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Kitzbühel ist als Ski-Resort bekannt. Seit 2018 setzt die Region auf Ganzjahrestourismus – doch nun hat Covid-19 den Tourismussektor weitgehend auf Eis gelegt. Aber auch jetzt zeigen sich Kitzbühels Erfolgsfaktoren.
Den Tourismussektor haben die aufgrund Covid-19 erlassenen Massnahmen wohl mitunter am härtesten getroffen. Denn Urlaub und Reisen stehen derzeit nicht im Fokus der Gesellschaft. Und so belaufen sich laut Schätzungen einer von Statista durchgeführten Marktrecherche die Umsatzeinbussen in diesem Sektor im Vergleich zum Vorjahr auf 34,7%. 2020 wird damit wohl einen Umsatz von 447,4 Milliarden US-$ erreicht werden. Die Schätzungen vor der Coronakrise beliefen sich dabei auf etwa 712 Milliarden US-$.
Das komplette Interview wurde auch auf Video aufgezeichnet.
Auch die weltbekannte Ski-Destination Kitzbühel kann ein Lied von den Auswirkungen der Krise singen – Tirol wurde Mitte März über Nacht von der österreichischen Regierung zum Quarantänegebiet erklärt. Eine Tatsache, die für die 2019 zum siebten Mal in Folge zu „Austria's Best Ski Resort“ gekürte Region die vorübergehende Schliessung bedeutet. Dabei hatte 2020 so vielversprechend begonnen: Alleine während des weltbekannten Hahnenkamm-Rennens (internationale Veranstaltung im Skirennsport, Anm.) im Januar 2020 strömten über 86.000 Besucher nach Kitzbühel, an einem Wochenende machte die Destination 47 Millionen € Umsatz. Was der Shutdown für konkrete Auswirkungen auf die Region hat, wie mit der Krise umgegangen wird und welche Bedeutung jetzt Führung zukommt, hat Viktoria Veider-Walser, Geschäftsführerin von Kitzbühel Tourismus, in den letzten Wochen zur Genüge erlebt – und navigiert die Destination trotz aller Herausforderungen zuversichtlich durch die Krise. „Ich bin absolut optimistisch, weil ich überzeugt bin, dass wir die Dinge nehmen, wie sie kommen und das Bestmögliche daraus machen werden.”
Kitzbühel: 365-Strategie trifft auf Corona
Als die durch Covid-19 ausgelöste Quarantäne in Tirol verhängt wurde, war Veider-Walser bereits das dritte Jahr Geschäftsführerin von Kitzbühel Tourismus. Mit einem Studium in Betriebswirtschaftslehre in Wien und Norwegen und einem Masterstudium in Gesundheit und Leistungssport am Institut für Strategic Management an der Uni Innsbruck schlug sie den akademischen Weg ein und begann 2012 ein Doktoratsstudium in Strategischem Management, das sie 2015 abschloss. 2017 wechselte sie schliesslich von der Forschung in die Praxis. „Für mich war es nach fünf Jahren in der Wissenschaft wichtig, die Theorien in der Praxis zu testen. Das war der nächste logische Schritt“ sagt sie. Zusammen mit Kitzbühel Tourismus-Präsidentin Signe Reisch bildet Veider-Walser im Tourismusverband Tirol die einzig weibliche Doppelspitze – nur sieben weitere der 34 Verbände haben eine Frau als Geschäftsführerin.
Ein Jahr nach ihrem Amtsantritt, 2018, entwickelte sie zusammen mit Experten und Akademikern eine neue Strategie für die Gemeinde: Kitzbühel 365. Das Konzept: das beliebte Winter-Reiseziel als Ganzjahresdestination zu etablieren und im Sommer mit Aktivitäten wie Wandern und Golfen sowie einem Fokus auf Wellness zu punkten. Dabei stets im Mittelpunkt stand die Wahrung der Markenkernwerte. Denn Kitzbühel gilt seit den Tourismus-Anfängen 1903, als das erste Hotel eröffnete, als „legendärste Sportstadt der Alpen mit einem unverwechselbaren Lebensgefühl“. Der Qualitätsgedanke in Kombination mit innovativen Konzepten steht dabei stets im Vordergrund, wie Veider-Walser sagt.
Auch jetzt in der Krise scheint sich Kitzbühels Positionierung auszuzahlen. „Wir haben in den letzten Jahren sehr konsequent und gut gearbeitet. Natürlich sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auch bei uns zu spüren. Trotz allem bauen wir auf einem guten Polster auf” so Veider-Walser. Nichtsdestotrotz hat sich auch in Kitzbühel in den letzten Wochen so einiges getan. Es mussten Massnahmen ergriffen werden, die weitreichende Folgen für den Betrieb der Destination und für einen erheblichen Teil der Bevölkerung – etwa 35% der Menschen in Kitzbühel sind im Bereich Tourismus tätig – hatten und immer noch haben.
Krisen managen
Lag die Arbeitslosenquote in Tirol im Februar 2020 noch bei 17.473 Personen, waren es im März bereits 43.077 Menschen. Für Veider-Walser stand aber der Schutz und das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter bei der Umsetzung der Massnahmen im Fokus. „Für uns war es sehr wichtig, dass wir jeden Mitarbeiter halten können, deswegen haben wir uns rasch dafür eingesetzt, Kurzarbeit auszuschreiben”, so Veider-Walser. Gerade ihr als Führungskraft kommt in diesen herausfordernden Zeiten eine besondere Rolle zu. So nennt sie als wesentliche Faktoren dabei: eine klare Kommunikation, ein gemeinsames Verständnis der Ziele, das Schaffen von Sicherheit, ein offenes Ohr für Mitarbeiter und die Demonstration von Solidarität.
Eine Umfrage des Österreichischen Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF) kam bei der Befragung von 3.000 Führungskräften zum Umgang mit der Covid-19-Situation zu einem ähnlichen Ergebnis: Die wichtigste Eigenschaft einer Führungskraft sei es demnach klare Botschaften zu formulieren. Ebenso sind dabei eine aktive Kommunikation und vorgelebte Führung wichtig. Zudem bestünde die wichtigste Aufgabe derzeit darin, jene Massnahmen einzuleiten, die das Unternehmen die Krise überstehen lassen und als Führungskraft die Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Mitarbeitern wahrzunehmen. „Grundsätzlich ist werteorientiertes Führen ganz zentral. Ich denke, es ist an der Zeit, dass das in unserer Gesellschaft mehr Einzug hält“, sagt Veider-Walser.
Auch wenn die Krise sie als Führungsperson, ihre Mitarbeiter und Kitzbühel als Tourismusdestination gerade vor eine der schwierigsten Situation überhaupt stellen mag, so ist Veider-Walser davon überzeugt, die Herausforderung zu meistern. „Ich bin noch jung und flexibel und stelle mich auf die Situation ein. Auch mein Team ist flexibel und zeigt sich sehr solidarisch, worüber ich sehr froh bin. Daher werden wir diese Herausforderung so meistern, wie wir es bisher auch getan haben.” Und das Ende der Beschränkungen ist immerhin bereits in Sicht – Ende Mai darf in Österreich der Tourismusbetrieb wieder hochgefahren werden, in der Gastronomie dürfen Betriebe bereits wieder Mitte Mai öffnen. Dann heisst es auch in Kitzbühel wieder „Willkommen in der legendärsten Sportstadt der Alpen in Tirol”.
Text: Andrea Gläsemann
Fotos: Kitzbühel Tourismus / Michael Werlberger