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Imaru Casanova, Maschinenbauingenieurin und Draufgängerin, hilft Anlegern, ein grosses Risiko zu meistern: den fallenden Dollar. Ihr Gegenmittel sind Goldminen-Aktien.
1991 erhielt die damals 16-jährige Imaru Casanova ein Auslandsstipendium, verliess Venezuela und kam in Denver an, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Ihr Sprachkurs fand an der Colorado School of Mines statt – was den Bogen zur Gegenwart schlägt, in der sie letztes Jahr berufsbedingt unter anderem eine Goldmine in der Nähe von Jacobina, Brasilien, besuchte.
Casanova, 50, verwaltet heute – nach einer Karriere, die als Maschinenbauingenieurin begann – den 700 Mio. US-$ schweren Van Eck International Investors Gold Fund. Zu seinen Beteiligungen gehört Pan American Silver; zu den Vermögenswerten von Pan American gehört auch besagte Goldmine im Osten Brasiliens. In der Mine werden zwischen 100 und 280 Tonnen Gold vermutet – nach heutigem Kurs ein Wert zwischen 8,6 und 22 Mrd. US-$. In den letzten zehn Jahren erzielte der Van-Eck-Fonds eine jährliche Rendite von 6,3 %, abzüglich seiner Kostenquote von 1,4 %. Damit liegt er über dem von Morningstar für Edelmetalle berechneten Durchschnitt von 5,1 %, aber unter dem, was ein Aktienindexfonds hätte erzielen können.
Warum sollte man aber überhaupt Gold besitzen wollen? Die Attraktivität von Gold – das zur Hälfte für Schmuck oder elektronische Teile verwendet wird – beruht auf seinem Wert als Absicherung gegen inflationäre Einflüsse durch Währungsemittenten, und davon gibt es zurzeit genug: Im Jahr 2024 stieg sein Preis um 27 %.
Als Hortobjekt konkurriert Gold mit Bitcoin. Bitcoin hat eine bekannte Angebotsgrenze – Gold hingegen nicht, aber es scheint, dass die Menschen nach jahrtausendelanger Suche die meisten leicht zugänglichen Quellen gefunden haben. „Es wird immer schwieriger, grosse Vorkommen zu finden“, sagt Casanova, „und es wird immer schwieriger, Genehmigungen für die Minen zu bekommen.“ Casanovas aktiv verwalteter Fonds konkurriert mit Fonds, die nichts anderes tun, als auf Goldbarren in einem Tresor zu sitzen. Es gibt aber zwei Gründe, Minenaktien gegenüber Barren zu bevorzugen: Erstens können die Minenbetreiber Geld verdienen und Dividenden zahlen, selbst wenn der Goldpreis unverändert bleibt – die 40 Unternehmen im Van-Eck-Portfolio werden durchschnittlich zum Elffachen ihres Gewinns gehandelt; ein Schnäppchen an einem Aktienmarkt, der zum 21-Fachen des Gewinns gehandelt wird.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Minen eine Hebelwirkung bieten. Pan American gibt durchschnittlich 1.516 US-$ aus, um eine Feinunze Gold aus dem Boden zu holen. Das Gold ist etwas weniger als das Doppelte wert – daher stellt ein Anstieg des Goldpreises um 50 % mehr als eine Verdoppelung des Gewinns dar. Der Hebel wirkt natürlich auch umgekehrt.
Casanova schloss ihr Studium in Maschinenbau an der Case Western University ab, arbeitete für Schmierstoff- und Klebstoffunternehmen und wechselte im Alter von 25 Jahren zu Shell Oil. Sie mass Bohrgestänge auf einem Lastkahn im Maracaibo-See, in der Nähe ihres Heimatorts, und trug dabei kurze Haare, um nicht in den Maschinen hängen zu bleiben. „Ich war es gewohnt, die einzige Frau weit und breit zu sein“, sagt sie heute.
Sie hätte bei Shell aufsteigen können, aber die Vorstellung, in Houston zu leben, gefiel ihr nicht. Also zog sie nach New York und putzte Klinken bei Finanzunternehmen. Eine Research-Boutique suchte einen Öl- und Gasanalysten. Sie hatte zwar keinen Wharton-Abschluss, aber einen besonders relevanten Job in ihrem Lebenslauf – und wurde eingestellt.
Die Bewertung von Öl und Gold verläuft parallel: Bewerte die Reserven dahingehend, wieviel es kostet, um diese in ein Fass oder einen Schmelztiegel zu bringen, und wie effektiv beides eingebracht wird, sagt sie. Casanova wechselte vom schwarzen zum gelben Gold und begann dann mit dem an der Wall Street üblichen Jobhopping, bevor sie 2011 bei Van Eck anfing. 2023 wurde sie zur Portfoliomanagerin des dortigen aktiven Goldfonds ernannt. „Risiken lauern überall“, sagt sie, etwa Preisvolatilität oder Gefahren im Untergrund; in der Jacobina-Mine gibt es Fluchtmasken und Schutzkammern. Schrecklicher ist für die Abenteurerin aber der Weg zu den Minen: Sie erinnert sich, wie sie in Burkina Faso aus dem Fenster schaute und die Bäume vorbeirauschen sah. „Der Hubschrauberpilot dachte, es sei lustig, tief zu fliegen. Ich sagte: ‚Heute sterbe ich‘“, so Casanova.
Warum die Vor-Ort-Recherche? Casanova hofft, von Geologen Hinweise darauf zu bekommen, was die Zukunft bringen wird: Sie sucht nach Indizien dafür, wie sich die Erzqualität im Lauf der Zeit entwickeln wird. Die Qualität wird in Gramm pro Tonne (parts per million, also Teile pro Million) gemessen. Ein steigender Wert, der manchmal erreicht wird, wenn bei der Exploration bessere Flöze gefunden werden, reicht aus, um die steigenden Kosten für Arbeitskräfte und Umweltsanierung zu kompensieren. Die Umweltunsicherheit ist gross – das meiste Erz wird durch Übergiessen mit giftigem Zyanid verarbeitet. Das grösste Risiko ist aber etwas, das kein Ingenieurwissen einschätzen kann: die Politik. Casanova kennt das aus nächster Nähe – die Besetzung der venezolanischen Regierung auf das Ölgeschäft hat dazu geführt, dass Unternehmen den Staat verlassen haben und die Produktion des Landes seit ihrer Zeit auf dem Maracaibo-See um zwei Drittel zurückgegangen ist.
Doch Enteignungen kommen auch anderswo vor: Hat die US-Regierung nicht die Genehmigung zur Erweiterung der Keystone-Pipeline entzogen, nachdem ihr Eigentümer 2,2 Mrd. US-$ investiert hatte? Niemand kann also versprechen, dass staatliche Player nicht die Regeln ändern, sobald Gold aus einer Mine gefördert wird. Somit muss man wohl festhalten: Aktien sind riskant, Gold ist riskant – und Goldaktien sind besonders riskant.
Text: William Baldwin
Foto: Aleksandr Karnyukhin für Forbes