GRÜNE ARCHITEKTUR

In der Stadtplanung setzen sich seit Jahren Begrünungsprojekte durch. Von Singapur aus, revolutioniert das Architekten-Team von WOHA die Städte der Zukunft.

Riesige Wohnblöcke und Skyscraper mit Parkanlagen in jeder Etage, Palmen und dschungelartigen Grünflächen – das ist das Markenzeichen von WOHA. Für Europäer ist der Anblick der stark begrünten, modernen Bauten noch etwas ungewöhnlich, in Singapur ist er aber längst Standard. Denn kaum eine andere Stadt investiert so viel in die moderne und nachhaltige Bauweise durch Begrünung der Flächen. Die Vorteile liegen längst auf dem Tisch: Grünflächen auf Häusern wirken nicht nur wärmedämmend, sie filtern auch Feinstaub und sind bei Starkregen ein entlastender Puffer für die Kanalnetze. Kurzum: Sie haben alles, was Megastädte wie Singapur mit seinen 5,6 Millionen Einwohnern brauchen.

In den vergangenen Jahren setzen sich auch immer mehr Architekten mit diesem Ansatz auseinander und lassen die Begrünung in die Architektur mit einfliessen. Einer der Pioniere in diesem Bereich ist das Architektenteam WOHA in Singapur.

Bild: Parkroyal, WOHA, terrace

Gegründet wurde WOHA von den Architekten Wong Mun Summ und Richard Hassell (bis heute als Founding Directors tätig, Anm.) im Jahr 1994. Beide waren zuvor schon im tropischen Asien als Architekten im Bereich Hotelbau tätig und wussten um die Herausforderungen von Städten wie Singapur Bescheid; die Tagestemperatur beträgt dort das ganze Jahr hindurch  kaum unter 30 Grad. Mit ihrem Fokus auf die Begrünung und Mehrfachnutzung von Gebäuden, konnten sie seit ihrer Gründung unzählige Hochhäuser, Wohngebäude und Bürokomplexe in der Region errichten. 2004 erweiterte sich das Kernteam um die deutsche Architektin Schirin Taraz. Heute zählt das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter und betreut Projekte in einer Spannbreite von 6 Millionen € (10 S$) bis zu einer Milliarde €  (1,5 S$). Aber was macht den Erfolg von WOHA aus?

Prototypen für die Stadt der Zukunft

„Wir hinterfragen Typologien und entwerfen neue Prototypen für die Stadt der Zukunft“, sagt Taraz. Dabei spielt das Klima für die Architekten eine der wichtigsten Rollen. „Ökologische Nachhaltigkeit ist in ihrer Brisanz in Asien schon längst stark spürbar“, erklärt die Architektin und gibt ein Beispiel: „Das typische, kompakte Hochhaus ist zum Beispiel für eine ganz andere Klimazone entwickelt worden und hier in seiner klassischen Form für das tropische Klima nicht geeignet.“ Es gehe daher um die Frage, wie man, erstens, hoch verdichtet baut und dabei, zweitens, gleichzeitig eine hohe Qualität schafft. Gigantische, gesichtslose Wohnblöcke können nicht die Lösung sein, sagt Taraz. Der Fokus von WOHA liege auf hochwertigen Stadträumen, die hochverdichtet funktionieren. Und die Begrünung und Bepflanzung von Gebäuden ist dabei aber nur ein Aspekt, so die Architektin.

Bild: Parkroyal, WOHA, outside

„Wenn ich in Europa bin, dann fällt es mir manchmal schwer, den Menschen verständlich zu machen, warum Grün ein starkes Grundbedürfnis ist“, sagt Taraz, „in Europa hat man gute Luft und viel Grün um sich herum. Daher muss man unsere Bauweise auch immer kulturell übersetzen“.

Tatsächlich  geht es Taraz zufolge um die Bauweise in seiner Gesamtheit. In Deutschland zum Beispiel werden Häuser in Richtung Osten und Westen gebaut, weil man möglichst viel Sonneneinfall haben möchte. In Singapur sei das genau andersherum, da man versucht, Luftzüge durchzubringen und so verschattet wie möglich zu bauen. Die Gebäudeausrichtung funktioniert  dabei zum Beispiel nach Nord-Süd und nicht nach Ost-West – wie in gemässigten Klimazonen, wo man darauf bedacht ist, das Licht so tief wie möglich in die Gebäude hinein zu bringen, sagt Taraz.

Intelligente Nutzungsdurchmischung

Es gehe vor allem auch darum, konventionelle Messlatten zu hinterfragen. So spiele die Nutzungsdurchmischung eine grosse Rolle. „In stark verdichteten, grossen Städten haben die Menschen häufig nicht die Zeit zwischen Wohn- Industrie- und Erholungsgebiet zu pendeln. Das Ziel ist es, eine intelligente Nutzungsdurchmischung innerhalb von Gebäudekomplexen zu schaffen, die in sich geschlossen gut funktioniert“, sagt Taraz. So gibt es beispielsweise in einem Komplex gleichzeitig einen Park, Büros, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten.

Diesen Ansatz verfolgt WOHA bei seinen Projekten. Dazu gehört das Hotel Parkroyal on Pickering, die School of the Arts Singapur  sowie das moderne Osia Hotel Downtown. Das Kampung Admirality ist ein Gebäude mit unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten von altersgerechten Wohnungen bis hin zu einem medizinischen Versorgungszentrum und einem Garten auf dem Dach. Zur einen Hälfte werden die Bauprojekte staatlich finanziert, zur anderen Hälfte von privaten Investoren gestemmt.

Bild: Kampung Admirality, Schirin Taraz

„Dabei versuchen wir auch im Hinblick auf die Finanzierung den Nachhaltigkeits-Aspekt zu berücksichtigen“, erklärt Taraz, „wir sehen uns also nicht nur den Anschaffungswert, sondern auch die laufenden Betriebskosten an“. Könne man die Betriebskosten durch eine anfangs höhere Anschaffung, zum Beispiel von Solarstrom oder Regenwasseraufbereitungsanlagen, längerfristig senken, dann wird diese Möglichkeit bei der Finanzierung vorgezogen. „Das erfordert vor allem kreativeres und konzeptionelles Denken“, sagt die Architektin. Das war einer der Gründe, warum sie bei WOHA eingestiegen ist.

„Mich haben Grossstädte schon immer fasziniert“, sagt sie, „vor allem die Frage, wie man die unglaublichen Qualitäten menschlicher Kultur, Kreativität und Vielfalt auf engem Raum ausschöpfen kann, diese Vielfalt und Freiheit wahren und dabei aber menschengerecht gestalten kann“.

Während ihres Studiums an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und der ETH Zürich sei ihr Fokus aber noch sehr auf westlichen Ländern, hauptsächlich in Europa und den USA, gelegen. „Als ich vor etwa 15 Jahren nach Singapur gezogen bin, hat sich mein Blickwinkel, vor allem im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit geweitet“, erinnert sich Taraz. Einen „Kulturschock“ habe sie nicht erlebt, sagt die Architektin. Da sie bereits zu Beginn ihrer Karriere nach Singapur gezogen ist, habe sie es nicht anders kennengelernt.  „Aber das Tempo und das Arbeitspensum hier sind schon etwas anders“, lacht Taraz.

Bild: Kampung Admirality, Schirin Taraz, outside

„Green Replacement“

Struktur steht dabei an oberster Stelle. Bei jedem neuen Projekt wird genauestens kalkuliert: Wie viel Brutto-Geschossfläche darf auf einem Grundstück gebaut werden? Was ist die maximale Dichte, die man auf dem Grundstück erreichen kann? Und wie viel maximale Grünfläche kann man einbauen? In Singapur, einer Stadt, die seit Jahren als Vorbild für mehr Nachhaltigkeit im Städtebau im asiatischen Raum gilt, ist die Begrünung von Flächen, auch „Green Replacement“ genannt, sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der Stadtstaat ist bekannt für seine radikalen und nützlichen Lösungen, die Smog und Verkehrsproblemen entgegentreten sollen. So hat Singapur 2017 zum Beispiel die Zulassung neuer Fahrzeuge verboten. Nur bereits gekaufte Autos dürfen also durch neue ersetzt werden. Zudem wird der öffentliche Nahverkehr ausgebaut. Mit seinen enormen Aufschüttungsprojekten und 5,4 Tonnen Sand jährlich gehört Singapur auch zum grössten Sandverbraucher der Welt. Singapur hat als kleinster Staat Südostasiens die höchste Bevölkerungsdichte weltweit. Die Einwohnerzahl liegt mittlerweile bei mehr als fünf Millionen und die Herausforderungen in Sachen Klimaschutz wachsen.

Bis 2030 sollen zahlreiche Gebäude in Hinblick auf die Green-Mark-Zertifizierung, den führenden Zertifizierungsmassstab in Singapur, nachgerüstet werden. WOHA bleibt bei dieser Entwicklung ein wichtiger Partner. Das Architekturbüro feilt permanent an neuen, zukunftsweisenden Modellen für die grüne Stadt. „Der Klimawandel und der massive Zuzug von Landbewohnern in die Stadt – diese beiden Entwicklungen lassen sich nicht mehr wegdiskutieren – sind längst Realität“, sagt Taraz, „unsere Vision ist es daher, diesen Entwicklungen mit Gebäuden, die sich durch Mehrfachnutzung und intelligente Begrünungskonzepte auszeichnen, auch in Zukunft gerecht zu werden“.

Text: Manuela Tomic

Forbes Editors

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