In Charge

Als niemand den deutschen Batteriehersteller Varta anfassen wollte, glaubte Michael Tojner an dessen Zukunft und investierte 40 Millionen US-$. 13 Jahre später ist aus dem angeschlagenen Unternehmen der Marktführer für Batterien in kabellosen Kopfhörern geworden; Varta arbeitet heute mit Tech-Riesen wie Apple zusammen. Tojner selbst verhalf dies zu einem Vermögen von 1.9 Milliarden US-$ – und einem Platz auf der Forbes Billionaires List 2020.

In einem Konferenzraum ausserhalb der bayerischen Stadt Nördlingen spielt der österreichische Neo-Milliardär Michael Tojner mit einer kleinen Batterie. Das Objekt hat nur die Grösse einer Münze, ist aber ein technologisches Wunderwerk. Bei rund einem Zentimeter Grösse beinhaltet die Zelle hundertmal mehr Energie als eine Haushaltsbatterie, kann in nur 15 Minuten vollständig aufgeladen werden und hält mit nur einer einzigen Ladung fünf Stunden lang. Eine frühe Vorgängerversion dieser Batterie versorgte die Kamera des Astronauten Neil Armstrong während der Mondlandung von Apollo 11.

Doch die Batterien sind nicht nur eine technologische Sensation, sondern auch eine Goldgrube: Tojner kaufte Varta, das deutsche Unternehmen, das sie herstellt, im Jahr 2007 für nur 40 Millionen US-$. Vor zweieinhalb ­Jahren brachte der Serienunternehmer und Risiko­kapitalgeber das Unternehmen in Frankfurt an die Börse. Heute hat Varta eine Marktkapitalisierung von 2,8 Milliarden US-$ – und ­Tojner ein Nettovermögen, das ihm 2020 erstmals ­einen Platz auf der Forbes Billionaires List ­verschaffte.

Verdanken kann Varta seinen Erfolg vor ­allem den explodierenden Verkäufen von kabellosen Kopfhörern, allen voran dem AirPod Pro von Apple. Die deutsche Commerzbank schätzt, dass Varta einen Marktanteil von über 50 % bei kabellosen Premium-Kopfhörern besitzt, die wiederum aussergewöhnliche Gewinnmargen von 40 % erzielen. Die Deals mit den Herstellern – neben Apple auch Samsung, Jabra und Sony – trieben die Einnahmen von Varta 2019 um 34 % auf 400 Millionen US-$ nach oben.

Den Platz auf der Forbes Billionaires List 2020 verdankt Tojner – gemeinsam mit seinen sonstigen Tätigkeiten – in erster Linie seiner Beteiligung an Varta (56 %). Der 54-jährige Vater von sechs Kindern wird vom Wirtschaftsmagazin Trend auch als „Mister 300 %“ bezeichnet. „Bei den Mikrobatterien sind wir klarer Marktführer. Das Segment wächst mit wahrscheinlich 50 bis 60 % pro Jahr“, sagt Tojner. „In zehn Jahren wird niemand mehr ein Telefon ohne ­kabellose Kopfhörer haben. Es besteht ein ­enormes Wachstumspotenzial.“

Varta ist der Überrest eines riesigen deutschen Industriekonzerns (ebenfalls Varta genannt), der 1887 gegründet wurde und sich über die Bereiche Pharmazie, Chemie, ­Kunststoffe und Batterien erstreckte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erwarb die milliardenschwere Quandt-Familie – auch als Hauptaktionäre von BMW bekannt – den grössten Teil des Unternehmens. Fast ein Jahrhundert später, als das Pharma- und Chemiegeschäft längst abgespalten war, verkauften die Deutsche Bank und die Quandt-Erben ihre Anteile. Rayovac und Johnson ­Controls kauften den grössten Teil des Batterie­geschäfts, aber das Mikrobatteriegeschäft wurde als Allerletztes verkauft.

Michael Tojner
... studierte Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre in Wien. Er startete früh eigene Unternehmungen; grosse Aufmerksamkeit erzielte er mit dem Online-Wettanbieter Bwin. Heute ist Tojner als Unternehmer und Investor tätig. 2020 landete er – vor allem wegen seines Anteils am deutschen Batteriehersteller Varta – mit einem Vermögen von 1,4 Milliarden US-$ erstmals auf der Forbes Billionaires List.

„Ich war der einzige Bieter, der übrig blieb, weil sich niemand traute, Varta zu kaufen“, sagt Tojner. „Mir wurde ein Unternehmen mit negativem Cashflow verkauft – aber ein exklusiver Vertrag mit Apple sollte alle Probleme lösen. Nach einem Jahr explodierte eine kleine Batterie, wir verloren den Apple-Vertrag. Das Unternehmen ging fast pleite. Die Bank war nervös, und ich war jeden Tag in der Restrukturierungsabteilung, weil wir unsere Zinsen nicht bezahlen konnten.“

Die explodierende Batterie des Apple iPod Nano zwang Varta dazu, sein 60 Millionen US-$ schweres Investment in Lithium-Polymer-Batterien in die Tonne zu schmeissen. Tojner und Varta-CEO Herbert Schein erhöhten ihre In­vestitionen in Lithium-Ionen-Münzbatterien, automatisierten die Produktion, um asiatische Konkurrenten mit niedrigeren Lohnkosten ab­zuwehren, und förderten die Forschung, um die Innovationskraft zu steigern.

 

Eine gute Wette
(Quelle: Eigenrecherche, Unternehmensangaben)

Das langjährige Varta-Vorstandsmitglied Sven Quandt sagt, dass seine Familie es in Erwägung gezogen hatte, selbst zu bieten. Aber es habe Tojner gebraucht, um aus dem kleinen Unternehmen ein weltweit führendes zu machen. „Die Tochtergesellschaften gehörten damals zu einem grossen Konzern“, sagt Quandt. „Die Mitarbeiter waren nicht so auf Gewinn, Verlässlichkeit oder Wachstum fokussiert. Michael brachte den nötigen Antrieb mit.“

Die Hightech-Welt der ­Mikrobatterien inklusive lukrativer Verträge mit Silicon-Valley-Giganten ist jedenfalls ein ungewöhn­licher Ort für einen umtriebigen Un­ternehmer, der seine Karriere mit dem ­Verkauf von Eiscreme an Touristen begann.

Beim Schloss Schönbrunn, einer der grössten Touristenattraktionen Wiens, sicherte sich Tojner während seines Studiums 1991 das Recht, einen Eisstand innerhalb des Schlossgeländes zu betreiben. Tojner war ein sehr junger Mann, der es stets eilig hatte. Er verwendete die ­Gewinne aus dem Eisverkauf, um einen Versandhandel für Küchenmaschinen aufzubauen. Diese verkaufte er an das postkommunistische Ungarn, Wiener Nachtclubs und eine Möbelhauskette.

Tojner: „Eiscreme hat eine noch höhere Marge als Mikrobatterien. Das legte den Grundstein für meine unternehmerische Karriere. Die Zeit damals war ziemlich wild, ich war 24 Jahre alt und finanzierte meine Tätigkeit durch den Verkauf von Eis und Bankkredite. Ich wäre fast bankrott gegangen.“ Nachdem er sowohl in Rechtswissenschaften als auch in Betriebswirtschaft promoviert hatte, verkaufte Tojner seine Unternehmen und gründete einen Risiko­kapitalfonds in Wien. Einen seiner grössten Erfolge erzielte er mit dem in Wien ansässigen Glücksspielportal Bwin, das er im Jahr 2000 mit einer Bewertung von 242 Millionen US-$ an die Börse brachte.

„Michael ist für Geld, was Mozart für die Musik ist“, sagt Manfred Bodner, der mehrere Unternehmungen mit Tojner – darunter Bwin – startete und Trauzeuge bei seiner Hochzeit war. „Er liebt es einfach und hat viel Spass da­ran, mehr davon zu machen.“ Die Studienfreunde sprachen zwischenzeitlich vier Jahre lang nicht miteinander, nachdem Tojner seinen Anteil an Bwin verkauft und sein eigenes Glücksspiel­unternehmen Starbet ins Leben gerufen hatte. „Michael ist sehr kompetitiv“, fährt Bodner fort. „Es ist nicht einfach, eine Partnerschaft mit ihm einzugehen. Viele Menschen sind daran gescheitert.“

 

Das Geschäft mit den Airpods
(Quelle: Varta, Rooke)

Tojner steht immer wieder in der Kritik. Ihm wird etwa vorgeworfen, die österreichischen Steuerzahler durch den Kauf von Sozialwohnungen um 43 Millionen US-$ betrogen zu haben. Er bestreitet jedes Fehlverhalten, doch die Untersuchung macht ihn zu einem Stammgast in der Presse. Und auch Vartas Geschäft mit den Mikrobatterien hat einige Gewitter­wolken über sich hängen: Berichten zufolge nutzen Samsung und andere Kunden von Varta seit Kurzem Batterien der chinesischen Hersteller Eve Energy und MIC-Power. Varta hat rechtliche Schritte eingeleitet, der Vorwurf lautet Verstoss gegen Patentrechte. Doch solche Streitigkeiten entscheiden sich nahezu nie vor Gericht. „Ich glaube, dass deutsche Unternehmen oft vorschnell sind. Sie unterschätzen das Potenzial asiatischer Hersteller – und scheinbar ist das leider auch bei Varta der Fall“, sagt Commerzbank-Analyst Stephan Klepp.

Robert-Jan van der Horst von Warburg ­Research erzählt zudem, dass die saftigen ­Margen von Varta durch die Konkurrenz unter Druck geraten könnten. Die grossen Investitionen in Roboter würden aber dafür sorgen, dass die „Made in Germany“-Batterien weiterhin in bayerischen Fabriken produziert werden. Van der Horst weist darauf hin, dass Varta bei seinen Hörgeräten mit nur zehn Mitarbeitern 1,4 Milliarden Batterien pro Jahr produziert. Die Mikrobatterien-Produktion sei ähnlich effizient.

Was auch immer die Zukunft bringen mag und kann: Tojner ist zuversichtlich, dass Varta die Nase vorne haben wird. „Unsere Qualität ist besser, deshalb können wir einen höheren Preis verlangen“, sagt er. „Bei Apple und Samsung kosten solche Kopfhörer viel Geld. Die Batterie, die wichtigste Komponente, kostet dabei vielleicht nur fünf Euro. Aber wenn die Batterie nach ein paar Monaten nicht mehr funktioniert, drehen die Kunden durch.“

Text: Iain Martin / Forbes US
Fotos: Levon Biss / Forbes US

Der Artikel erschien in unserer Juli/August-Ausgabe 2020 „Smart Cities“.

Forbes Editors

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