Kaufen, wenn die Kanonen donnern

Die Welt schrammte mit den Credit-Suisse-Turbulenzen haarscharf an einer Finanzkrise 2.0 vorbei. Dafür locken jetzt gute Einstiegschancen bei ausgewählten Banken.

Die internationale Finanzszene erzitterte, als mit der Credit Suisse eine der systemrelevanten Banken der Welt ins Wanken geriet – denn vielen sitzt die grosse Bankenkrise des Jahres 2008 noch in den Knochen. Damals gingen, ausgelöst durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 und verstärkt durch eine immense Anzahl von Ramsch­krediten, die an renditegeile Anleger verklopft worden waren, Banken weltweit in die Knie.

Was zuerst nur als ein lokales Ereignis wahrgenommen worden war, entpuppte sich schnell als globaler Finanz-Tsunami – denn betroffen waren nicht nur die weltweit 28.600 Angestellten des Unternehmens, sondern praktisch Banken und Anleger rund um den Globus. So hatte zum Beispiel die deutsche Sparkassengruppe – wie auch andere – kurz vor dem Leh­man-Fall noch reichlich Ramsch­papiere gekauft, die nun über Nacht wertlos geworden waren. Die Börsenkurse fielen ins Bodenlose, die Banken misstrauten einander und der Interbanken-Zahlungs­verkehr kam als Folge zum Erliegen.

Für das exportorientierte ­Europa war das fatal, begann doch der US-Dollar zum Euro abzustürzen und erreichte Kurse um die 1,60 € pro US-$. Nur das beherzte Eingreifen der Staaten und Zentralbanken konnte ein weiteres Ausufern des globalen Flächenbrands verhindern.

Findige Köpfe brachten schliesslich die Griechenlandkrise ins Spiel, um vom Bankenzirkus und einem drohenden Bank Run, bei dem eine kritische Masse an Einlegern das Vertrauen in ihre Bank verliert und Guthaben abzieht, abzulenken. Das Land war von Schulden geplagt und mit allerlei buchhalterischen Taschenspielereien reif für die Mitgliedschaft in die Eurozone getrickst worden. Das hatten in ähnlicher Form zwar auch andere Euro­staaten gemacht, doch Griechenland schien von der Schuldensucht unrettbar befallen.

Und so jagte eine Krisen­sitzung der „Euro-Gruppe“, für die es rechtlich gar keine Grundlage gab, medienwirksam die nächste, um Griechenland zu retten. Ganz nebenbei wurden auch noch allerlei Latrinengerüchte gestreut, wie jenes, dass der spanische Geheimdienst (!) ein vertrauliches Gespräch bei einem Abendessen in New York abgefangen hatte – mit dem Inhalt, dass der Investor George Soros eine Attacke auf den Euro plane. Soros war mit einer Devisenspekulation gegen den thailändischen Baht reich geworden, sodass der Bericht glaubwürdig erschien.

Und die Medizin wirkte: Der Euro verlor zum US-Dollar an Wert – und die Exporte waren gerettet. Griechenland, dessen Finanzen ohnehin sanierungs­bedürftig waren, hatte mitgeholfen, die Einheitswährung zu retten.

Im Nachhinein betrachtet könnte man sich, wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, das Lächeln vielleicht nicht verkneifen; denn die Staatsverschuldung der Hellenen betrug rund 330 Mrd. € oder rund 147 % des BIP – allein Deutschland, das am Ende neue Schulden für das Land aufnahm und das Geld mit feinem Profit an dieses weiterleitete, machte rund 80 Mrd. Budgetüberschuss. 2022 lag der Verschuldungsgrad des Landes am Peloponnes bei 190 % des BIP – doch von Eurokrise ist keine Rede mehr …

Diesmal begann das Übel mit der Pleite einer scheinbar unbe­deutenden Bank in Kalifornien: Das auf Start-up-Finanzierungen spezialisierte US-Geldhaus Silicon Valley Bank wurde unter die Kontrolle der US-Einlagensicherung FDIC gestellt und geschlossen. Weitere kleine Banken gerieten ins Straucheln. Schon Anfang März hatte die Abwicklung des auf die Kryptobranche ausgerichteten US-Finanzkonzerns Silvergate Capital für Unruhe gesorgt.

Der Wind wurde zum „Perfect Storm“, als die Schockwellen in Europa die Schweizer Credit Suisse trafen: Die zweitgrösste Bank der Schweiz, eines der 30 systemrelevanten Institute der Erde, war schon vorher immer wieder negativ aufgefallen – Experten sprechen sogar von einem Versagen der Schweizer Bankenaufsicht. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion und heftigen Sitzungen wurde das Institut, ausgestattet mit fetten Garantien der Eidgenossen, von der Schweizer Nummer eins, der UBS, für drei Mrd. CHF übernommen.

Das hat die Märkte aber nicht vor weiteren Turbulenzen bewahrt: Quer durch Europa gab es bis Freitag deutliche Abschläge, be­sonders turbulent wurde es für die Deutsche Bank, deren Aktien zwischendurch um fast 15 % fielen, ehe sie sich wieder leicht erholten. Analysten und die Politik sowie EZB-Chefin Christine Lagarde betonten gebetsmühlenartig die Widerstandsfähigkeit der europäischen Banken, doch das Vertrauen in die Finanzmärkte war gering. Investoren sahen die Rentabilitätsaussichten der Banken auch aufgrund steigender Finanzierungs­kosten gefährdet.

Und es droht noch weiteres Ungemach: Fondsmanager sind so pessimistisch wie seit 20 Jahren nicht – bis zu 190 weitere Banken könnten kollabieren. Noch im Feb­ruar sahen etwa 8 % der Profi-­Investoren ein systemisches Kreditereignis als grösstes Risiko für die Märkte an, im März stieg im Zuge der Credit-Suisse-Verwerfungen der Wert sprunghaft auf 31 % an. Dabei blieben die ­Investoren nicht tatenlos; vielmehr wurden Bankaktien im grossen Stil abgestossen.

Die Folge: Der Anteil jener Grossanleger, die europäische Bankaktien im Portfolio übergewichtet haben, sank von 27 % im Februar auf 3 % im März. Inner­halb des letzten Monats büsste die Deutsche Bank knapp 20 % an Börsenwert ein. Der massive Kursrutsch rief auch Bundeskanzler Olaf Scholz auf den Plan: „Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen“, so Scholz. Manche Marktbeobachter wiede­rum machten sich gerade wegen dieser Beschwichtigung so ihre Gedanken – beim iShares Stoxx Europe 600 Banks ETF, der Unternehmen aus dem europäischen Bankensektor abbildet, schlägt das Minus mit 13,3 % zu Buche.

Dessen ungeachtet hellt sich das Geschäftsklima in Deutschland aber wieder auf, wie Daten des IFO-Instituts aufzeigen. Das gilt in ähnlicher Form auch für andere europäische Staaten; allerdings könnte es für eine Entwarnung deutlich zu früh sein. Dass weiterhin Vorsicht geboten ist, zeigt eine erst kürzlich von Ökonomen und Analysten veröffentlichte Studie. Demnach droht bis zu 190 US-Banken der Zusammenbruch – sie alle weisen mehr nicht anerkannte Verluste auf als die gescheiterte Silicon Valley Bank.

Dieses Szenario könnte zu einem Abverkauf führen, der die Finanzkrise 2008 in den Schatten stellt. Prekär sei, dass der US-Ver­sicherungsfonds – die Einlagen­sicherung ist anders als in Europa nicht durch die Taschen der Steuerzahler gedeckt – durch die Pleite der Silicon Valley Bank stark ausgeblutet ist. Nichtsdestotrotz bietet auch diese Krise gute Einstiegschancen für beherzte Anleger.

Zu den Gewinnern der aktuellen eidgenössischen Turbulenzen zählt auch Julius Bär. Mit Assets under Management (AuM) von rund 424 Mrd. CHF zum Jahres­ende 2022 zählt die Bank zu den führenden Vermögensverwaltern in Europa. Weltweit ist das Institut in mehr als 25 Ländern vertreten. Rund ein Viertel der Kundengelder stammt aus Asien, wo China, Singapur, Japan und Indien zu den wichtigsten Märkten gehören; aber auch der Nahe Osten ist für die Schweizer eine wichtige Region. Das Unternehmen ist operativ anders aufgestellt und vor allem in der Vermögensverwaltung und Vermögensplanung insbesondere für wohlhabende Personen tätig. Musste die 1890 von Ludwig Hirschhorn und Theodor Grob in Zürich als Kollektivgesellschaft Hirschhorn & Grob gegründete Bank im ersten Halbjahr des Vorjahrs noch einen Nettoabfluss an Kundengeldern in Höhe von rund einer Mrd. CHF einstecken, so stand zum Jahresende 2022 ein Nettomittelzufluss an neuen Geldern von neun Mrd. CHF zu Buche. Vor allem in den beiden letzten Monaten scheinen „die Bären“ dann mit Geld überflutet worden zu sein, denn der Netto­zufluss belief sich im November und Dezember auf satte sechs Mrd. CHF.

Wenn es um Skandale geht, ist auch Julius Bär kein Unschuldslamm: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hatte im Jahr 2020 festgestellt, dass es bei den Bären im Zeitraum von 2009 bis Anfang 2018 zu schweren Mängeln in der Geldwäscherei­bekämpfung gekommen war. Da­rüber hinaus musste die Bank in den letzten Jahren Hunderte Mio. US-$ an Bussgeldern an die US-Behörden zahlen.

Doch der Aktienkurs von Julius Bär ist seit dem Bankenbeben vom 19. März um mehr als 12 % gestiegen. Diese Entwicklung gefällt auch Analysten, denn im Gegensatz zu den Aktien von UBS und vor allem Credit Suisse notiert die Julius-Bär-Aktie fast auf ihrem Höchststand von rund 61 CHF (alle Zahlen wie immer Stand Redaktionsschluss). Dennoch ist die Aktie der infolge der Fusion von CS und UBS nun zweitgrössten Schweizer Bank fundamental gesehen mit einem erwarteten 2024er-KGV von um die zehn alles andere als teuer.

Die mittelfristigen Finanzziele 2020 bis 2022, die sich Julius Bär gesteckt hatte, wurden allesamt erreicht. Sie sahen unter anderem eine Cost-Income-Ratio von unter 67 % vor, die mit 65,9 % klar übertroffen wurde, und eine Vorsteuermarge zwischen 25 und 28 %, die 2022 bei erfreulichen 27 % lag. Auch das Wachstum des Vorsteuer­gewinns von laut Plan mindestens 10 % wurde mit durchschnittlich 10,3 % pro Jahr in diesem Drei­jahreszeitraum geschafft.

Für die nächsten Jahre soll der Kurs bei Julius Bär weiter auf Erfolg getrimmt werden: Bis 2025 soll die Cost-Income-Ratio auf unter 64 % sinken, bei einer Vorsteuermarge zwischen 28 und 31 %. Die Wachstumsrate von mindestens 10 % beim Vorsteuergewinn wollen die Züricher beibehalten.

Von insgesamt 16 Analysten heben alle den Daumen und empfehlen Kaufen, Aufstocken oder Halten – kein einziger gab ein negatives Votum ab. Als mittleres Kursziel sehen die Experten im Konsensus 70,43 CHF, das eröffnet Kursgewinne zum aktuellen Stand von mehr als 14 %.

Interessant ist auch, trotz aller Turbulenzen, die Aktie der Deutschen Bank. Das nach Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl grösste Kreditinstitut Deutschlands mit Sitz in Frankfurt am Main ist als Universalbank tätig und unterhält bedeutende Niederlassungen in London, New York City, Singapur, Hongkong und Sydney. 1870 in Berlin gegründet wird das Institut vom Financial Stability Board (FSB) wie auch die Credit Suisse als systemisch be­deutsames Finanzinstitut eingestuft und seit 2011 in der Liste global systemrelevanter Banken geführt.

Die Bank hat im Zuge der Finanzkrise harte Zeiten mit einer Unzahl an Prozessen mit heftigen Pönalen wegen allerlei trüber Geschäfte vor allem in den USA hinter sich gebracht. Ein Unter­suchungsausschuss des US-Senats zur Finanzkrise beurteilte in seinem im April 2011 veröffentlichten Abschlussbericht die Deutsche Bank neben den Ratingagenturen und Goldman Sachs als führend ver­antwortlich für die Krise.

Die darauffolgenden Schläge wegen hochspekulativer Geschäfte waren so zahlreich, dass ein Be­obachter das Institut einst als „Casino mit angeschlossenem Bankbetrieb“ bezeichnete. Das juristische Gerangel endete mit einem Vergleich über insgesamt 7,2 Mrd. US-$; weitere Klagen kosteten das Unternehmen meh­rere Hundert Mio. US-$.

Der Kurs der Deutsche-Bank-Aktie mit einer Streubesitzquote von mehr als 72 % hatte vor dem Credit-Suisse-Debakel wieder angezogen, weil man nach Jahren endlich wieder in die Gewinnzone gesegelt war. 2022 lag der Vor­steuergewinn bei 5,6 Mrd. Euro; das bedeutete einen Anstieg um 65 % gegenüber dem Jahr davor und war das höchste Ergebnis seit 15 Jahren. Der Aktienkurs war während der letzten drei Jahre um rund 54 % auf zuletzt knapp unter zehn € pro Stück gestiegen. Von zehn Analysten heben neun den Daumen, wenn es um die Deutsche Bank geht; nur einer setzt auf Ver­kauf.

So hat die US-Investmentbank Goldman Sachs das Kursziel für die Deutsche Bank von 19,40 auf 19,50 € angehoben und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Analyst Chris Hallam verwies auf die überdurchschnittlich starken Kursverluste der Aktie seit Anfang März und begründete sie mit den Problemen in der Bankenbranche und Sorgen um ein Überspringen der Credit-Suisse-Probleme. Zugleich bleibt er zuversichtlich: Er aktualisierte seine Schätzungen und arbeitete insgesamt höhere Erträge im Privat­kunden­geschäft und angesichts ­steigender Zinsen auch eine höhere Marge in sein Bewertungsmodell ein. Für das erste Quartal kappte er dagegen seine Ertrags­prognose für das Investment­banking und senkte auch seine Schätzung für Aktienrückkäufe zwischen 2023 und 2026 und die Gewinnausschüttungsquote ab 2024. Die kanadische Bank RBC hat die Deutsche Bank auf „Outperform“, mit einem niedrigeren Kursziel von 15 €, belassen; und schliesslich hat die Privatbank Berenberg die Einstufung für die Deutsche Bank auf „Hold“ (mit einem Kursziel von elf €) belassen.

In den Fokus der Anleger rückte auch die US-Bank JP Morgan Chase. Mit einer Bilanzsumme von über 2.600 Mrd. US-$, erwirtschaftet von deutlich mehr als einer Viertelmillion Mitarbeiter, ist sie die grösste Bank der USA und laut Forbes das weltweit drittgrösste an einer Börse notierte Unternehmen. Sie entstand im Jahr 2000, als die Chase Manhattan Bank und J.P. Morgan & Co. fusionierten.

Die Folgen der Finanzkrise erwischten auch diese US-Bank: JP Morgan habe mit der für den US-Wohnungsmarkt zuständigen Aufsichtsbehörde FHFA (Federal Housing Finance Agency) eine vorläufige Einigung in der Sache erzielt und sei bereit, eine Strafe von vier Mrd. US-$ zu zahlen, verlautete im Oktober 2013. Während der letzten drei Jahre legte die Aktie des Unternehmens jedenfalls um rund 36 % auf zuletzt 110 US-$ pro Stück zu. Ein KGV von unter zehn und eine Dividendenrendite von 3,26 % machen Papiere von JP Morgan Chase interessant. Die RBC hat die Einstufung auf „Outperform“ (mit einem Kursziel von 130 US-$) belassen. Die US-Bank habe alles in allem unerwartet gute Zahlen abgeliefert, die vor allem einem eindrucksvollen Zinsergebnis zu verdanken seien, lobte Analyst Gerard Cassidy.

Er verwies dabei auf die zuvor herrschende grosse Unsicherheit bezüglich der Entwicklung bei den Amerikanern. Positiv vermerkte Cassidy zudem die mögliche Wiederaufnahme der Aktien­rückkäufe, und dass das harte Kern­kapital über den Zielen der Bank liege. Und nicht zuletzt hatte auch die Credit Suisse vor ihrem Ableben die Einstufung für JP Morgan auf „Outperform“ (mit einem Kursziel von 155 US-$) gesetzt.

Text: Reinhard Krémer
Illustration, Infografik: Valentin Berger

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