Freundin und „Geschmacksbegleiterin“, wie sie sie nennt, geleitet wird. Gemeinsam erwirtschaften sie einen Umsatz von etwa 450.000 bis 500.000 CHF.
Heute spiegelt Hiltebrands Leben ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben wider, wobei das Kochen nahtlos in beide Bereiche eingeflochten ist. „Ich habe kürzlich drei Wochen lang frei gehabt – weil ich es kann“, unterstreicht sie ihre neu gewonnene Freiheit.
Foto: beigestellt