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Die deutsche Autobaumobilindustrie ist seit Jahren Exportweltmeister und geniesst das Vertrauen vieler Kunden weltweit. Doch von Elektromotoren, über Wasserstoff bis hin zu Cloud-Anbindungen für das autonome Fahren sowie digitaler Beratung und Updates beim Fahrzeugkauf: Die Branche findet sich seit einigen Jahren im Wandel.
Wie das Center of Automotive Management (CAM)-Ranking zeigt, haben deutsche Konzerne in vielen innovativen Technologiefeldern und Fahrzeugsegmenten noch immer die Nase vorn. Gerade VW und Daimler zählen diesbezüglich zu den technisch innovativsten Konzernen. Gleichzeitig aber schaffen es mit SAIC, Great Wall und Geely erstmals auch drei chinesische Automobilkonzerne unter die Top 10. Vor allem Tesla (Platz 3) ist nicht mehr aus dem Sektor wegzudenken und macht den deutschen Autobauern ordentlich Konkurrenz – der kalifornische Hersteller ist derzeit nicht umsonst die wertvollste Automobilaktie der Welt.
Der Umstieg vom Verbrennungs- zum Elektromotor, die beginnende Einführung autonomer Fahrweisen und die anhaltende Automatisierung und Vernetzung der Fertigungsprozesse sowie das Auftreten neuer Mobilitätsdienstleistungen, werden die Wertschöpfungskette grundlegend verändern. Die Richtung des Wandels steht fest: Die Zukunft der Automobilbranche liegt in digitalen Technologien und Softwares.
Dafür braucht es IT-Fachkräfte, die den Wandel mit ihrer Expertise massgeblich vorantreiben. Und genau hier liegt die grosse Herausforderung: Im Bereich Software und IT haben die meisten grossen Automobilkonzerne in Deutschland ein Defizit an Erfahrung, Struktur und Experten. Jetzt geht es darum, diese Herausforderung anzuerkennen und sich ihr anzunehmen, um den Anschluss an die Zukunft der Automobilbranche nicht zu verpassen und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Kluft zwischen offenen Stellen für IT-Fachkräfte und der Anzahl der Talente ist gross und hat gravierende Auswirkungen auf Unternehmen: Statistiken zeigen, dass 70% der Unternehmen in Deutschland für ihre offenen Stellen händeringend nach ITlern suchen und es im Durchschnitt etwa sechs Monate dauert, bis eine offene IT-Stelle besetzt werden kann. Ebendiese Umstände wirken sich innovationshemmend auf die Geschäftstätigkeiten und die digitale Transformation aus. Schnelles, flexibles und vor allem effizientes Recruiting ist ausschlaggebend dafür, ob ein Unternehmen mit der Konkurrenz mithalten kann. Somit steht und fällt die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie in Deutschland mit der Expertise ihrer IT-Talente.
Doch genau hier liegt in den meisten Fällen das Problem: Zum einen ist der Recruitingprozess an sich sehr aufwendig und mit einem hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Zum anderen sind die Abläufe und Strukturen in der Personalbeschaffung veraltet. Ein klassisches Bewerbungsgespräch anhand des Lebenslaufes mag vielleicht bei manchen Stellenausschreibungen funktionieren, bei IT-Experten sind aber beispielsweise die blossen Jahre an Erfahrung wenig aussagekräftig darüber, ob der Kandidat auch wirklich für die Position geeignet ist.
Alexander Schlomberg
...ist Gründer und Geschäftsführer des HR Tech Unternehmens expertlead, welches er 2018 zusammen mit seinem Partner Arne Hosemann gegründet hat. Nach seinem Studium in BWL und VWL an der Stockholm School of Economics war er zunächst bei McKinsey als Unternehmensberater tätig, wo er in erster Linie an Projekten zur digitalen Transformation arbeitete. Durch seine Erfahrung als Berater weiss er um die Herausforderung für Unternehmen, geprüfte Tech Expert*innen zu finden.
Da auf ein technisches Assessment in vielen Recruitingprozessen sogar gänzlich verzichtet wird, können die Talente ihr technisches und fachliches Können oft gar nicht erst unter Beweis stellen. Eine Umfrage unter Entwicklern von Stack Overflow, eine Internetplattform für Softwareentwickler, zeigt, dass nur 39% während des Bewerbungsprozesses coden müssen. Die Folgen: Fehleinstellungen und unzufriedene Kandidaten. Um das zu verhindern, sollte die Qualifizierung der IT-Talente im Fokus stehen und das Recruiting dementsprechend ausgelegt sein. Das geht allerdings nicht durch das manuelle Betrachten und Evaluieren der Lebensläufe durch den Personalbeauftragten oder durch Jobinterviews mit leitenden Angestellten oder Managern. Diese haben meist nicht das nötige Wissen, um die technische Qualifizierung und die Programmier-Qualitäten der Kandidaten ausreichend beurteilen zu können.
Stattdessen braucht es Technologie, um das Recruiting zu automatisieren und damit den Auswahlprozess zu beschleunigen sowie auf kurze Zeit mehr Daten auszuwerten und die passenden Profile automatisiert zu finden. An dieser Stelle kommen KI-basierte Algorithmen ins Spiel: Neben einer schnellen Vorauswahl durch „CV Parsing“, dem automatischen Speichern, Durchsuchen und Sortieren von Lebenslaufdaten, und optimierten Stellenanzeigen, kann die KI auch im späteren Recruitingprozess genutzt werden, um die Bewerber beispielsweise mithilfe von Chatbots durch den Prozess zu führen oder in Videotelefonaten deren Mimik und Gestik zu analysieren – die Möglichkeiten sind vielfältig. Unter anderem kann die künstliche Intelligenz aber auch dabei helfen, den potenziellen Talentpool zu erweitern. Im IT-Bereich kann Künstliche Intelligenz zudem genutzt werden, den bereits vorhandenen Code, den die Entwickler zum Beispiel auf GitHub oder GitLab publiziert haben, auf Codequalität zu überprüfen. So kann eine noch präzisere Vorauswahl anhand der tatsächlichen fachlichen Qualifizierung getroffen werden.
Über den Online-Auftritt der Menschen kann der Algorithmus entscheiden, welche Stellenanzeigen für sie interessant sind – noch bevor die Kandidaten überhaupt wissen, dass sie sich bewerben wollen. In einer Branche, in der noch viel mit Stift und Papier sowie in Excel Tabellen gearbeitet wird, kann die Time-To-Hire so um ein Vielfaches verkürzt und der gesamte Recruitingprozess zeit- und kosteneffizienter gestaltet werden. Um hierbei das Risiko möglicher Verzerrungen zu mindern, ist es wichtig, auf ein diverses Entwicklungsteam zu setzen und die Ergebnisse auf mögliche Auffälligkeiten zu überprüfen.
Zur Gänze übernehmen sollte eine KI den Bewerbungsprozess jedoch nicht. Denn die menschliche Komponente ist nach wie vor ein wichtiger Baustein beim Recruiting. So kann auch nach einer technologiegestützten Vorauswahl, etwa anhand von live Coding-Sessions, die technische Qualifizierung der Kandidaten geprüft werden – am besten von anderen IT-Experten, die über vergleichbare Kompetenzen im jeweiligen Fachbereich verfügen.
Volkswagen ist sich der Bedeutung von qualitativ hochwertigen IT-Fachkräften für die Weiterentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bewusst: VW Chef Herbert Diess nennt das dazugehörige Softwareunternehmen CARIAD in einem Interview nicht umsonst „das wichtigste Projekt des Konzerns“. Die Entwicklung einer einheitlichen Software für alle Marken des Konzerns soll als Katalysator dienen, um einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu erzeugen. Dafür unabdingbar: ein intelligenter, technologisierter Rekrutierungsprozess.
Gastkommentar: Alexander Schlomberg
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