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Mit dem weltweit ersten Zyklustracker, der mittels Atemanalyse die fruchtbaren Tage einer Frau ermittelt, schlägt das Grazer Start-up Carbomed Medical Solutions international gerade hohe Wellen. Doch sein innovatives Produkt Breathe Ilo hält zahlreiche weitere Möglichkeiten bereit, wissen die Mitgründer Lisa Krapinger und Bastian Rüther.

Einmal tief ein- und wieder aus­atmen: Das genügt, um die fruchtbaren Tage einer Frau zu ermitteln – zumindest, wenn es nach Lisa Krapinger und Bastian Rüther geht. Sie sind die Mitgründer des Grazer Femtechs Carbo­med Medical Solutions, das mittels eines handflächen­grossen Geräts, Breathe Ilo, eine Atem­analyse ermöglicht und somit das Ovulationsmuster und das „fruchtbare Zeitfenster“ einer Frau ermitteln kann.

„Die Technologie basiert auf der Messung des pCO2-­Parameters (der Kohlendioxidpartialdruck in der Atemluft, Anm.). Einfach ­gesagt erkennt es das Gerät via Messung, wenn eine Abnahme dieses Werts in der Atemluft der Frau vor dem Eisprung eintritt – denn etwa vier bis fünf Tage vor dem Eisprung tritt bei Frauen eine Art Hyper­ventilation ein“, so Krapinger, CMO bei Carbomed Medical Solutions. In ­einer zum Gerät dazugehörigen App können zudem die täglich erfassten Werte festgehalten werden.

Die wissenschaftlichen Grundlagen, derer sich ­Breathe Ilo bedient, wurden jedoch schon ­lange vor der Unternehmens­gründung erforscht. Bereits in den 1980er-­Jahren beschäftigte sich der Universitätsprofessor und Gynäko­loge Ludwig Wildt von der Universitätsklinik Innsbruck mit dem Zusammenhang zwischen dem weiblichen Zyklus und dem CO2-Gehalt der Atemluft.

Als Familienfreund und ­Arbeitskollege von Rüthers Vater Horst Rüther war Wildt es auch, der schliesslich den Impuls zur Umsetzung von Breathe Ilo gab. „­Woran es lange Zeit gefehlt hat, waren die technischen Möglich­keiten, um ein handliches Gerät bauen zu ­können“, erklärt Bastian Rüther, CEO bei Carbomed Medical Solutions. Er weiss, wovon er spricht: Denn auch die ersten Prototypen von ­Breathe Ilo waren alles andere als klein und portabel – zu Beginn war es eine Station in der ­Grösse ­einer Schreibmaschine. Etwa ein Jahrzehnt an Forschung brauchte es, bis Breathe Ilo Anfang 2020 bereit für den Markteintritt im deutschsprachigen Raum war.

Um mittels Breathe Ilo den Zyklus zu tracken, reicht es aus, jeden Tag für 60 Sekunden in das Gerät zu blasen.

Der medizinische Hintergrund der Gründerfamilie mag schon einmal die Nähe zur Unternehmensthematik erklären. Die Geschichte zu dessen Entstehung ist aber auch eine tief persönliche: „Bastians ­Eltern wünschten sich selbst lange Zeit erfolglos ein Kind. Dieses Thema erfährt in unserer Gesellschaft eine grosse Tabuisierung. Deshalb ist das Bewusstsein dafür, was für eine grosse psychische Belastung ein unerfüllter Kinderwunsch für alle Beteiligten sein kann, bei vielen nicht gegeben“, so Krapinger. Sie hofft, mit Breathe Ilo eine einfache Lösung dafür zu schaffen. „Aber wir möchten auch nachdrücklich mehr Aufmerksamkeit auf diese Thematik lenken“, fährt sie fort.

Darum beauftragt das Unternehmen auch regelmässig unabhängige Institute zur Durchführung von Studien rund um die Themen Schwangerschaft und Frauen­gesundheit. Auch das deutsche Bundesministerium für Familie, Senio­ren, Frauen und Jugend weist auf die Problematik hin – jedes ­zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren sei ungewollt kinderlos. Künstliche Befruchtungsverfahren sind kostspielig, oftmals langwierig und eine ­immense körperliche Belastung für die Frau.

Aufmerksamkeit erhielt die Thematik – und vor allem ­Breathe Ilo an sich – zudem in der TV-­Sendung „Das Ding des Jahres“ ­Anfang 2020. Seither ist auch eine ­Jurorin der Sendung, Lea-Sophie Cramer, Gründerin des Erotik­versandhändlers Amorelie und Business Angel, eine Fürsprecherin des Produkts. „Man merkt das an der ­Demografie unserer Kunden: Etwa 75 % der Käufer stammen aus Deutschland, der Rest verteilt sich auf ­Österreich und die Schweiz“, so Krapinger über die Auswirkungen des ­damaligen Auftritts.

Doch auch im Heimatland Österreich startet das Unternehmen nun richtig durch, denn kürzlich führte der österreichische AWS Gründerfonds als Lead-Investor die Pre-Series-A-Runde in Höhe von drei Millionen € an. Und bereits Ende 2018 konnte sich Carbomed Medical Solutions im TV-Format „2 Minuten 2 Millionen“ ein siebenstelliges Investment sichern.

Bastian Rüther und Lisa Krapinger
...Bastian Rüther, CEO, studierte Business und Big Data in Wien und Kopenhagen und gründete 2017 gemeinsam mit seinem Vater Horst Rüther die Carbomed Medical Solutions GmbH. Wenig später stiess Lisa Krapinger dazu, die einen Master in International Business hält und CMO im Unternehmen ist.

Das Potenzial ist riesig: Laut einem Beitrag des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan wird der Markt für Femtech (technologische Produkte für Frauengesundheit) bis 2024 einen Umsatz von 1,1 Milliarden US-$ ­erreichen.

Derzeit wird Breathe Ilo zwar noch als Zyklustracker vermarktet, Carbomed Medical Solutions ar­beitet jedoch bereits daran, dass sein Tracker auch als Verhütungsmethode zugelassen wird. Diese Neupositionierung bedeutet Konkurrenz für gängige Methoden wie die Einnahme der Antibabypille, die Basaltemperaturmessung oder die Hormonspirale – denn als hormonfreie Methode, welche zu jeder Tageszeit zur Messung heran­gezogen werden kann, fallen für Breathe Ilo nur einmalige ­Kosten an. Und: Laut dem österreichischen Gynmed Report haben insbesondere hormonelle Verhütungs­varianten in den letzten Jahren in punkto Beliebtheit abgebaut. So ist deren Verwendung von 2012 bis 2019 von 66 % auf 40 % gesunken – Tendenz weiter sinkend.

Breathe Ilo gibt es derzeit für 259 € zu kaufen. „Wir ­wissen, dass das für viele Frauen eine beacht­liche Summe sein kann. Darum ­haben wir auch ein Modell im Portfolio, bei dem man monatlich 29,90 € zahlen kann. So kann die Frau das Gerät austesten, und es steckt ein Nachhaltigkeitsgedanke dahinter“, so Krapinger.

Doch auch die Konkurrenz schläft nicht – so gibt es etwa mit Mira einen Fertilitätstracker via Urinprobe, und auch das Schweizer ­Unternehmen Ava rund um CEO Lea von Bidder (Forbes-­„Under 30“-Listmaker) ermittelt (via Sensorarmband) die frucht­baren Tage von Frauen. Hinzu kommt noch das deutsche ­Unternehmen ­Daysy: Es wertet mittels der ­Temperatur unter der ­Zunge den Zyklus­verlauf ­einer Frau aus. Doch keines der genannten Unternehmen setzt auf Atemanalyse – und: Mittels der neuen Investitions­summe will das mittlerweile 20-köpfige Team von Carbomed ein neues Vorhaben in die Tat umsetzen: „Es liegt sehr viel Potenzial in der Methode der Atemanalyse, das über die Ermittlung der weib­lichen Frucht­barkeit hinausgeht. Die Methode kann etwa für die Leistungs­steigerung bei Athleten genutzt werden, um nur ein Beispiel zu nennen“, so ­Rüther. Er stellt jedoch auch klar: „Es bedarf noch intensiver Forschung ­sowie langwieriger Zulassungs­verfahren und Begutachtungen, bis ein solches Medizinprodukt letztlich auf den Markt kommen kann.“

Bis es damit so weit ist, will Carbomed Medical Solutions sowieso erst noch ­Grossbritannien ­erobern: „Das ist ein riesiger Markt und eine grosse Chance für uns. Natürlich ist dies auch der ­erste Schritt in Richtung englisch­sprachiger Raum“, sagen Rüther und ­Krapinger zuversichtlich.

Text: Chloé Lau
Fotos: Carbomed Medical Solutions

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.

Chloé Lau,
Redakteurin

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