Keine Rampe zu steil

Schon als Kind hatte Lilly Stoephasius viele Hobbys. Während die Liebe für Aktivitäten wie Gitarrespielen oder Ballett bei der heute 16-Jährigen nach und nach erlosch, blieb ihr eine Leidenschaft erhalten: Skateboarden. Heute trainiert die Berlinerin mehrmals wöchentlich – und konzentriert sich aktuell auf die Olympischen Spiele 2028.

Seit 2014 findet die Actionsport-Veranstaltung „Munich Mash“ im Olympiapark in München statt. Jährlich treffen einander hier Top-Athleten der BMX-, Wakeboard-, Streetdance- und Skaterszene. Unter ihnen war dieses Jahr die 16-jährige Berliner Skaterin Lilly Stoephasius. Während seitens der Moderation Begriffe wie „Backside Blunt“ und „Lipslide“ fallen, gleitet Stoephasius mit ihrem Board über eine Rampe nach der anderen – und holt am Ende die Goldmedaille. Doch hinter nur 30 Sekunden Wettbewerbszeit stecken Jahre an Vorbereitung.

Noch bevor Stoephasius gehen konnte, stand sie auf ihrem ersten Skateboard. Die Leidenschaft für das Skaten hat sie von ihrem Vater, wie sie im Interview mit Forbes erklärt: „Wenn ich mich an meine Kindheit zurückerinnere, fällt mir keine Zeit ein, in der Skaten nicht schon Teil meines Lebens war“, so die Berlinerin. Stoephasius spielte in ihrer Kindheit neben dem Skaten noch Hockey und tanzte Ballett; mit den Jahren gab sie diese Hobbys jedoch auf und konzen­triert sich seither auf das Skateboardfahren.

Und das mit Erfolg: Schon im Alter von elf Jahren wurde Stoephasius Skateboardmeisterin der Frauen in der Disziplin „Park“ in Düsseldorf und konnte diesen Erfolg ein Jahr später wiederholen. Immer mit dabei ist die Familie der Skaterin – im Juli 2019 belegte Stoephasius Platz drei bei den Weltmeisterschaften und wurde im selben Jahr Vize-Europameisterin. Insgesamt ist sie dreifache deutsche Meisterin in der „Park“-Disziplin und konnte sich im Mai 2021 bei einem Wett­bewerb in Des Moines, USA, für die Olympischen Spiele in Tokio qualifizieren. Dort erreichte sie den neunten Platz und gilt als jüngste deutsche Sportlerin, die jemals bei Olympia gestartet ist. Trotz ­Stoephasius’ Auszeichnungen und ihrer Teilnahme an den Olympischen Spielen sieht die Berlinerin das Skaten nach wie vor nur als Hobby: „Die grösste Motivation hinter dem Skaten ist für mich der Spass. Daher würde ich Skateboardfahren schon als mein Hobby bezeichnen“, so Stoephasius.

Mittlerweile trainiert die Skaterin drei- bis viermal pro Woche mindestens drei Stunden lang; dies meist abends nach der Schule, die sie weiterhin neben Wettbewerben und Trainings besucht. So wie in der Skatehalle ist Stoephasius auch in der Schule sehr ehrgeizig und diszipliniert: Hausaufgaben erledigt die Berlinerin während einer Wettbewerbsphase meist im Flugzeug oder am Abend nach dem Training. „Durch den Wechsel in die Oberstufe ist es organisatorisch zwar etwas komplizierter geworden, in der Schule immer auf dem neuesten Stand zu sein, aber bis jetzt habe ich keine Probleme damit, beides zu schaffen, auch wenn es viel Arbeit ist“, erklärt sie.

„Wenn ich mich an meine Kindheit zurückerinnere, fällt mir keine Zeit ein, in der Skaten nicht schon Teil meines Lebens war“, so Lilly Stoephasius.

Aktuell hat Stoephasius die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles im Auge. Ihr Ziel ist es, wieder unter den ersten zehn Plätzen zu sein und sich dieses Mal für das Finale zu qualifizieren. Ob bei einem kleinen Auftritt, einer Veranstaltung oder bei einem Grossereignis wie den Olympischen Spielen: Die Nervosität vor einem Wett­bewerb legt sich der Berlinerin zufolge nie. „Egal, wie wichtig oder unwichtig der Wettkampf ist, ich bin immer nervös. Bis jetzt konnte ich zum Glück aber immer das liefern, was ich geplant hatte“, sagt sie.

Dass Stoephasius bei ihren Wettkämpfen nervös ist, ist ihr kaum anzusehen: Selbstbewusst und gefestigt in dem, was sie tut, legt sie ihren Auftritt hin. Sie selbst möchte ihre Stimme nutzen, um ­andere Frauen zu ermutigen, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Stoephasius ist in Deutschland bis heute oft das einzige Mädchen im Skatepark. Als Grund dafür vermutet die Skaterin, dass Stunts auf dem Board sowie Unfälle im Skatepark oft brutaler aussehen, als sie es sind, und sich viele Mädchen davon abschrecken lassen, zu skaten. „Ich glaube, viele denken bei Skatern an das Klischee von Jugendlichen, die vor der Polizei wegrennen, trinken, rauchen und nicht als Sportler angesehen werden. Dabei zählen Skater zu den nettesten Menschen, die ich kenne. Wir sind eine riesengrosse Community, in der jeder willkommen ist“, schildert die ehemalige Olympiateil­nehmerin.

Über das weitere Vorgehen nach der Schule hat sich die Skaterin bereits Gedanken gemacht: „Ich mache 2025 mein Abitur, bis dahin möchte ich mich auf jeden Fall weiterhin auf das Skateboarden ­konzentrieren und mich auch danach noch auf die Olympischen Spiele 2028 vorbe­reiten. Vielleicht läuft es irgendwann so gut, dass ich eine Weile vom Skaten leben kann, das wäre natürlich toll. Sonst hoffe ich, dass ich weiterhin Spass am Skaten habe, und es auch in Zukunft so gut läuft wie bisher“, erklärt ­Stoephasius lächelnd.

Die 16-jährige Berlinerin Lilly Stoephasius konnte kaum gehen, da stand sie schon auf ihrem ersten Skateboard. Heute trainiert sie neben der Schule für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles und inspiriert Frauen zum Skaten.

Fotos: Valentin Goppel

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