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Mit Patentpool etablierte Heiner Pollert eine Mischung aus VC und Company Builder. Das Unternehmen soll technische Innovationen patentrechtlich schützen, finanziell fördern und managen. Mit im Portfolio: Prisma Analytics, das mit Big-Data-Analysen Antworten auf die grossen Fragen unserer Zeit liefern soll.
Ob Blade Runner, Terminator oder I, Robot – Hollywoodfilme zeichnen die Version einer Welt, in der sich Replikanten oder künstliche Intelligenzen gegen ihre menschlichen Schöpfer erheben. Dem entgegen steht die eher nüchterne Betrachtung Heiner Pollerts: „Vor einer neutral denkenden Maschine habe ich weniger Angst als vor der Eitelkeit und Eifersucht eines menschlichen Entscheidungsträgers.“ Als Gründer und CEO von Patentpool – das Münchner Unternehmen ist ein Mix aus Risikokapitalgeber und Company Builder – setzt Pollert den Fokus auf disruptive Technologien in den Bereichen Nachhaltigkeits- und Informationstechnologie, Technikwissenschaft sowie Medizin/Pharma. Das Ziel: technische Innovationen patentrechtlich zu schützen, sie finanziell zu fördern und zu managen.
„Zu uns kommen Innovationsgeber (Erfinder), die nicht nur Kapital von uns wollen, sondern auch, dass wir mit ihnen eine Firma gründen und diese gemeinsam aufbauen. Ob Company Building, Patentanmeldungen, Buchhaltung oder Marketing – bei Patentpool sind die entsprechenden Experten vorhanden und werden ihnen zur Verfügung gestellt“, sagt Pollert. Mittlerweile sind 120 Mitarbeiter bei der Patentpool Gruppe beschäftigt – mit dem Konzept soll den Innovationsgebern Freiraum geschaffen werden, um sich auf die Entwicklung der Technologie fokussieren zu können. Damit trifft Pollert einen Nerv, denn laut einer Analyse von CB Insights scheitern Start-ups neben der Tatsache, dass ihr Produkt oder ihre Dienstleistung vom Markt nicht gebraucht wird (in 42 % der Fälle), vor allem an mangelndem Kapital (29 %) oder einem schlecht zusammengesetzten Team (23 %). Aktuell befinden sich sechs aktive Projekte im Portfolio des Unternehmens, in die laut Pollert jährlich bis zu 15 Millionen € investiert werden. Dazu zählt Prisma Analytics, das mittels KI eine digitale Abbildung der realen Welt erschafft und mit der Prognosefunktion Antworten auf die grossen Fragen der Menschheit – etwa jene rund um den Klimawandel – liefern können soll.
Ursprünglich hatte Heiner Pollert mit künstlicher Intelligenz rein gar nichts am Hut. Der gebürtige Stuttgarter absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaften an der LMU in München und war später als Produzent in der TV-Branche tätig. „Ich hatte mehrfach Formate entwickelt, die von Sendern zunächst abgelehnt und später unter anderem Namen ausgestrahlt wurden, das war sehr ärgerlich. Gleichzeitig tobte 1997 in Deutschland bereits der „neue Markt“ und während alte Jura-Kollegen bereits Aktien-Milliardäre waren, war ich noch ein TV-Produzent, der sich seine Formate klauen liess“, so Pollert. „Da war mir klar: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, umzusatteln.“ In ihm reifte die Idee zu Patentpool, 1998 folgte die Gründung mithilfe zweier grosser VC-Fonds (Höhe des Investments wird nicht bekannt gegeben). Doch dann folgte der Bruch: „Ich lernte den Systemarchitekten Hardy Schloer kennen; er wollte mit uns zusammenarbeiten, doch unsere VC-Partner waren dagegen, mit ihm eine Firma zu gründen, u.a. weil er noch keinen Businessplan vorweisen konnte.“ Pollert glaubte jedoch an Schloer und dessen Ideen. Also trennte er sich von seinen Investoren und gründete zusammen mit Schloer die Ravenpack AG, ein Unternehmen zur Analyse von Big Data. Ravenpack „ist seit zehn Jahren Weltmarktführer“, so Pollert. Im Zuge der Finanzkrise 2008 schlitterte das Unternehmen dann auf eine Krise zu, denn seine Kunden waren Hedgefondsmanager, Investmentbanker und Assetmanager – also genau jene, deren Felle in der Krise davonschwammen: „Da blieb in der Finanzindustrie kein Stein auf dem anderen. Ravenpack hatte massive finanzielle Probleme. Dem damaligen Geschäftsführer gelang es zwar, Geldgeber zu finden, doch diese wollten die Mehrheit am Unternehmen“, so Pollert. Daraufhin verliess er das Unternehmen gemeinsam mit Schloer. Zusammen arbeiteten sie weiter an den technologischen Ideen des Systemarchitekten – und gründeten mit Prisma Analytics 2016 erneut ein Big-Data-Analyse-Unternehmen. Das Potenzial ist gross: Laut dem Beratungsunternehmen Wikibon soll der Markt für Big-Data-Analysen bis 2022 auf 72,4 Milliarden US-$ wachsen, 2026 soll er bereits 92,2 Milliarden US-$ umfassen.
Klassische KI-Lösungen kommen aufgrund ihrer Algorithmen zu „intelligenten“ Lösungen – Prisma Analytics verfolgt jedoch einen neuen Ansatz: Auf Basis des von Schloer entwickelten Quantum Relations Principle werden Informationen in ein autonom handelndes und sich selbst organisierendes Datenmodell umgewandelt. Bei diesem agieren die aufgedröselten und gespeicherten Daten dynamisch, sprich: Sie werden parallel gespeichert, verarbeitet und erkennen die gegenseitigen Abhängigkeiten. „Bei einer Anfrage werden alle damit kausal verbundenen Datenatome im Modell aufgeweckt und können mit extrem wenig Rechenleistung eine Auswertung ermöglichen“, so Sebastian Pötzsch, seit 2018 Chief Operating Officer bei Patentpool und Geschäftsführer bei Prisma Analytics (aufgrund des Konzepts von Patentpool werden von einer Person mehrere Schlüsselrollen in den Unternehmen übernommen). Prisma Analytics kann somit ein Abbild der realen Welt erschaffen, wodurch Echtzeitanalysen komplexer Fragestellungen sowie Prognosen innerhalb von Sekunden möglich sind. „Es ist das erste kausal denkende Datenmodell, das funktioniert“, so Pötzsch.
Heiner Pollert (Titelbild)
...promovierte in Rechtswissenschaften an der LMU in München und gründete 1998 Patentpool. 2016 folgte die Gründung von Prisma Analytics.
Derzeit nutzt das Unternehmen 22.000 Datenquellen (nicht personenbezogene Daten), etwa wissenschaftliche Journals oder Zeitungen. Das aktuell verfügbare Produkt von Prisma Analytics ist das als Plattform konzipierte Finanzanalysetool Decision Point, das Finanzmarktanalysen in Echtzeit generiert und pro Nutzer 700 US-$ monatlich kostet. 2018 erhielt Prisma Analytics dafür in Dubai den FinX-Award „Global Fintech-Start-up of the Year“. Geht es nach Pötzsch und Pollert, ist das jedoch erst der Anfang: „Wir sprechen hier von einem breiten Potenzial in fast allen Branchen, in denen es viele Daten gibt“, so Pötzsch. Seit einem Jahr arbeitet Prisma Analytics daran, Entwicklern einen lizenzbasierten Zugriff auf das Modell zu ermöglichen. „Wir glauben, dass unser C+8 Datenmodell die entscheidende Voraussetzung ist, in die Zukunft zu sehen und dass Entscheidungsträger damit in Echtzeit die besten Entscheidungen treffen können“, ergänzt Pollert, der keine Angaben zum Umsatz macht. „Der Umsatz ist in der Branche nicht das einzige, das man bedenken muss. Denn wir verändern den Zugang zum Wissen der Welt auf positive Art und Weise, indem es überall und zu jederzeit richtig aufbereitet und portioniert abrufbar ist. Wenn Google kapiert, was wir machen, werden die berechtigterweise sagen: Wenn die (Prisma Analytics) den Markt erreichen, wollen alle deren Suchprogramm nutzen.“
Text: Andrea Gläsemann
Foto: beigestellt
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–21 zum Thema „Künstliche Intelligenz“.