I am from Austria

Aus «Made in China» wird «Made in Austria»: Das ist der Traum von Silana-Gründer Michael Mayr. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte er den ersten voll automatisierten Nähroboter und will damit die Textilindustrie vom anderen Ende des Planeten zurück nach Europa holen.

Um 1910 existierten in der Donau­monarchie etwa 130 Baumwollspinnereien mit rund 200 Fab­rik­standorten und etwa 550 We­be­reien. Die Modeindustrie war ein ­wichtiger Faktor der Wiener Ringstrassen-­Gesellschaft und stellte damals mehr als ein Drittel der insgesamt 357 Wiener Millionäre.

Heute gibt es in Österreich –so wie in vielen anderen mittel­europäischen Ländern – kaum noch Produktionsstätten der Textil­industrie. Auch wenn dafür mitunter die Weltkriege verantwortlich waren, war ein Hauptgrund der Verlegung der Produktionen in den ­Mittleren und Nahen Osten der Zugang zu ­billigeren Arbeitskräften: 1955 deckte die österreichische ­Textilindustrie noch 88 % des heimischen Markts ab, bis 1975 war dieser Anteil auf 53 % gesunken. Im Jahr 2004 lag er nur noch bei 18 % – dieser Abwärtstrend setzt sich bis heute fort. Aktuell macht die österreichische Bekleidungsindustrie einen jährlichen Umsatz von rund 452 Mio. CHF, ein Grossteil der verkauften Mode wird aber aus China oder Bangladesch importiert. «In Österreich gibt es kaum noch Produktionsstätten für Mode», erklärt Silana-Gründer Michael Mayr und fügt hinzu: «Niemand hier kann mit den niedrigen Produktions­kosten in anderen Ländern mit­halten, da die Arbeitskraft dort wesentlich günstiger ist.»

Hier will Mayr mit ­Silana ­an­setzen, mit einer ­günstigeren ­Alternative: Mit dem Roboter, den er und sein Team in den letzten Jahren entwickelt haben, wird die Auto­matisierung der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht, angefangen von der Stoffrolle bis hin zum fertigen Kleidungsstück – ganz ohne mensch­liches Eingreifen. Denn bisher werden laut Mayr 100 % der Bekleidung immer noch per Hand genäht. «Diese technologische Innovation bedeutet, dass Kleidung nachhaltig, schnell und kostengünstig am Ort des Verkaufs produziert werden kann – selbst in Hochlohnländern wie ­Österreich», so Mayr.

Michael Mayr ist selbst in der Modeindustrie gross geworden. Als Teil der Familie rund um den ­grössten österreichischen Modehändler Fussl Modestrasse konnte er von klein auf Erfahrungen in der Textilbranche sammeln: «Ich habe die Modeindustrie seit meiner Kindheit kennen- und lieben gelernt. Je älter ich geworden bin, desto mehr konnte ich mithelfen, Produzenten kennenlernen und erfahren, wie die Produktion in Wirklichkeit aussieht.»

Mayr studierte Wirtschaftsrecht an der WU in Wien, bevor er am Fashion Institute of Technology in New York eine Ausbildung für Product Development machte. Von 2018 bis 2021 arbeitete er als Executive Assistant bei Fussl Modestrasse, bevor er gemeinsam mit ­Michael Hofmannrichter und dem (wie Mayr ihn nennt) «technischen Mastermind» Anton Wohlgemuth ­Silana gründete. «Wir haben zuvor an einem Online-Toolkit gearbeitet, mit dem wir den Designprozess von Mode demokratisieren wollten; jeder konnte seine eigene Kleidung designen und dann produzieren lassen. Wir sind dann aber schnell draufgekommen, dass eine Produktion in Österreich vor allem mit den notwendigen kurzen Produktionszeiten eigentlich nicht möglich ist, weil fast nichts mehr hier hergestellt wird», so Mayr.

Die drei Silana-Gründer Michael Hofmannrichter, Anton Wohlgemuth und Michael Mayr (von links nach rechts).

Tatsächlich war China mit ­einem Exportwert von 148,13 Mrd. US-$ im Jahr 2023 die grösste Macht in der Textilindustrie. Weit ­dahinter auf Platz zwei lag Indien mit ­einem Exportvolumen von 19,33 Mrd. ­US-$. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Textilien in Österreich jedes Jahr weiter an: So verzeichnete der heimische Bekleidungsmarkt bisher einen Gesamtumsatz von rund 9,8 Mrd. US-$, wobei jährlich mit ­einem Umsatzwachstum von 1,35 % gerechnet wird. Durch die wachsende Nachfrage und die ins Ausland verlegte Textilindustrie steigen die Auswirkungen auf den Klimawandel aufgrund der langen Transportwege. Schätzungen des Europäischen Parlaments zufolge ist die Modebranche für 10 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. «Das derzeitige System ist völlig abhängig von billiger manueller Arbeit und stützt sich in hohem Mass auf die Aus­beutung schwacher Menschen in einigen der ärmsten Regionen der Welt. Mode wird Monate im Voraus in weit entfernten Ländern produziert, um den Globus verschifft – und schliesslich wird ein Drittel der Kleidung entsorgt, ohne jemals getragen worden zu sein», so Mayr.

Mit Silana soll nun zum ­einen der lange Transportweg von Textilien ein Ende haben, zum anderen sollen die häufig ausgebeuteten Arbeitskräfte im Ausland entlastet werden. Dennoch stiessen die drei Gründer zu Beginn von Silana auf viel Skepsis: «Die Menschen konnten kaum glauben, dass Kleidung immer noch von Hand genäht wird. Viele waren skeptisch und dachten, dass es unmöglich sei, heute einen voll automatisierten Roboter zu bauen, weil es bisher noch keinen gab», so Mayr und fügt hinzu: «Das österreichische Förderungssystem hat uns sehr dabei geholfen, das Anfangsrisiko für Investoren zu minimieren. Dafür bin ich sehr dankbar, weil wir als Hardware-Start-up hohe Kosten managen mussten.»

Mithilfe der Investoren (2024 erhält Silana ein Investment von 1,4 Mio. CHF) konnte Silana so den ersten Prototyp bauen. Ein Foto dieses patentierten Prototyps gibt es derzeit noch nicht, doch Mayr beschreibt den Roboter als eine etwa drei Meter lange Roboterzelle, in der sich bewegliche Arme befinden. «Bisher war es für Roboter schwierig, mit biegeschlaffen Materialien wie Stoff umzugehen. Das war bei der Entwicklung eine grosse Herausforderung für uns», erklärt Mayr.

Im ersten Schritt haben Mayr und sein Team sich auf die Produktion von einfachen Kleidungsstücken wie T-Shirts fokussiert: «Wir haben gesagt: ‹We need to crawl before we walk, walk before we run.› Also perfektionieren wir erst mal die Produktion von T-Shirts, bevor wir uns an Polo­hemden und später auch an noch komplexere Kleidungsstücke wagen.» Inzwischen kann der Roboter 25 % aller verkauften Kleidungs­stücke teilautomatisiert ­herstellen. Das bedeutet, dass der Mensch am Ende der Produktionskette zurzeit immer noch gebraucht wird. «Unser Roboter macht derzeit eine 85-%-Automatisierung möglich, was uns eigentlich schon erlaubt, die ­Textilproduktion zurück nach Europa zu holen», so Mayr.

Das Ziel für den Gründer bleibt weiter, den gesamten Prozess zu automatisieren und irgendwann auch die gesamte Bandbreite an Kleidungsstücken herstellen zu können. Ende 2025 möchte Silana die ersten Roboterzellen an Kunden ausliefern; wer diese sein werden, will Mayr noch nicht verraten, aber für das österreichische Unternehmen ist dieser Schritt ein erster grosser Erfolg: «Wir können stolz sagen, dass ein T-Shirt, das in Österreich produziert wurde, zu günstigeren Preisen als in China hergestellt werden kann», so Mayr.

Fotos: Silana

Lela Thun,
Redakteurin

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.