LUPENREINE DISRUPTION

Während Diamanten seit Jahrzehnten als begehrtes Luxusprodukt gelten, leidet das Ansehen der Branche unter Preisabsprachen, erschreckenden Arbeitsbedingungen und umweltschädigendem Verhalten. Attraktive Gewinnmargen blockieren jedoch den Veränderungswillen. Der Münchner Serienunternehmer Martin Roscheisen möchte dem nun ein Ende setzen – mit den synthetischen Diamanten seines Unternehmens Diamond Foundry.

Sie sind die wertvollsten Edelsteine der Welt und der härteste in der Natur vorkommende Stoff – doch so faszinierend Diamanten für Menschen sind und waren, so zweifelhaft ist der Ruf, den die Branche geniesst. Mehr als 75 % aller weltweit verkauften Diamanten stammen aus Minen in Russland, Botswana, der Demokratischen Republik Kongo und Australien; die Platzhirsche unter den Minen­betreibern machen sich die Preise in bester oligopolistischer Manier aus. Immer wieder geistern Berichte über miserable Arbeitsumstände in Diamantenminen durch die Medien, auch die Folgen für die Natur sind durch hohe CO2-Emissionen und die Kontamination des Grundwassers verheerend. Es ist ein schmutziges Geschäft mit glitzerndem Ertrag für einige wenige.

Genau das sieht Martin ­Roscheisen als Chance. Der Münchner Seriengründer hat in San Francisco Diamond Foundry gegründet – und „züchtet“ Dia­manten in eigens dafür entwick­el­ten Reaktoren. Mit der Methode vermeidet er schlechte Arbeits­bedingungen und Umweltbelastungen. Diamond Foundry agiert seit 2017 völlig klimaneutral. „Die ersten Jahre waren schwer“, erzählt Roscheisen heute. Bereits 2012 gründete er das Unternehmen, erst 2014 konnte der Reaktor zum Laufen gebracht werden.

Heute ist Diamond Foundry im Wachstumsmodus: Bis Ende 2021 soll die jährliche Produktion auf fünf Millionen Karat steigen, womit das Unternehmen zu den zehn grössten Produzenten weltweit gehören würde. Tatkräftige Unterstützung gibt es auch: Neben Tech-Grössen wie Evan Williams (Mitgründer von Twitter), Tony Fadell (Erfinder des iPod) und Mark Pincus (Mitgründer von Zynga) zählt auch Hollywoodstar Leonardo DiCaprio zu den Geld­gebern. „Leo als Unterstützer und Investor zu haben ist fantastisch. Er hat ja auch den Film ‚Blood Diamond‘ gedreht. Sein Name hilft natürlich sehr. In der Branche sind unsere Investoren aus der Tech-Welt aber fast genauso grosse Namen“, so Roscheisen. Es liegt ein besonderer Reiz in der Diskrepanz zwischen der chemischen und strukturellen Einfachheit eines Diamanten und den extremen Bedingungen, die er für seine Ent­stehung benötigt. Das Plasma in den Reaktoren von Diamond Foundry wird so heiss wie die Oberfläche der Sonne und bringt die Kohlenstoffatome dazu, sich auf einem vorgegebenen „Nährboden“ in der für Diamanten charakteristischen Kristallstruktur anzuordnen.

Um einen verwertbaren Diamanten zu erhalten, sind viele Milliarden solcher Schichten notwendig, dementsprechend zeit- und energieintensiv ist der Prozess. Gut also, dass der gesamte Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Roscheisen: „Ausserdem ist es immer wieder für viele überraschend, dass der Energie­aufwand zur Herstellung eines Karats in der Diamond Foundry geringer ist, als wenn man es in einer Mine aus der Erde holt.“

Megatalent mit Hang zur Weltverbesserung: Bereits während seiner Studien- zeit in Deutschland und den USA gründete Roscheisen lukrative Start-ups.

Der Kontrast zur traditionellen Branche könnte kaum grösser sein. Einige wenige Minenbetreiber, allen voran De Beers und Alrosa, dominieren das Geschehen seit Jahren. Das Kartell aus den grössten Playern bestimmt die Preise. Hinzu kommen Umweltschädigungen durch den CO2-Ausstoss und Schwermetalle sowie hochgradig problematische Arbeitsbedingungen in den Minen.

Dass die Branche sich langsam im Wandel befindet, zeigt der Erfolg von Diamond Foundry. Aktuell liegt der Preis eines Rohkarats von Diamond Foundry bei 282 US-$, für ein Rohkarat aus den Minen des britischen Weltmarktführers De Beers werden 133 US-$ verlangt. Der mehr als doppelt so hohe Preis für einen Diamanten aus dem Labor wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Dabei darf die Qualität trotz der Vorteile in der Produktion nicht leiden. Rosch­eisen: „Die exakten Nuancen der Steine sind mit freiem Auge nicht mehr aus­zumachen. Der Markt verlangt absolute Reinheit und Präzision.“

Als Disruptor hatte Diamond Foundry anfangs Probleme, Kunden zu finden. „Einige unserer ersten Abnehmer bestanden darauf, nur über ihre private Mailadresse mit uns in Kontakt zu treten. Das Risiko, von den grossen Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt zu wer­den und keine Diamanten mehr zu erhalten, war gross“, erzählt Rosch­eisen. Heute ist die Situation anders: Erst vor Kurzem gab der dänische Schmuckhersteller Pandora bekannt, künftig ausschliesslich auf synthe­tische Diamanten zu setzen; bereits im Jahr 2018 hatte De Beers selbst für Aufsehen gesorgt, als das Unternehmen die Qualität synthe­tischer Diamanten anerkannte und die künstlichen Steine erstmals in sein Sortiment aufnahm.

Der gebürtige Münchner Roscheisen wagte 1992 nach dem Studium an der TU München den Sprung nach Kalifornien und machte an der Stanford University einen PhD in Computer Science. Bereits während des Studiums gründete er mit zwei Kollegen die Firma Find Law, deren Website sich rasch zur beliebtesten Quelle für Rechts­informationen in den USA entwickelte und schliesslich von Thomson Reuters gekauft wurde. 2002 gründete Roscheisen Nano­solar, die erste Firma, die in den USA Solar­paneele herstellte und breite Unterstützung durch US-Venture-Capital erhielt. Nanosolar wuchs zu einem der am höchsten bewerteten Unternehmen der Branche heran und hatte am Höhepunkt seines Erfolgs 350 Mitarbeiter, musste sich aber kostengünstigeren Konkurrenzprodukten aus China geschlagen geben.

Martin Roscheisen
... ist ein österreichisch- amerikanischer Tech-Unternehmer. Er ist u. a. Co-Gründer des Legaltech-Unternehmens Find Law, der Softwarefirma Trading Dynamics oder von Nanosolar, Produzent von Solarpaneelen. Roscheisen zählt zu den 100 wichtigsten Akteuren im Silicon Valley.

Neben den Diamanten für die Schmuckindustrie hat Roscheisen noch ein weiteres Ass im Ärmel: Diamanten sind nämlich ausser­gewöhnlich wärmeleitfähig – vor allem in der Welt der Halbleiter ist dies von zentraler Bedeutung. „Die Wärmeentwicklung ist heute der grösste limitierende Faktor bei Computerchips“, so der Unternehmer. „In der Ableitung von Wärme ist ein Diamant dem heute verwendeten Silikon um das 10.000-Fache über­legen, doch es gibt keine natürlichen Diamanten, die man dafür verwenden könnte.“ Diamond Foundry arbeitet aktuell an sogenannten „Single-Crystal Wafers“, die Rosch­eisen für Cloud Computing, bei E-Fahrzeugen oder in 5G- bzw. 6G-Netzwerken einsetzen möchte.

Dass solche Entwicklungen Geld kosten, ist dem Seriengründer bewusst. Doch die Kriegskasse ist gut gefüllt: Die letzte Finanzierungs­runde brachte dem Start-up rund 200 Millionen US-$, das Unter­nehmen wird aktuell mit rund 1,8 Mil­­liarden US-$ bewertet. Umsatz generiert Diamond Foundry neben dem klassischen Diamantenverkauf auch zunehmend mit E-Commerce, dem Verkauf an grosse Hersteller wie Pandora sowie über eigene Schmucklinien.

Text: Silvan Mortazavi
Fotos: Diamond Foundry

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 5–21 zum Thema „Travel & Tourism“.

Forbes Editors

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