„Gesund“ beginnt im Kopf

Als Bernadette Frech 2018 die Führung von Instahelp übernahm, war psychologische Onlineberatung noch ein Nischenthema. Sechs Jahre später hat die Plattform mit prominenten Testimonials, B2B-Deals und wachsendem Umsatz die Gewinnschwelle erreicht – und zählt heute zu den führenden Anbietern im deutschsprachigen Raum.

Bernadette Frech ist Geschäftsführerin eines Start-ups geworden, obwohl sie die Risiken besser kennt als die meisten Menschen: Als Österreich-Leiterin des ­Global Entrepreneurship Monitor, der weltweit grössten Studie zu Unternehmertum, war sie regelmässig mit den Ver­sagensängsten von Gründern konfrontiert. Dass sie als Alleinerzieherin von zwei Kleinkindern mit einem sicheren Arbeitsplatz im Hochschulbereich in ein frisch gegründetes Unternehmen wechselt, habe niemand in ihrem Umfeld verstanden. „Ich arbeite sehr gerne und möchte dabei etwas Sinnvolles tun“, sagt Frech. Seit 2018 ist die Steirerin CEO des Mental-Health-Start-ups Instahelp. Das Unternehmen bietet psychologische Online­beratung und Online-Therapie an: Nutzer der Plattform erhalten innerhalb von 24 Stunden Erstkontakt zu einem Psychologen und können sich anschliessend zeit- und ortsunabhängig unterstützen lassen. Damit ist das Start-up im DACH-Raum ein marktführender Anbieter. Dieses Jahr hat es die Gewinnschwelle erreicht – zurückzu­führen ist das nicht nur auf ein gestiegenes gesellschaftliches Bewusstsein durch die Coronapandemie, sondern auch auf neue gesetzliche Rahmenbedingungen.

Geschäftsführerin Frech ist nicht Psychologin, sondern Managerin. In ihrem Doktoratsstudium an der Aston Business School in Birmingham ging sie Emotions­theorien im Bereich des Service-Marketing nach – und kam in dieser Zeit bereits mit den Brüdern Martin und Jürgen Pansy in Kontakt. Es war die Vernetzung mit erfolgreichen Gründern: Die Pansy-Brüder feierten Ende der 90er-Jahre mit sms.at Erfolge, einem Internetportal für Handynutzer. 2012 gründeten sie das Unternehmen Up to Eleven, das sich zu einem Accelerator im Mobile-Bereich entwickelte. Frech unter­stützte die Brüder bei Projekten zum Marktaufbau von Instahelp und sagt rückblickend: „Mit jedem Gespräch ist der Wunsch in mir grösser geworden, Teil von Instahelp zu sein.“ 2015 war das Start-up aus Up to Eleven heraus gegründet worden, Ende 2017 übergaben es Martin und Jürgen Pansy schliesslich an Frech. Eine sichere Plattform für 1:1-Kommunikation zu bauen, das war bereits mit sms.at geglückt – übrig blieb die Frage, wie sich diese Kompetenz bestmöglich einsetzen lässt. In den USA existierten damals bereits psychologische Online-Angebote wie Talkspace. „Im DACH-Markt sind wir ,First Mover‘“, so Frech. Wenige Jahre nach dem Markteintritt versetzte die Covid-19-Pandemie die Welt in einen Lockdown – digitale Lösungen im Gesundheitsbereich waren gefragter denn je.

Konflikte, Schlafprobleme, Liebeskummer – all das sind Themen, bei denen man sich unterstützen lassen kann.

Bernadette Frech

„Wir helfen Menschen dabei, neue Perspektiven zu entdecken“, so Frech. Sie hat Freude daran, Wege zu gehen, die zuvor noch niemand gegangen ist. „Das ­Macher-Sein ausleben“, sagt sie und lacht – so wie in der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“, bei der es im Nachgang zur Millioneninvestition von Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner kam. Nächste Schritte bestanden darin, den Psychologenstock aufzubauen.

Aktuell beraten etwa 400 Psychologen sowohl Privat- als auch Unternehmenskunden. Rund 200 Unternehmen nutzen die B2B-Dienstleistungen von Instahelp, dazu gehören Austrian Airlines, Mercedes-Benz Consulting und Waterdrop. Es sind Unternehmen, die „starken Wert auf den Faktor Mensch legen“, so Frech. Im digitalen „Mental Health Gym“ können Mitarbeiter einfache Übungen bis hin zu Beratungen absolvieren – das „Fitnessstudio“ als Infrastruktur und die Analytics-Leistungen beziehen Unternehmenskunden im Abomodell, die Beratungen erfolgen als „Pay-per-Use“. Rund 10.000 Beratungen führen Instahelp-­Experten monatlich auch im B2C-Bereich durch, verrät Frech. Wer die Geschäftsführerin in den Medien verfolgt, hat möglicherweise aufgeschnappt, dass sie selbst regelmässig Coachings auf der Plattform in Anspruch nimmt. „Das mache ich immer noch“, sagt sie. Als Dreifach-Mutter schätzt sie nach eigener Angabe, womit auch die Plattform wirbt: sich am Abend bequem von zu Hause zuzuschalten. Schliesslich kennt sie die Heraus­forderungen zwischen Trotzphase, Schulstress und Pubertät. „Ich sehe dann aber viele andere Mamas und Papas um mich, die auch kämpfen. Das inspiriert mich für die Arbeit“, so Frech. Zu sehen ist das in der aktuellen Kampagne von Instahelp: Gemeinsam mit dem Fussballverein Sturm Graz appelliert das Unter­nehmen an Eltern, stärker auf sich zu achten. „Mama, Papa, schau auf dich“ heisst die Kampagne, für die ­Kinder gegen die Fussballprofis ins Feld gelaufen sind.

Ein Geschäftsmodell, das sich selbst trägt und reichweitenstarke Kampagnen wie diese ermöglicht, ist das erklärte Ziel von Instahelp. „Bei uns steht Qualität an oberster Stelle – mit der Downside in der Skalierbarkeit“, so die Geschäftsführerin. Denn das Geschäft mit der Onlineberatung sei serviceintensiv, sagt sie. Trotzdem hat Instahelp dieses Jahr die Gewinnschwelle überschritten, das Backoffice-Team ist mittlerweile auf 25 Personen angewachsen. Künstliche Intelligenz soll die Psychologen künftig in administrativen Aspekten und Klienten in der Alltagsbegleitung unterstützen. Während Chat GPT früher vor allem für Rezepte genutzt wurde, suchen Nutzer mittlerweile vor allem mentale Unterstützung, verrät eine Studie der Harvard Business Review. „Das zeigt: Es braucht einen schnellen, niederschwelligen Zugang“, so Frech. Künftig also eine 1:1-Beratung mit einem Chatbot? Das wird es bei Instahelp nicht geben: „Die Kernleistung wird menschlich bleiben“, sagt sie. Mithilfe des Onlineformats erschliesse Instahelp aber Zielgruppen, die konventionelle Angebote nicht nutzen können oder wollen. Ihnen mangelt es zum Beispiel an Angeboten in der Nähe oder an der Zeit, den entsprechenden Weg auf sich zu nehmen. Hinzu kommt die Option, anonym an Beratungen teilzunehmen. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb Männer und Frauen auf der Plattform gleich stark vertreten sind. Testimonials wie Toto Wolff dürften auch dazu beigetragen haben: Der Mercedes-Motorsportchef ist nicht nur in Instahelp investiert, sondern thema­tisiert öffentlich, dass er selbst zum Psychologen geht. „Das ist eine irrsinnig starke Botschaft und wir sind sehr dankbar, dass er sie so offen nach aussen trägt“, so Frech.

Lange habe sie psychische Gesundheit in der öffentlichen Wahrnehmung als „Alles oder nichts“-Thema empfunden, erzählt sie: „Im Physischen wissen wir, dass es zwischen einem Schnupfen und einer Krebserkrankung eine grosse Bandbreite gibt“, sagt sie und ergänzt: „Mein Eindruck war, dass Menschen damals im Hinblick auf die Psyche nur den komplett gesunden Zustand oder eine schwere Depression mit medikamentöser Behandlung kannten.“ Den Grossteil der Arbeit von Instahelp sieht sie aber im Präventivbereich angesiedelt. Dazu gehören Familienkonflikte, Schlafprobleme, Liebes­kummer und Enttäuschungen im Beruf. „All das sind Themen, bei denen man sich unterstützen lassen kann“, so die Geschäftsführerin. Die Covid-19-Pandemie habe in dieser Hinsicht viel verändert, erklärt sie – viele Menschen hatten mit psychischen Belastungen zu kämpfen, das Thema mentale Gesundheit rückte stärker ins öffent­liche Bewusstsein. 2023 beschloss die Bundesregierung, dass die klinisch-psychologische Behandlung in Österreich zur Kassenleistung wird. Seit Jahresbeginn fällt nun auch die psychologische Online-Therapie darunter – Kunden haben somit die Möglichkeit, die Kosten bei den gesetz­lichen Krankenkassen einzureichen.

Frech zufolge schlägt sich das auch bei den Beratungen von Instahelp nieder. Ihr grosser Wunsch: dass mentale Gesundheit integraler Bestandteil des Gesundheitswesens wird. „Gerade in Österreich und Deutschland verfügen wir über grossartige Gesundheitssysteme. Aber im psychischen Bereich spielt Vorsorge noch eine viel zu kleine Rolle“, bemängelt sie. Dabei sei diese gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wie diesen ein wichtiger Hebel. „Wir brauchen jetzt starke Köpfe und Herzen, um die Themen anzugehen“, sagt Frech. Instahelp ist fest entschlossen, dazu beizutragen.

Fotos: Die Abbilder

Ines Erker

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