Im Rennen um die besten ideen

René Berger fliegt meist unter dem Radar – und doch gibt es nur wenige in Österreich, die mehr Erfahrung als Investor haben. Gemeinsam mit Freund und Geschäftspartner Toto Wolff investiert Berger seit 25 Jahren in Unternehmen. Neben Start-ups profitieren Berger und Wolff aktuell vor allem vom Formel-1-Boom, der auch zu einer Wertexplosion des eigenen Anteils am Mercedes-Team führte. Im Ziel ist Berger aber noch lange nicht angekommen.

Bereits früh im Gespräch sagt René Berger jenen Satz, der die Philo­sophie des Investors in einer Aussage zusammenfasst: „Wir versuchen, ein sinnvolles Portfolio von Unternehmen aufzubauen, bei denen wir auch verstehen, was sie tun.“ Was auf dem Papier nachvollziehbar klingt, ist in der Praxis gleichermassen Hand­werk wie Kunst und beschäftigt Berger seit fast drei Jahrzehnten – denn der Wiener, der 2015 zu Österreichs Business Angel des Jahres gekürt wurde, fliegt in der Öffentlichkeit meist unter dem Radar. Doch kaum ein anderer kennt die österreichische Start-up- und VC-Landschaft so gut wie Berger – und kaum ein anderer ist so lange dabei wie er.

„Ich finde es grossartig, was Akteure wie Speedinvest in den letzten zehn Jahren aufgebaut haben“, sagt Berger auf die Frage, ob er den Hype der letzten Jahre in der Start-up-Szene befremdlich finde – „wir verfolgen einfach nur einen anderen Zugang.“ Berger steht hinter Start-ups wie der Mental-Health-Plattform Instahelp oder dem Grazer Unternehmen Nuki, das smarte Türschlösser herstellt. Ganz alleine tut er das aber nicht – denn den Wiener verbinden eine lang­jährige Geschäftsbeziehung und eine noch längere Freundschaft mit Toto Wolff, der in der Öffentlichkeit vor allem als Chef des Formel-1-Teams von Mercedes bekannt ist. Berger und Wolff investieren in „der Idee eines Family Office“, so Berger, und agieren fast immer gemeinsam – egal, ob an den Finanzmärkten oder bei ihrem „Kronjuwel“, dem Formel-1-Team von Mercedes.

„Dort hat sich in den letzten Jahren wertmässig am meisten verändert“, sagt Berger. Der Boom in der Formel 1, unter anderem ausgelöst durch die sehr erfolg­reiche Netflix-Dokuserie „Drive to Survive“, half dem Sport, neue Zielgruppen und vor allem den US-Markt zu erschliessen. Rund 70 Millionen Menschen verfolgten die Rennen der Saison 2022 im Schnitt, insgesamt betrug die Zuschauerzahl laut Formel-1-CEO Stefano Domenicali rund 1,5 Milliarden Menschen. In den USA lag das Wachstum gegenüber 2021 bei satten 36 %. Doch auch ein zweiter Faktor trug zur Wert­steigerung bei: Die seit Kurzem im­plementierte Kostengrenze bei den Formel-1-Teams führt auch dazu, dass die dahinterstehenden Unternehmen erstmals in einem grösseren Ausmass Gewinne erwirtschaften. „Wir waren als Werksteam viele Jahre in gewisser Weise von Mercedes abhängig, doch das Wachstum und die steigende Aufmerksamkeit im Sport, gepaart mit der Kostengrenze, führen dazu, dass dieses Investment für uns sehr profitabel geworden ist“, so Berger. 2021, also im ersten Jahr mit Cost Cap, erwirtschaftete das Team 68 Mio. Pfund Gewinn, das sind rund 77 Mio. €. Die Zahlen für 2022 sind noch nicht veröffentlicht, angesichts der Entwicklung in der Formel 1 kann aber davon ausgegangen werden, dass der Gewinn deutlich ge­stiegen sein dürfte.

Dieser Boom führte auch dazu, dass Toto Wolff mit einem ­Vermögen von einer Mrd. US-$ 2023 erstmals auf der Forbes Billionaires List landete. Wolff und Berger halten 33 % am Team (Bergers Share ist als Equity-Partner im „niedrigen einstelligen Bereich“, Wolff hält den Löwenanteil) – neben den anderen beiden Partnern Ineos und Mercedes, die beide ebenfalls 33 % halten. 2019 schätzte Forbes den Wert des Mercedes-F1-Teams noch auf eine Mrd. US-$, heute könnte das Team dreimal so viel wert sein. Ein Verkauf steht aber nicht zur De­batte: „Das ist Totos Passion, wir haben überhaupt keine Pläne, zu verkaufen. Mercedes will wieder Weltmeister werden, das ist das grosse Ziel für die nächsten Jahre", so Berger.

„Wir wollten immer nur Dinge machen, bei denen wir auch mit dem Worst Case leben können“, so René Berger zur eigenen Investmentphilosophie.

Der Ansatz, der Berger von der klassischen VC-Welt unterscheidet, ist leicht erklärt: „Wir wollten immer nur Dinge machen, bei denen wir auch mit dem Worst Case leben können. Das bedeutet, dass wir in 20 Jahren zwar keine Unicorns produziert, aber auch so gut wie kein Unternehmen verloren haben.“ Berger investiert extrem selektiv und in der Regel so, dass er in der Rolle eines Mitunternehmers auftreten kann. So organisiert und verhandelt Berger Finanzierungs­runden, bringt (genauso wie Wolff) Kontakte ein, ist teilweise sogar Co-Geschäftsführer, bis das ­Unternehmen stabil steht.

„Wir wollen uns auf wenige Investments fokussieren und die Start-ups zu funktionierenden Unternehmen machen“, so Berger – fremdes Geld will er keines. „Wir arbeiten immer mit eigenem Geld. Wenn wir investieren, haben wir eigentlich nur unser Risiko erhöht. Feiern können wir an dem Tag, an dem wir etwas verkaufen.“

Der erste grosse Erfolg der österreichischen Tech-Landschaft war das von Speedinvest-Gründer Oliver Holle mitgegründete ­Ga­ming-Unternehmen Sysis. „Mit der ersten Dotcom-Welle“, erzählte Holle vor einigen Jahren im For­bes-Interview, „kamen die ersten In­ves­toren auf. Toto Wolff war eigentlich unser erster – und eigentlich auch der Erste, der in Wien in Start-ups ­investiert hat.“ Wolff und Berger halfen bei der ersten Finanzierungsrunde in Höhe von vier Mio. € mit – im Jahr 2000, wohlgemerkt. Nach einem Merger wurde aus Sysis dann „3united“, das 2006 für 55 Mio. € vom US-Konzern Verisign gekauft wurde. Es war quasi der Urknall für die heutige Start-up-Szene in Österreich, aus dem neben dem VC-Unternehmen Speedinvest auch „i5invest“ und viele andere Geburtshelfer der Szene entstanden.

Ab und zu machen Berger und Wolff dann aber doch Aus­nahmen. In den deutschen Robotaxi-Her­steller Volocopter investierte das Duo beispielsweise, obwohl der Anteil unter einem Prozent liegt – Wolff und Berger ­glauben aber schon lange an die Technologie, inves­tierten sie doch bereits 2011 in ein Unternehmen mit einer ähnlichen Technik. „Wir waren oft zu früh dran“, resümiert Berger heute, „Volo­copter war dann eine Chance, doch noch an dieser Technologie zu partizipieren.“

Und: Berger baut abseits der Family-Office- und Business-Angel-Tätigkeit den Bereich Assetmana­ge­ment zunehmend auf und aus. Ber­ger: „Das ist vor allem bedingt durch die steigende Liquidität. Hier in­ves­tieren wir in Equities, Bonds und liquiditätsersetzende Assets.“

Trotz Ausnahmen bleibt der Weg auch in Zukunft der gleiche. Fünf bis sechs Pitches landen pro Woche auf Bergers Tisch, davon nimmt er einen genauer unter die Lupe. Das letzte echte Start-up-­Investment war 2016 Instahelp. Das beste Pferd im Stall bleibt aber das Formel-1-Team; rund 70 % des gesamten Portfolios entfallen auf dieses Investment, so Berger. Die restlichen 30 % werden weiterhin so geführt wie bisher. Ber­ger: „Wir sind als Investoren und Unter­nehmer eher risikoavers – das ist aber auch unser Erfolgsrezept.“

René Berger studierte in Strassburg und Wien Rechtswissenschaften. Seit 1998 investiert er in Start-ups und Unternehmen. 2003 heuerte er in führender Position beim Leiterplattenhersteller AT&S an; 2007 gründete er Nextmarch.

Fotos: Katharina Gossow

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Chefredakteur

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