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Nach turbulenten Jahren kehrt die dänische Sport- und Modemarke Hummel zu den Basics zurück. CEO Lars Stentebjerg will sich bewusst fokussieren – auf das, was die Marke schon immer stark gemacht hat. Neben etablierten Kategorien gehört dazu vor allem auch, die Dinge etwas anders zu machen als „die Grossen“.
Als Lars Stentebjerg im Frühjahr 2024 CEO von Hummel wurde, hatte er einen entscheidenden Vorteil: Er kannte das Unternehmen bereits aus dem Innersten. Über zweieinhalb Jahre war er als COO für die operativen Prozesse verantwortlich, nun stand er an der Spitze. „Natürlich ändert sich der Blick der anderen, wenn du CEO wirst“, sagt Stentebjerg ein Jahr später im Zoom-Interview mit Forbes. „Aber ich hatte Zeit, das Unternehmen wirklich zu verstehen – wie es funktioniert, was gut läuft und wo es hakt.“
Hummel ist eine Marke mit viel Geschichte. 1923 in Hamburg gegründet und heute mit Sitz
in Aarhus hat Hummel den Teamsport (insbesondere Fussball) entscheidend mitgeprägt. Ab 1985 sponserte die Marke für zehn Jahre sogar das „weisse Ballett“ von Real Madrid; auch das dänische Nationalteam gehört zu den Teams, die in Hummel-Trikots auflaufen. Doch trotz grosser Historie spielt Hummel bis heute in einer Liga unterhalb der Global Player wie Nike und Adidas.
Was Hummel auszeichnet, ist nicht nur seine Geschichte, sondern die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu positionieren – ohne sich zu verbiegen. Diese Balance zwischen Beständigkeit und Anpassung zieht sich wie ein roter Faden durch die Strategie von Stentebjerg. „Wir müssen nicht in jeder Kategorie mitspielen“, sagt er, „aber dort, wo wir auftreten, müssen wir exzellent sein.“ Statt auf kurzfristige Hypes zu setzen, baut Hummel auf langfristige Relevanz – gerade im von Schnelllebigkeit geprägten Sport- und Modemarkt ein mutiger Ansatz.
Stentebjerg will den Erfolg in Zukunft aber nicht durch radikale Expansion, sondern einen klugen Fokus erreichen. Sprich: weniger Breite, mehr Tiefe. „Wir sprechen intern vom Aufstieg in die nächste Liga“, sagt er. „Wenn man von 100 Mio. € auf 350 Mio. € wächst, kann man
nicht einfach so weitermachen wie bisher.“
Bisher dürfte Stentebjerg auf Kurs sein, denn 2024 gelang die Trendwende. Nach wirtschaftlich anspruchsvollen Jahren (auf das Rekordjahr 2021 folgten einige Jahre mit roten Zahlen; 2023 lag der Verlust bei 13 Mio. €) schrieb das Unternehmen 2024 mit einem Plus von 1,6 Mio. € wieder schwarze Zahlen. Der Umsatz stieg um 9 % auf 326 Mio. €. Nun ist eine Gewinnmarge von 0,5 % keine Outperformance – Nike und Adidas liegen beide knapp unter 10 %. Doch für Hummel war die Tatsache, dass 2024 wieder profitabel war, ein psychologisch wichtiger Wendepunkt.
Besonders stark entwickelte sich das Teamsport-Segment, das in Europa um 20 % zulegte. Unter den prominenten Teams, die in Hummel-Trikots spielen, finden sich neben dem dänischen Nationalteam auch Werder Bremen und der 1. FC Köln in Deutschland, AFC Sunderland in England sowie Real Betis in Spanien. Aktuell läuft es für die Hummel-Teams sportlich durchaus gut: Werder Bremen beendete die Saison auf einem respektablen achten Platz, der 1. FC Köln schaffte mit dem Meistertitel in der 2. Bundesliga die Rückkehr ins „Oberhaus“, AFC Sunderland spielt in der Saison 2025/26 ebenfalls wieder erstklassig – und Real Betis erreichte das Finale der UEFA Conference League.
Dabei geht es Hummel nicht nur um sportlichen Erfolg, sondern um das Erzählen glaubwürdiger Geschichten – Trikots werden dabei zur Leinwand. „Wir sehen jedes Trikot als Plattform, unsere Werte sichtbar zu machen“, sagt Stentebjerg. Ob kulturelle Bezüge, historische Anleihen oder politische Haltung – Hummel traut sich, mehr als nur Farbe und Schnitt zu liefern. Diese Haltung kommt an, besonders bei jüngeren Zielgruppen, die Authentizität einfordern: „Wir merken das ganz klar in der Resonanz der Fans – und auch in den Verkaufszahlen.“

Doch mit Aufstiegen und Finalspielen allein ist es nicht getan – Stentebjerg und sein Team richten Hummel strategisch neu aus: „Wir müssen fokussierter werden – in den Produkten, in der Distribution, in der Kommunikation. Nur so können wir im Markt bestehen.“ Neben Fussball gehören auch Handball sowie der Kids-Bereich zum Fokus. „Wir konzentrieren uns auf die Bereiche, in denen wir historisch stark sind. Nur dort können wir zu einem Top-Five-Anbieter werden – und das ist notwendig, um ausreichend Regalfläche zu bekommen“, so Stentebjerg.
Auch der Umgang mit Retail-Partnern wurde angepasst. In Deutschland etwa gibt es heute unterschiedliche Kollektionen für Sportfachhandel und Lifestyle-Shops. „Das ist nicht immer einfach zu steuern, aber es hilft uns, die Marke in verschiedenen Kontexten relevant zu halten“, erklärt Stentebjerg. Gleichzeitig baue man die E-Commerce-Infrastruktur weiter aus, um direkter mit den Endkunden zu kommunizieren: „Wir wollen so nah wie möglich an der Zielgruppe sein – ohne Zwischenebenen.“
Das Understatement ist bewusst gewählt. „Wir sind nicht Nike, nicht Adidas, aber auch keine rein lokale Grösse“, sagt Stentebjerg. „Wir sind irgendwo dazwischen – und genau das ist unsere Stärke.“ Gemeint ist: Hummel ist gross genug, um Relevanz zu haben, aber klein genug, um schnell, beweglich und mutig zu agieren. Und dieser Mut zeigt sich immer wieder: mit Trikots für die afghanische Frauenfussballmannschaft oder das tibetanische Nationalteam, mit speziellen Sponsoringprojekten in Grönland oder mit der Aktion „Pay with Peace“, bei der sich Fans rivalisierender Klubs für ein gemeinsames Foto zusammentun mussten, um an der Stadionbar ein Getränk zu bekommen. Stark getrieben durch Hummel-Eigentümer Christian Stadil (der in Ausgabe 3-25 das Cover von Forbes zierte) will die Marke mit diesen Projekten zeigen, dass man die Dinge anders machen kann und will als die Grossen. Es sind genau solche Aktionen, die den Unterschied machen. „Wir haben nicht die Plattform, die andere haben, um unsere Geschichte zu erzählen“, sagt Stentebjerg, „also müssen wir kreativer, fokussierter und glaubwürdiger sein.“
Der Vorteil dabei: Hummel ist ein Markenname mit Substanz. In Dänemark ist die Marke ein „nationales Kulturgut“, wie Stentebjerg sagt. „Die Leute erinnern sich an 1992, an den EM-Titel Dänemarks, an das damalige Trikot – da sind Emotionen im Spiel. Und eine Marke lebt von Emotionen.“

Wenn wir in zehn Jahren 10.000 Klubs ausstatten, dann will ich sagen können: Wir haben dabei nie unsere DNA verraten.
Lars Stentebjerg
Marke und Management greifen dabei ineinander – mit einem Stil, der bewusst flach, schnell und pragmatisch bleibt. „Ich glaube an Verantwortung und Klarheit – nicht an Mikromanagement“, sagt Stentebjerg. Entscheidungen trifft das Führungsteam oft innerhalb eines Tages; kurze Wege, direkte Kommunikation. „Unsere Grösse erlaubt es uns, nicht bürokratisch zu sein. Das müssen wir als Vorteil nutzen“, so der CEO. Seine Rolle sieht er dabei nicht als klassische
Top-down-Figur, sondern als Möglichmacher: „Ich muss sicherstellen, dass unsere Leute Klarheit haben, worauf es ankommt – und dann die Hindernisse aus dem Weg räumen.“
Der Umbau des Unternehmens betrifft aber nicht nur die Produktstrategie, sondern auch die Organisation. Hummel setzt auf lokale Präsenz: eigene Teams in Dänemark, Deutschland, der Türkei, Spanien oder Frankreich. „Wir wollen unsere Marktanteile dort ausbauen, wo wir bereits vertreten sind – das ist oft nachhaltiger, als in neue Märkte zu expandieren“, sagt Stentebjerg. Neue Kategorien wie Running oder Swimwear? „Das kann vielleicht irgendwann kommen – aber nicht auf Kosten unseres Kerngeschäfts.“
Auch innerhalb des Unternehmens wurden Strukturen verändert. Die Lifestyle-Linie wird in Partnerschaft mit der Wiener Noctane GmbH (Noctane-Eigentümer Sven Voth ist an der FEB29 Holding beteiligt, die die Forbes-Lizenzen für Österreich und die Schweiz hält) entwickelt. „Lifestyle ist ein anderes Geschäft. Wenn du morgens aufwachst und Sport machst, lebst du nicht automatisch auch unser Lifestyle-Produkt. Deshalb haben wir uns hier Verstärkung geholt.“ Eine ähnliche Entscheidung traf Stentebjerg mit den akquirierten Marken Halo (Outdoor) sowie Newline (Performance): Dort gibt es eine eigene Strategie, eine eigene Distribution, eine eigene Zielgruppe.
Die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, zählt Stentebjerg zu den wichtigsten Anforderungen in seinem Job. „Gerade in einem Transformationsprozess ist es entscheidend, Nein sagen zu können – zu Kunden, zu Produkten; zu Ideen, die nicht zur Strategie passen.“ Der Fokus auf die „Winning Categories“ – Fussball, Handball, Kids – sei alternativlos. „Nur so schaffen wir es, Marke und Geschäft parallel nach vorne zu entwickeln.“
Dabei bleibt der CEO selbst tief im Thema verankert. Privat ist er ein grosser Fan des englischen Fussballklubs Everton – das blaue Trikot hängt in seinem Büro. Die Zusammenarbeit von Hummel mit dem Klub endete allerdings 2024; für Stentebjerg ein „emotionaler Moment“, wie er sagt. Und zwar nicht nur persönlich – auch strategisch: „Everton hat unser Markenimage in Europa und in den USA massiv gestärkt. Das hat uns Türen geöffnet.“

In der Gestaltung der Trikots unterscheidet sich Hummel bewusst vom Wettbewerb. „Wir setzen uns mit den Klubs zusammen, sprechen mit den Fans, hören zu. Bei uns gibt es kein Standardrot für alle – wir erzählen mit jedem Jersey Geschichten. Und das sieht man auch in den Verkaufszahlen.“ Dass Fussballtrikots nicht mehr nur Trikots sind, zeigt sich auch anderswo: Instagram-Seiten und Lifestylemedien verfolgen die Releases der Trikots stark, die Präsentationen werden von den Klubs massiv inszeniert; Klubs wie Venezia FC lassen die Felder Sport, Lifestyle und Mode verschwimmen.
Ob Trikotdesign oder Marktstrategie:
Am Ende geht es Stentebjerg immer um eines – Glaubwürdigkeit. „Wenn wir in zehn Jahren 10.000 Klubs ausstatten, dann will ich sagen können: Wir haben dabei nie unsere DNA verraten.“ Diese Haltung, gepaart mit einer klaren Fokussierung, ist für ihn der Weg in die Zukunft.
Der Plan ist ambitioniert, aber machbar. Hummel will kein Massenprodukt werden, sondern ein relevanter Player in einem globalisierten Markt. Und Lars Stentebjerg? Der muss all das als „Architekt“ hinbekommen: „Unsere Grösse erlaubt es uns, anders zu sein“, sagt er. „Und das ist genau das, was wir sein wollen.“
Lars Stentebjerg, geboren 1984, studierte Wirtschaft in Dänemark. Er war unter anderem für Lego sowie die Ball Group und die Marke Zizzi tätig. 2021 kam er als COO zu Hummel, seit April 2024 ist er CEO.
Fotos: Hummel AG